Kapitalanlagenwerbung: Ungenügender Warnhinweis in Werbevideo
Mit rechtskräftigem Urteil vom 28.11.2019 entschied das Landgericht Hamburg, dass Anbieter von Nachrangdarlehen und anderen risikoreichen Kapitalanlagen deutlich vor einem möglichen Totalverlust warnen müssen. Das Landgericht stellte überdies fest, dass der Warnhinweis über die gesamte Länge des Werbevideos in ausreichender Schriftgröße eingeblendet werden muss.
Schwach gesicherte Darlehen in YouTube-Videos beworben
Der Kläger ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte betreibt eine Internetplattform, über die sie Vermögensanlagen in Immobilien vermittelt. Jeglichen von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen ist gemeinsam, dass sie mit einem festen Zinssatz ausgestaltet sind und keine Gewinn- oder Verlustbeteiligung beinhalten. Über den Erwerbspreis hinaus entstehen dem Anleger beim Erwerb der von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen keine Kosten.
Die Beklagte hatte zwei Werbevideos mit folgendem Dialog zwischen den Darstellern veröffentlicht:
"Ich habe gehört, du investierst jetzt auch in Immobilien.
Ja, bei E.
Was ist denn das, E.?
Da kannst du online in Immobilien investieren - ab 500 €. Ganz einfach.
Bei solchen Geschichten hast du doch mehr Kosten als Rendite.
Bei E. gibt‘s keine Kosten!
Und die jährliche Rendite?
Bis zu 6%!"
Verstoß gegen Vermögensanlagengesetz
Das Vermögensanlagengesetz schreibt vor, dass die Werbung für Nachrangdarlehen und andere risikoreiche Kapitalanlagen einen deutlich hervorgehobenen Warnhinweis enthalten muss. Dies ergibt sich daraus, dass der Erwerb dieser Vermögensanlagen mit erheblichen Risiken verbunden ist und zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen kann. In den vorliegenden Werbevideos war der Hinweis jedoch lediglich für zwei Sekunden in winziger Schrift zu erkennen.
Die Anforderungen von § 12 Abs. 2 VermAnlG seien damit nach Ansicht des Klägers nicht erfüllt, da der Hinweis zu kurz gezeigt werde und nicht deutlich hervorgehoben sei. Infolgedessen stünden dem Kläger Unterlassungsansprüche nach § 2 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 2 VermAnlG und gemäß §§ 3, 3a, 5a Abs. 2 UWG zu.
Fehlen eines deutlichen Warnhinweises
Das Landgericht bestätigte die Vorwürfe des Klägers bezüglich der Erforderlichkeit eines deutlichen Warnhinweises. Damit verstoße die Beklagte mit den Werbespots gegen das Vermögensanlagengesetz. Der Hinweis müsse während der gesamten Dauer des Videos für den Zuschauer deutlich erkennbar sein. Außerdem sei im vorliegenden Fall der Hinweis in zu kleiner Schrift verfasst. Dabei sei unerheblich, dass die Beklagte nur eine Vermittlungsplattform für Vermögensanlagen betreibt. Der Warnhinweis hätte in der vorgeschriebenen Weise eingeblendet werden müssen, weil das Unternehmen für das öffentliche Angebot der Vermögensanlage verantwortlich ist und nach außen erkennbar als Anbieter auftritt, so das Gericht in seiner Urteilsverkündung. Die Anforderungen von § 12 Abs. 2 VermAnlG seien mithin nicht erfüllt und ein Unterlassungsanspruch begründet.
Kläger behauptet außerdem: Irreführende Werbeaussage
Nach Ansicht des Klägers sei die Werbeaussage „bei E. gibt’s keine Kosten“ irreführend und daher gem. §§ 3, 5 UWG unlauter. Die Aussage sei von den angesprochenen Verkehrskreisen so zu verstehen, dass die Inanspruchnahme der Beklagten keine zusätzlichen Kosten verursache. Diese Vorstellung sei deshalb falsch, da die von der Emittentin an die Beklagte zu zahlenden Kosten durchaus erheblich seien. Dabei verweist der Kläger auf Projekte, in denen unstreitig eine Provision von 5% des gezahlten Gesamtbetrages sowie Kosten in Höhe von 5.000€ für Kundenservice, Marketing und Betreuung der Anleger ausgewiesen werden. Indem der Erwerbspreis der Vermögensanlagen entsprechend erhöht wird, würden diese Kosten auf den Verbraucher abgewälzt werden. Ohne die Belastung mit den vorgenannten Kosten würden die Emittenten der Vermögensanlage den Verbrauchern höhere Zinsen gewähren. Ein Unterlassungsanspruch folge daneben auch aus § 14 Abs. 1 FinVermV i.V.m. § 2 Abs. 1 UKlaG.
Eindeutige Entscheidung des Gerichts bezüglich Werbeaussage
Bezüglich der möglichen irreführenden Werbeaussage ist im Streitfall der konkrete Kontext zu berücksichtigen, indem die Aussage getätigt wurde. Ebenso ist darauf abzustellen, wie der Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. Die Aussage: „bei E gibt’s keine Kosten“ wurde nicht isoliert, sondern als unmittelbare Reaktion auf die Behauptung „Bei solchen Kosten hast du doch mehr Kosten als Rendite.“ Getätigt. Somit stellte das Gericht fest, dass der Verkehr die angegriffene Aussage so zu verstehen vermag, dass ihm als Anleger keine weiteren Kosten entstehen, die seine Rendite mindern, so wie es bei Wertpapieren in Form von Depotgebühren und Transaktionskosten der Fall ist. Außerdem könne vom Kunden bei der Vermittlung der Vermögensanlagen nicht angenommen werden, die Leistung würde kostenlos erbracht werden, so das Gericht weiter. Im Ergebnis liegt also keine irreführende Werbeaussage vor, da bei den von der Beklagten vermittelten Vermögensanlagen keine weiteren Kosten für den Anleger anfallen und der dem Anleger gezahlte Zinssatz fest ist.
Ebenso ist die Überlegung des Klägers, dass ohne die Belastung der Emittentin mit Vermittlungskosten ein höherer Zinssatz hätte vereinbart werden können, sehr spekulativ. Dies ist daraus zu schließen, dass es lediglich eine unternehmerische Entscheidung der Emittentin ist, zu welchem Zinssatz sie Vermögensanlagen auf den Markt bringt. Dagegen ist aus Sicht des Verbrauchers nur entscheidend, dass der Zinssatz nicht durch weitere Kosten gemindert wird.
Urteil des LG Hamburg vom 29.11.2019 – Az.: 312 O 279/18