Leistung von Prozesskostensicherheit durch Unternehmen aus Donezk
Im Rahmen eines Patentstreits vor dem Landgericht München I (LG) hatte dieses per Zwischenurteil zu entscheiden, ob ein in Donezk in der Ukraine ansässiges Unternehmen Prozesskostensicherheit leisten muss.
Die Beklagte hatte beantragt, der Klägerin mit Sitz in Donezk, Ukraine, zur Sicherung der Prozesskosten eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, da die Durchsetzung eines zukünftigen Kostenerstattungsanspruches gefährdet sei. Das Vollstreckungsgericht in Donezk sei nicht mehr tätig und es gebe in diesem Teil der Ukraine keine Rechtsordnung mehr; daher könne der Staat seine Verpflichtungen aus dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozess (HZPÜ) nicht mehr erfüllen. Die Klägerin wandte ein, dass einem Angehörigen eines Vertragsstaates des HZPÜ keine Sicherheitsleistung auferlegt werden dürfe.
Das LG schloss sich der Auffassung der Klägerin an. Es verneinte die Verpflichtung zur Leistung oder Hinterlegung einer Prozesskostensicherheit oder eines Vorschusses zur Deckung der Gerichtskosten. Die Klägerin habe ihren Sitz in der Ukraine, und damit weder in der Europäischen Union noch in einem Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum. Sie gelte damit als Ausländer und es fehle an einem inländischen Wohnsitz oder Aufenthalt. Die Ukraine sei aber ein Vertragsstaat des HZPÜ, das auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat.
Das Gericht erläuterte, die Volksrepublik Donezk sei eine von Separatisten ausgerufene Republik ohne internationale Anerkennung. Unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten könne man nicht von einem Staatsgebilde, und daher nicht etwa von einem Nachfolgestaat auf einem Teil des ehemaligen Staatsgebietes der Ukraine ausgehen. Die Anerkennung eines Staates erfolge grundsätzlich durch einen formellen Anerkennungsakt der Bundesrepublik Deutschland.
[...] Daneben können aber deutsche Gerichte in freier Beweiswürdigung darüber entscheiden, ob ein von ihrer Regierung nicht anerkannter Staat dennoch die Voraussetzungen für die Annahme eines neuen Völkerrechtssubjektes erfüllt. [...]
Die Beklagte habe aber nicht vorgetragen, dass Donezk nicht mehr zum Hoheitsgebiet der Ukraine gehöre, sondern lediglich behauptet, die tatsächliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen sei erschwert, da die Ukraine nicht in der Lage sei, im Gebiet vom Donezk Staatsgewalt auszuüben.
Das LG stellte fest, dass die Vollstreckung des Anspruches der Form nach möglich sei; es sei gemäß des HZPÜ nämlich nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vollstreckbarkeit eines Kostenerstattungsanspruches gegeben ist. Abzustellen sei hier allein auf den Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Abkommens völkerrechtlich verpflichtet sei, auf eine Sicherheitsleistung zu verzichten.
[...] Die von der Bundesrepublik Deutschland in Art. 17 HZPÜ eingegangene Pflicht, gegenüber Angehörigen der Ukraine auf eine Sicherheitsleistung zu verzichten, entfällt nicht dadurch, dass die Ukraine derzeit möglicherweise auf dem Gebiet, auf dem die Klägerin ansässig ist, die Staatsgewalt nicht oder nicht im vollen Umfang ausüben kann. Die Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen können nur unter ganz engen Voraussetzungen in Wegfall kommen, die jedoch vorliegend allesamt nicht erfüllt sind. [...]
Das LG machte noch Ausführungen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen völkerrechtliche Verträge suspendiert - also ausgesetzt - werden können, mit der Folge, dass die hier einschlägige Vorschrift des HZPÜ nicht mehr anwendbar wäre. Eine Suspendierung könne demnach eintreten, wenn sich die Vertragsparteien einvernehmlich dazu entschlössen, oder eine Partei den Vertrag erheblich verletze. Auch eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der Erfüllung der Verpflichtungen aus solch einem Vertrag könne eine Suspendierung auslösen. Diesbezüglich habe die Beklagte aber nichts vorgetragen und es seien darüber hinaus auch andere Voraussetzungen der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) für eine Suspendierung nicht erfüllt.
LG München I, Zwischenurteil vom 13.11.2014, Az. 7 O 25677/11