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Keine falschen Aussagen zur Rechtslage

Irreführung durch Antwort auf Anspruchsschreiben eines Kunden


Keine falschen Aussagen zur Rechtslage

Ein Unternehmen darf keine falschen Aussagen zur Rechtslage treffen, um Ansprüche seiner Kunden abzuwehren. Das bestimmt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Aber eine Firma kann auf eine bestehende Rechtsunsicherheit hinweisen, wenn es sich deswegen noch nicht abschließend zu den Forderungen des Kunden äußern will. Wichtig sind die Details der Äußerung. Sie darf den Kunden nicht unangemessen beeinflussen oder benachteiligen. So entschied das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Es ging um eine Entschädigung für Verspätungen im Flugverkehr. 

Die Klage richtete sich gegen eine Fluggesellschaft. Ein Kunde hatte von ihr Ausgleichszahlungen verlangt. Anlass war eine Verspätung von mehr als drei Stunden innerhalb des EU-Territoriums. Die Fluggesellschaft verweigerte diesen Anspruch. Sie argumentierte, es gebe mehrere Anfragen nationaler Gerichte zu dieser Frage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Daher bestehe Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Ausgleichsansprüche. Die Klägerin forderte die Fluggesellschaft zur Unterlassung auf. Vor dem Landgericht unterlag sie. Das Landgericht hielt Auskünfte zur Rechtslage nur dann für wettbewerbswidrig, wenn die Rechtslage klar ist und ein Vertragspartner wider besseres Wissen erklärt, geltendes Recht stünde dem Kunden nicht zu. Das gelte im vorliegenden Fall nicht.

Auch das Oberlandesgericht sah keinen Unterlassungsanspruch. In seiner Begründung verdeutlicht es: Die Beurteilung der schriftlichen Äußerung des Unternehmens darf nicht allein anhand der abstrakten Formulierungen erfolgen. Die Vorgeschichte des Schreibens und die Vorkenntnisse des Kunden müssen berücksichtigt werden. 

Die Fluggesellschaft hat das Recht, die höchstrichterliche Rechtsprechung als falsch anzusehen und zu versuchen, sie in einem Rechtsstreit zu verändern. Diesen Standpunkt darf die Fluggesellschaft auch gegenüber einem Kunden vertreten. Darin liegt keine unangemessene Beeinflussung. Sie lastet dem Kunden damit auch nicht einseitig das Risiko auf, seine Ansprüche könnten verjähren. Denn dieses Risiko hätte er beispielsweise auch, wenn die Gesellschaft sich gar nicht äußert. Die Rechtslage hatte das Unternehmen aus Sicht des Gerichts zutreffend geschildert. Für einen verständigen Verbraucher war klar erkennbar, worauf sich die Einschätzung einer „Rechtsunsicherheit“ bezog. Ausgangspunkt war eine für das Unternehmen nachteilige Entscheidung des EuGH. Es versuchte deren Vereinbarkeit mit dem Warschauer und dem Montrealer Abkommen juristisch zu prüfen. In seinem Antwortschreiben verschwieg es diese nachteilige Entscheidung weder, noch gab es sie falsch wieder. Eine spätere Entscheidung des Bundesgerichtshofes hatte aus Sicht der Klägerin die Ansprüche des Kunden bestätigt. Sie warf der Fluggesellschaft daher vor, dieses Urteil unterschlagen zu haben. Das Gericht widersprach. Denn das Urteil des BGH enthalte keine neuen rechtlichen Grundsätze. Der Kunde hätte keinen Kenntnisgewinn gehabt, wenn die Fluggesellschaft zusätzlich noch dieses Urteil erwähnt hätte. 

Ein interessantes Detail betraf die Richtigkeit der Aussagen zur Zahl der beim EuGH anhängigen Vorlagenentscheidungen. Zum Zeitpunkt des Schreibens lag lediglich eine solche Entscheidung beim EuGH vor. Die Klägerin hielt daher die Aussagen des Schreibens für irreführend, denn es sprach von mehreren Anfragen. Zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht lag aber mindestens eine zweite Anfrage vor. Daher hielt das Landgericht die Aussage für wahrheitsgemäß. Die Klägerin widersprach in der Berufung. Würde eine solche Beurteilung erst am Ende der mündlichen Verhandlung vorgenommen, könnte ein wettbewerbswidrig handelndes Unternehmen sehr leicht einer Haftung entgehen. Es müsste nur bis zum Ende der Verhandlung seine Werbung ausreichend abändern. Das Oberlandesgericht verwarf das Argument. Es ginge in dem Verfahren nicht um eine konkrete Verletzungshandlung, sondern ein abstraktes, in die Zukunft gerichtetes Verbot. Daher sei entscheidend, ob eine Aussage bei Schluss der mündlichen Verhandlung noch wettbewerbswidrig ist.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17.11.2011, Az.: 6 U 126/11.


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