Kostenloser Einkauf bei Regen an "Tag X"
Ist Wetter Glücksache oder nicht? Mit dieser Frage hatte sich das VG Stuttgart zu beschäftigen. Die Klägerin, Betreiberin eines Einrichtungshauses, begehrte die Feststellung, dass es sich bei ihrer geplanten Werbeaktion nicht um ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages gemäß § 3 handelt. Die Richter entschieden zugunsten der Klägerin.
Streitig war eine von der Klägerin geplante Werbeaktion, mit der sie ihren Kunden versprach, dass sie ihre Ware geschenkt bekommen, sollte es an einem bestimmten Tag am Stuttgarter Flughafen zu einem bestimmten Zeitpunkt regnen. Trifft diese Wetterlage zu, bekommen die Kunden ab einem Einkaufswert in Höhe von 100 Euro den Kaufpreis zurückerstattet. Die Richter hatten zu entscheiden, ob diese Werbeaktion als Wette im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages zu werten ist oder nicht. Die regelmäßige Rechtsprechung wertet Werbeaktionen mit „Kaufpreis-zurück-Wetten“ nicht als illegales Glücksspiel im Sinne der Rechtsverordnung. Es handelt sich nicht um eine klassische Wette im Sinne der rechtlichen Definition, da der Kunde selbst bei Nichteintreten des beworbenen Ereignisses seinen Einsatz nicht verliert, da ihm auf jeden Fall der Gegenwert in Form der gekauften Ware bleibt. Er tätigt demzufolge keine finanziellen Investitionen in Form eines illegalen Glücksspiels, das einen kompletten Verlust des eingesetzten Kapitals nach sich ziehen kann. Die Kunden des Einrichtungshauses erbringen kein Vermögensopfer, wenn das bestimmte Ereignis nicht eintritt, sondern werden für ihren Kapitaleinsatz in Form der gekauften Ware entschädigt.
Ohne ihr eigenes Zutun erhalten die Kunden der Klägerin an einem bestimmten Tag sogar die Chance, einen Gewinn zu verbuchen, sollte der Regen am Flughafen Stuttgart zu dem definierten Zeitpunkt tatsächlich eintreten. Sie bekommen den Kaufpreis zurückerstattet und dürfen die Ware dennoch behalten. Die Richter konnten nicht feststellen, dass die Kunden ein verdecktes Entgelt oder sonstige Leistungen erbringen mussten, um an der Werbeaktion teilzunehmen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Kunden alleine aus dem Grund der Gewinnchance ihren Möbelkauf in dem Einrichtungshaus der Beklagten tätigen und in ihrer Kaufentscheidung maßgeblich beeinflusst werden. Die Kunden sind nach Meinung der Richter nicht wesentlich daran orientiert, Möbel im Gesamtwert von mindestens 100 Euro zu kaufen, um in den Genuss des ausgelobten Gewinnens zu kommen. Die von der Beklagten durchgeführte Werbeaktion ist lediglich als zusätzliche Dreingabe zu ihren regelmäßig erbrachten Leistungen anzusehen, ohne dass die Kunden hierfür eine Eigenleistung zu erbringen haben. Sie wird lediglich als zusätzlicher Anziehungspunkt für einen Besuch in dem Möbelhaus gesehen. Eine Kompensation für ein angebliches Vermögensopfer liegt nicht vor, da der Entrichtung des Kaufpreises immer die gekaufte Ware als Gegenwert gegenübersteht. Ferner haben die Kunden die Möglichkeit, eine rationale Geschäftsentscheidung zu treffen und sich bei Nichtgefallen der Werbeaktion für attraktive Wettbewerbsangebote zu entscheiden.
Dem Glücksspielstaatsvertrag kommt primär eine präventive Aufgabe zu. Er soll die Wett- und Glücksspielsucht einschränken und geeignete Maßnahmen zur Suchtbekämpfung schaffen. Der „natürliche Spieltrieb“ der Bevölkerung soll positiv beeinflusst werden und Jugendliche vor der Einstiegsdroge Glücksspiel geschützt werden. Die Interessen der Spieler sollen gewahrt werden und Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt werden. Den Stuttgarter Richtern ist jedoch nicht klar, wo die Verbindung zwischen einem illegalen Glücksspiel und der Werbeaktion der Beklagten zu sehen ist. Sie können keine Einstiegsdroge, keine betrügerischen Machenschaften und keine damit verbundene Begleitkriminalität erkennen. Die Kunden haben keine Möglichkeit, das Gewinnspiel der Beklagten zu beeinflussen und selbst aktiv tätig zu werden. Es handelt sich vielmehr um die passive Teilnahme an einem Gewinnspiel, denn die Kunden müssen keine eigenen Leistungen und Vermögensopfer erbringen, um eine Chance auf den ausgelobten Gewinn bei Eintritt des beworbenen Ereignisses zu bekommen. Auch handelt es sich um eine einmalige Werbeaktion, eine suchtbegründende Wiederholungsgefahr und die Förderung des Spieltriebes sind demzufolge gleichfalls nicht gegeben. Hinsichtlich der allgemeinen Rechtsvorschriften zur Geschäftsfähigkeit liegt auch keine Jugendgefährdung vor.
Werbeaktionen, die die Rückerstattung des Kaufpreises bei Eintreten eines bestimmten Ereignisses versprechen, fallen nicht unter die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrages. Dessen Regelungen stehen dieser Rechtsprechung nicht im Wege, da derartige Werbeaktionen und illegale Glücksspiele im Sinne von § 284 weit auseinander fallen. Allerdings müssen Unternehmen, die derartige Wettaktionen durchführen, sorgfältig mit der Materie vertraut sein, denn schon Abweichungen um wenige Nuancen können zu einer anderen Rechtsbeurteilung führen. Im Zweifelsfall ist die Hinzuziehung eines Fachanwaltes angebracht.
VG Stuttgart, Urteil vom 15.03.2012, Az. 4 K 4251/11