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Irreführende Werbung für einen Rasierer

OLG Köln, 6 U 119/12


Irreführende Werbung für einen Rasierer

Die in diesen Rechtsstreit involvierten Parteien sind beide Hersteller von Nassrasierern. Die Beklagte bietet unter ihrer Marke „X“ die Rasierer „1“ und „12“ an. Nach den von der Beklagten verbreiteten drei streitbefangenen Werbeaussagen spenden diese Rasierer während der Rasur Feuchtigkeit. An den Rasierern ist ein Behälter oberhalb der Klingen angebracht, der ein Polyox-Pulver enthält, das laut Aussage der Beklagten im feuchten Rasurmilieu Wassermoleküle bindet und diese langsam an die Haut abgibt sowie die normale Abdampfrate der Haut vermindert, was zu einer subjektiv spürbaren Erhöhung der Hautfeuchtigkeit während der Rasur führt. Die Klägerin klagte in der ersten Instanz, dem Landgericht Köln, auf Unterlassung der Anwendung der streitgegenständlichen Werbeaussagen. Das Gericht gab der Klägerin Recht und ließ ein entsprechendes Urteil gegen die Beklagte ergehen. Die Beklagte ging gegen dieses Urteil vor dem Oberlandesgericht Köln in Berufung. 

Beide Parteien haben sich in ihrem schriftsätzlich näher ausgeführten Sachvortrag auf Berichte über klinische Studien sowie weitere Untersuchungen und Unterlagen bezogen. Die Berufungsinstanz folgte der Rechtsprechung der Vorinstanz mit der Feststellung, dass die Werbung für die Nassrasierer der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 UWG irreführend ist, wenn der Haut des Benutzers nicht tatsächlich Feuchtigkeit zugeführt wird. Da sich die Werbeaussagen der Beklagten zwar nicht auf medizinische Wirkungen beziehen, gleichwohl aber mit dem Organismus und Wohlbefinden zu tun haben, sind an die Korrektheit derartiger Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es betreffend die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, auf den Gesamteindruck an, den sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Diese angesprochenen Verkehrskreise bestehen aus durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Verbrauchern, die Nassrasierer kaufen oder für die der Kauf oder die Verwendung von Nassrasierern zumindest in Frage kommt. 

Das Oberlandesgericht Köln folgt der Vorinstanz dahingehend, dass die angesprochenen Verkehrskreise an die Werbeaussagen der Beklagten und vor allem an die Formulierung „Feuchtigkeitsspende“ wesentlich mehr Erwartungen und Ansprüche stellen als tatsächlich gegeben sind. Die durch eine Umfrage angesprochenen Verbraucher verstehen unter der Formulierung „Feuchtigkeitsspende“ eine aktive Abgabe von Feuchtigkeit während der Nassrasur mit einer ähnlichen Wirkung wie eine Feuchtigkeitscreme. Tatsächlich jedoch gibt das von der Beklagten beworbene „feuchtigkeitsspendende Gel-Reservoir“ nur eine passive Feuchtigkeit während der Rasur ab, die die Haut vor Irritationen schützt und so den durch die Rasur bedingten Feuchtigkeitsverlust der Haut reduziert. Der von der Beklagten selbst vorgetragene Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis bietet keine hinreichenden Gründe für die Annahme, dass bei der Verwendung einer ihrer Nassrasierer eine aktive Abgabe von Feuchtigkeit an die Haut stattfindet. Alle drei streitbefangenen Werbeaussagen der Beklagten sprechen im Kontext den Aspekt der Pflege und Gesunderhaltung der Haut besonders an. Daher sind überall dort, wo in der Werbung die Gesundheit besonders betont wird, sehr strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen. Dies liegt vor allem darin begründet, dass die eigene Gesundheit für die Verbraucher einen besonders hohen Stellenwert einnimmt. Ferner können mit irreführenden gesundheitsbezogenen Werbeangaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein. 

Die überschätzte feuchtigkeitsspendende Wirkung des Beklagtenprodukts mag im Vergleich zu irreführenden Wirkungsaussagen bei Arznei- oder Nahrungsmitteln zwar gering erscheinen, dennoch sollte sich ihre Bewertung an der Rechtsprechung für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeauslagen ausrichten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist gesundheitsbezogene Werbung mit fachlichen Aussagen generell nur dann zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Die von der Beklagten schriftlich eingereichten Stellungnahmen hinsichtlich klinischer Studien und weiterer Untersuchungen der eigenen Forschungsabteilung sieht das Gericht als nicht wissenschaftlich gesichert an. Die von der Beklagten geltend gemachte Feuchtigkeitszufuhr während der Rasur sei allenfalls theoretisch möglich. Auch die knappe Stellungnahme des Sachverständigen „M“ lasse keinen anderen Schluss zu. Das Gericht unterstellt der Beklagten angesichts ihrer aufgestellten Werbebehauptungen wenigstens eine leichte Fahrlässigkeit, insbesondere deshalb, weil ihr in Kenntnis der vorliegenden Forschungsergebnisse die Eignung zu einer irreführenden Werbung bekannt gewesen sein muss. Die Annexansprüche der Klägerin sind daher begründet. 

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.05.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708, 711 ZPO. Die Revision wird aufgrund der tatrichterlichen Anwendung höchstrichterlich hinreichend geklärter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall nicht zugelassen. 

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 31.01.2014, Az.: 6 U 119/12


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