Keine „Neueröffnung“ bei fehlender vollständiger Schließung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied am 13.06.2019, dass die Bewerbung eines Geschäfts mit der Ankündigung „Neueröffnung“ die vorherige tatsächliche Schließung voraussetze. Die Schließung einzelner Abteilungen aufgrund Umbaus und Umgestaltung seien nicht ausreichend.
Wann kann mit einer Neueröffnung geworben werden?
Klägerin war ein Wirtschaftsverein, Beklagte die Betreiberin zahlreicher Einrichtungsgeschäfte. Diese hatte in der beworbenen Filiale umfangreiche Renovierungsarbeiten vorgenommen. Während der Umbaumaßnahmen lief das Verkaufsgeschäft jedoch völlig normal weiter. Nach Abschluss der Renovierung schaltete die Beklagte eine Werbeanzeige u.a. mit den Worten „ … feiert Neueröffnung mit Wertschecks für Möbel und Küchen …“. Hiergegen ging die Klägerin per Abmahnung vor, da sie die Bewerbung als „Neueröffnung“ für irreführend hielt. Weiterhin wandte sie sich gegen mögliche zukünftige befristete Rabattaktionen der Beklagten. Die Beklagte unterlag in der ersten Instanz und ging daher in Berufung.
Benennung als Neueröffnung oder Widereröffnung irrelevant
Das Oberlandesgericht Düsseldorf erachtete die Werbung als irreführend. Es könne dahinstehen, ob Werbung mit einer "Neueröffnung" bereits dann irreführend sei, wenn es sich lediglich um eine Wiedereröffnung handele. Zwar spreche für die Beklagte, ihre "Neueröffnung" jeweils in den Kontext des Umbaus und der Umgestaltung gestellt zu haben. Damit sei auch für den Kunden klar, dass zumindest früher an dieser Stelle bereits ein Möbelgeschäft betrieben worden sei. Er gehe daher nicht davon aus, dass ein neuer Wettbewerber in den Markt eingetreten sei. Vielmehr könne er erkennen, dass sich das bereits vorhandene Geschäft lediglich "ein neues Gesicht" gegeben habe, in dem viele Abteilungen neugestaltet worden seien.
Betonung auf „Neu“ lässt Schluss auf vorheriger Schließung zu
Die Werbung sei aber irreführend, weil in der Werbung das Wort „neu" blickfangmäßig hervorgehoben worden sei, stellte das OLG fest. Dadurch sei der Eindruck erweckt worden, das Geschäft werde nach einer vorübergehenden Schließung wiedereröffnet. Denn der Begriff des "Eröffnens" setze bereits begrifflich voraus, dass das Geschäft zuvor zumindest vorübergehend für einen gewissen Zeitraum geschlossen gewesen sei. Dem stehe der stets verwendete Zusatz "nach Umbau & Umgestaltung vieler Abteilungen" nicht entgegen. Vielmehr werde eher genau dieses Verständnis unterstützt. Gerade die Umgestaltung vieler Abteilungen lasse es plausibel erscheinen, dass das Geschäft für die erforderlichen Arbeiten zumindest vorübergehend geschlossen gewesen sei. Zwar mag es bei baulichen Großprojekten im Einzelhandel aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen gang und gäbe sein, Ladengeschäfte während der Arbeiten weiterhin eingeschränkt zu nutzen. Dies rechtfertige aber nicht, nach Abschluss der Arbeiten mit einer Neu- oder Wiedereröffnung zu werben.
Anlockwirkung für mögliche Irreführung ausreichend
Die Werbung mit "Neueröffnung" sei auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, so das Gericht weiter. Denn der Begriff "Neueröffnung" übe auf den Verbraucher generell einen ganz erheblichen Anreiz aus. Auch wenn die Irreführung mit einer derartigen Anlockwirkung nicht so hoch sei wie bei unmittelbarer Relevanz für die Marktentscheidung. Trotzdem werde sie vom gesetzlichen Irreführungsverbot erfasst. Eine geschäftliche Entscheidung umfasse nämlich außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produktes auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie das Betreten eines Geschäftes.
Rabattaktionen üben zeitlichen Druck auf Verbraucher aus
Das OLG entschied ferner, dass sich die Klägerin auch rechtmäßig gegen eine Wiederholung zeitlich befristeter Rabattaktionen gewendet habe. Wegen der zentralen Bedeutung des Preises für die Kaufentscheidung sei die wettbewerbsrechtliche Relevanz einer irreführenden Werbung gegeben. Dies gelte auch für unrichtige Angaben des Zeitraums, in dem der Rabatt gewährt werde. Denn durch die zeitliche Begrenzung des herabgesetzten Preises werde der Verbraucher unter Druck gesetzt. Zeitlicher Druck auf die Kaufentscheidung sei grundsätzlich ein wettbewerbsrechtlich relevanter Gesichtspunkt. Auch werde die Kundschaft bei befristeten Rabattaktionen stark angelockt und zum Kauf herausgefordert. Der Beklagten sei es zumutbar gewesen, ihre Werbung so zu gestalten, dass die Verbraucher nicht über die Dauer der Rabattaktion in die Irre geführt werden. Bestehen vorab Zweifel, ob der geplante Warenabsatz in dem befristeten Zeitraum möglich sei, so müsse die Werbung dies ausdrücken und dürfe nicht mit einer absoluten Befristung werben. Wolle die Beklagte unterschiedlich befristete Rabatte gewähren, müsse auch dies deutlich gekennzeichnet und die jeweiligen Aktionen klar voneinander abgegrenzt werden. Daran fehle es jedoch vorliegend.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.06.2019, Az. 2 U 55/18