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Keine Nachahmung bei Zuvorkommen

OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.12.2019, Az.: 6 U 83/18


Keine Nachahmung bei Zuvorkommen

Das OLG Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 12.12.2019, Az. 6 U 83/18 entschieden, dass es sich nicht um eine Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG handelt, wenn ein ähnliches Produkt noch vor dem Original auf dem deutschen Markt angeboten wird. Denn für den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz ist der Zeitpunkt des Eintritts in den deutschen Markt maßgeblich. Das Zuvorkommen ist auch keine gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG.

Streit um den Zeitpunkt des Markteintritts in Deutschland
Das US-amerikanische Unternehmen, das seit 2012 unter der Bezeichnung „Hickies“ elastische Schnürsenkel aus Silikon herstellt und weltweit vertreibt, ist im April 2014 auch in den deutschen Markt eingetreten. Ein auf Lederpflege und Schuhzubehör spezialisiertes Unternehmen vertrieb in Deutschland seit 2016 elastische „Shoeps“-Schnürsenkel des Herstellers Miyali. Zuvor hatte das Unternehmen die Schnürsenkel als Zwischenhändler vertrieben. Das US-Unternehmen und die „Shoeps“-Vertreiberin stritten darüber, ob die „Shoeps“-Schnürsenkel schon im Jahr 2014 von der Herstellerin selbst in Deutschland vertrieben wurden bzw. wann der Markteintritt in Deutschland erfolgte. Schließlich klagte die „Hickies“-Herstellerin gegen die „Shoeps“-Vertreiberin.

Landgericht: keine Nachahmung ersichtlich
Das Landgericht wies die Klage ab, da es die Ansicht vertrat, die „Shoeps“-Schnürsenkel seien keine unlautere Nachahmung. Eine unvermeidbare Herkunftstäuschung könne nicht angenommen werden, da die Produkte in offener Form unterschiedliche Proportionen hätten. Nur im „geschnürten“ Zustand sei der Unterschied gering. In Anbetracht der Unterschiede müsse ein höherer Grad einer Eigenart vorliegen, der aber fehle. Beide Parteien hätten ihre Produkte etwa zeitgleich im Jahr 2014 auf den deutschen Markt gebracht. Daher sei schon nicht ohne weiteres von einer gesteigerten Eigenart der „Hickies“ auszugehen. Außerdem habe die Beklagte beim Vertrieb der „Shoeps“ auch nicht die Wertschätzung der „Hickies“ ausgenutzt. Denn es sei schon gar nicht ersichtlich, dass die Wertschätzung der „Hickies“ so besonders bekannt sei.

Herkunftstäuschung, Ausnutzung der Wertschätzung und unlautere Behinderung?
Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein. Ihre „Hickies“ hätten sehr wohl einen hohen Grad an Eigenart und seien sehr bekannt. Außerdem sei die Beklagte nicht schon im Jahr 2014 mit ihrem Produkt auf den Markt getreten, sondern erst später. Sie beantragte daher, das Urteil des Landgerichts aufzuheben und der Beklagten den Vertrieb und die Bewerbung der „Shoeps“ in ihrer bisherigen Form zu verbieten. Zudem begehrte sie von der Beklagten Auskunft und Rechnungslegung über die Anzahl der verkauften Produkte, den Gewinn sowie über weitere Details. Das OLG Frankfurt a. M. wies die Anträge der Klägerin zurück. Ihr stünden weder Ansprüche aus § 4 Nr. 3 noch aus § 4 Nr. 4 UWG zu.

OLG Frankfurt a. M.: keine „Nachahmung“ bei zeitgleicher Markteinführung
Dazu führte das OLG Frankfurt a. m. aus: zunächst mal fehle es schon an einer „Nachahmung“, die für ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 3 UWG notwendig wäre. Voraussetzung einer Nachahmung sei, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt gewesen sei. Bei einer selbständigen Zweitentwicklung sei schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Vorliegend habe die Herstellerin der „Shoeps“ ihre Schnürsenkel nicht nach den „Hickies“ auf den Markt gebracht, sondern zeitgleich oder sogar früher. Das ergebe sich aus den Rechnungen der Beklagten, wonach die Markteinführung bereits im April 2014 erfolgte. Daher könne eine Nachahmung nicht vorliegen. Auch die Tatsache, dass die „Hickies“ bereits seit 2012 in den USA und anderen Ländern vertrieben wurden, ändere daran nichts. Auch wenn die „Shoeps“-Herstellerin Miyali die „Hickies“ schon gekannt haben möge, sei der ergänzende Leistungsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG auf das Gebiet von Deutschland beschränkt. Daher könne die Übernahme einer Gestaltung eines im Ausland schon vertriebenen Produkts keine Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG begründen.

Keine „Eigenart“ bei zeitgleicher Markteinführung ähnlicher Produkte
Ebenso wenig lasse sich eine wettbewerbliche Eigenart der „Hickies“ begründen. Denn eine wettbewerbliche Eigenart liege nur vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Produkts dazu geeignet sind, die angesprochene Zielgruppe auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Es werde nicht vorausgesetzt, dass es sich um eine Neuheit handle, auch wenn das ein Indiz für die Eigenart sein könne. Sobald zeitgleich zwei Produkte auf dem Markt auftreten, die ähnlich ausgestaltet sind, könne der angesprochene Verkehr aufgrund dieser ähnlichen Ausgestaltung von Anfang an keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft erkennen.

Das Produkt des Klägers sei in Deutschland nicht bekannt genug gewesen
Eine Herkunftstäuschung sei auch deshalb nicht gegeben, weil die erforderliche „gewisse Bekanntheit“ der „Hickies“ gefehlt habe, als die „Shoeps“ erstmalig auf den Markt gebracht wurden. Wenn der potenzielle Käufer gar nicht weiß, dass es ein Original gibt, könne es auch keine Täuschung über die Herkunft geben. Auf eine etwaige Bekanntheit auf einem ausländischen Markt komme es nicht an. Maßgeblich sei hier nur der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung. Beim Unterlassungsanspruch sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entscheidend. Ob eine „gewisse Bekanntheit“ gegeben sei oder nicht, lasse sich anhand der Werbeanstrengungen, der Dauer der Marktpräsenz sowie der hohen Absatzzahlen bzw. des Marktanteils des Originals feststellen.

„Bekanntheit“ des Produkts sei erst nach Markteintritt in Deutschland möglich
Zum Zeitpunkt von ersten Presseberichten über die „Hickies“ in Deutschland sei das Produkt hier noch gar nicht erhältlich gewesen. Auch wenn also das Produkt schon „bekannt“ gewesen sei, könne das nicht dazu führen, dass es schon vor dem Markteintritt die notwendige „gewisse Bekanntheit“ gehabt hätte. Denn der wettbewerbliche Leistungsschutz diene dem Schutz des Leistungsergebnisses eines Mitbewerbers vor einer Übernahme mit unlauteren Mitteln oder Methoden. Dieser Schutz könne sich aber nur auf das Leistungsergebnis beziehen, das auf dem deutschen Markt erworben wurde – nicht auf im Ausland erworbene Leistungsergebnisse. Daher können Presseberichte vor Einführung des Produkts auf dem deutschen Markt höchstens dazu führen, dass das Produkt nach Markteinführung schneller die „gewisse Bekanntheit“ erlangt. Da es an einer gewissen Bekanntheit gefehlt habe, habe es auch keine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung der „Hickies“ im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG gegeben. Denn auch dafür sei erforderlich, dass eine Wertschätzung überhaupt schon entstanden sei, also eine gewisse Bekanntheit vorliege.

Keine „Behinderung“ nach § 4 Nr. 4 UWG ohne identische Leistungsübernahme
Nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. stelle sich das Verhalten der Beklagten auch nicht als „Behinderung“ im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG dar. Eine derartige „Behinderung“ könne dann in Betracht kommen, wenn der Hersteller des Originalproduktes zwar noch nicht direkt auf dem deutschen Markt aufgetreten sei, aber nach der Lebenserfahrung damit zu rechnen sei, dass das Produkt in Kürze auch in Deutschland vertrieben werde. Das entspreche insofern der Situation, als wenn ein deutsches Unternehmen durch das Dazwischentreten eines Mitbewerbers an der bevorstehenden Einführung eines neuen Artikels gehindert werde. Allerdings sei vorliegend die „Shoeps“-Herstellerin selbst im Jahr 2014 in den Markt eingetreten. Die Beklagte hat erst im Jahr 2016 ihren Vertrieb begonnen. Die Beklagte habe sich auf dem Markt der elastischen Schnürsenkel umgesehen und sodann die „Shoeps“-Produkte für ihren Vertrieb ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Behinderung der Klägerin nicht erkennbar. Außerdem komme eine „Behinderung“ nur bei einer identischen Leistungsübernahme in Betracht, die hier jedoch fehle. Eine „Nachahmung“ sei ja eben nicht gegeben gewesen.

OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.12.2019, Az.: 6 U 83/18


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