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Keine Haftung des Verlags für ungewollte Zustellungen von Zeitungen

AG Charlottenburg, Urteil vom 07.08.2015, Az. 216 C 13/15


Keine Haftung des Verlags für ungewollte Zustellungen von Zeitungen

Das Amtsgericht (AG) in Berlin Charlottenburg hat mit seinem Urteil vom 07.08.2015 unter dem Az. 216 C 13/15 entschieden, dass ein Verlag, der kostenlose Wochenzeitungen herausgibt, nicht als Störer für die in der Zeitung enthaltenen unerwünschten Werbemaßnahmen in Anspruch genommen werden kann, sofern der Verlag Maßnahmen getroffen hat, um eine unerwünschte Zustellung zu unterbinden. Geringfügige Ausreißer (hier: drei Zustellungen in zwei Jahren) seien dem Lebensrisiko geschuldet. Eine Verletzung des Selbstbestimmungs- und Besitzrechts liege durch die Zustellung einer unerwünschten Zeitung nicht vor.
 
Damit hat das AG die Klage abgewiesen.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten Unterlassung des Zustellens kostenloser Zeitungen und/oder Werbung. Sie wohnt in einem Berliner Mehrfamilienhaus, in dessen Hausflur sich ihr Briefkasten befindet. Den Briefkasten hat die Klägerin mit der Aufschrift „Bitte keine Werbung“ und zusätzlich „Einwurf von Werbung untersagt“ versehen.
Die Beklagte ist die Herausgeberin einer kostenlosen Wochenzeitung. Diese enthält einen redaktionellen und einen gewerblichen Teil. Mit der Verteilung der Zeitung beauftragt die Beklagte eine Zustellagentur. Zwischen ihr und dieser Agentur besteht ein Zustellvertrag mit einer Ergänzungsvereinbarung zum Schutz vor unerwünschten Zustellungen. Die Zustellagentur hat sich damit verpflichtet, die Zustellverbote ausnahmslos einzuhalten. Hierzu bedient sie sich eines Berichts- und Dokumentationssystems, in das Zustellverbote eingetragen werden. Für den Verstoß ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 5100 € vorgesehen.

Mit anwaltlichem Schreiben ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, den Einwurf der Zeitungen in den ihr zugeordneten Briefkasten zu unterlassen. Kurz darauf fand sie erneut ein Exemplar der Zeitung in ihrem Briefkasten. Für den Fall der Wiederholung drohte sie eine Unterlassungsklage an.
Einige Monate später kam es an zwei Tagen erneut zu einer Zustellung der Zeitung an die Klägerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe kein funktionierendes System, um Zustellverbote umzusetzen. Mit erneuten Zustellungen der unerwünschten Zeitung müsse sie rechnen. Sie beantragt, die Beklagte zur Unterlassung zu verurteilen und hierfür ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250000 €, ersatzweise Ordnungshaft, anzusetzen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung und rügt die sachliche Zuständigkeit des Gerichts. Nach ihrer Ansicht sei das Landgericht zuständig. Sie behauptet ferner, ihre Vertriebspartnerin unverzüglich vom Zustellverbot im Hinblick auf die Klägerin unterrichtet zu haben. Die klägerische Adresse habe sich auf der Verbotsliste befunden.

Nachdem sich das AG Charlottenburg für sachlich zuständig erklärt hatte, wies es die Klage ab. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts bestehe nur bei Ansprüchen, die das Wettbewerbsrecht zur Grundlage hätten. Im hiesigen Fall jedoch sei der Anspruch aus § 1004 BGB hergeleitet worden. Der Anspruch stehe der Klägerin jedoch nicht zu. Zwar stelle die Zustellung einer Zeitung gegen den Willen des Empfängers eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und eine Besitzstörung dar.

Ein Anspruch hieraus könne jedoch nur entstehen, wenn der Absender eine Missachtung des Selbstbestimmungsrechts und des Besitzes der Betroffenen zum Ausdruck bringe, dadurch, dass er nicht alle zumutbaren Maßnahmen treffe, um die Zusendung zu verhindern. Habe der Absender hingegen diese Maßnahmen getroffen, könne dies die
Störereigenschaft erschüttern.

Außerdem liege in solchen Fällen auch keine Missachtung des Selbstbestimungsrechtes und des Besitzrechtes vor, weil bei versehentlichen Zustellungen kein Eingriff in die Rechte des Betroffenen vorliege. So sei es auch im vorliegenden Fall.
Derart seltene Zustellungen in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren seien als Lebensrisiko hinzunehmen. Ein Eingriff in die Rechte der Klägerin liege nicht vor. Die Beklagte habe alle notwendigen und zumutbaren Maßnahmen getroffen, um die Zustellung zu verhindern.

AG Charlottenburg, Urteil vom 07.08.2015, Az. 216 C 13/15


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