Irreführende Gegenüberstellung mit Apothekenverkaufspreis
Die Abkürzung “AVP“ bezeichnet den unverbindlichen Apotheken-Verkaufspreis des Herstellers nach Lauer-Taxe. In diesem Verzeichnis werden alle bei der Informationsstelle für Arzneispezialitäten gemeldeten Fertigarzneimittel aufgeführt. Der Beklagte, Inhaber der X-Apotheke in O1, bewirbt die von ihm vertriebenen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel unter Gegenüberstellung eines höheren Abgabepreises nach Lauer-Taxe. Die Klägerin ist ein klagebefugter Verband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Klägerin stellt gegenüber dem Beklagten auf Unterlassung einer zielgerichteten Preiswerbung ab. Der Beklagte wirbt in seiner in der Unterlassungsklage als “Störer“ bezeichneten Werbebroschüre mit den höheren AVP-Preisen und betont die prozentuale Abweichung mit der Überschrift “50 % Rabatt“. Der “Störer“ weist ferner darauf hin, alle an dieser Stelle beworbenen Preise lägen weit unter dem unverbindlichen Apotheken-Verkaufspreis des Herstellers nach Lauer-Taxe. Weiterhin weist ein Fußnotentext darauf hin, dass für rezeptpflichtige Arzneimittel einheitliche Abgabepreise gelten. Die aufgeführten Rabatte in dem Werbeflyer des Beklagten stellen auf den UVP-Preis (unverbindliche Preisempfehlung) beziehungsweise auf den zuvor zitierten Apotheken-Verkaufspreis des Herstellers nach Lauer-Taxe (AVP) ab.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Unterlassungsklage die Absicht, das Gericht möge feststellen, die Preiswerbung unter Angabe des “AVP“ suggeriere dem informierten und angemessen verständigen Durchschnittsverbraucher eine unverbindliche Preisempfehlung des Arzneimittelherstellers. Das Landgericht Frankfurt hat der Unterlassungsklage der Klägerin stattgegeben und den Beklagten antragsgemäß verurteilt. So hat der Beklagte es in Zukunft zu unterlassen, auf einen höheren, unverbindlichen Apotheken-Verkaufspreis des Herstellers unter Angabe von Rabatten hinzuweisen und diesen als Vergleichsgröße anzuführen. Der Beklagte darf seine Produkte künftig nicht mehr mit dem Hinweis, seine Preise lägen weit unter dem AVP-Preis, bewerben. Die Kurzbezeichnung “AVP“ mit Hinweis auf den Herstellerpreis nach Lauer-Taxe darf der Beklagte in seinen Werbeflyern nicht mehr führen.
Im Vorfeld der Unterlassungsklage beim Landgericht Frankfurt hatte die Klägerin den Beklagten abgemahnt. Das Landgericht Frankfurt hat festgelegt, dass der Beklagte die Abmahnpauschale in Höhe von 219,35 € zu erstatten hat. Der Beklagte war auf dieses Urteil hin in Berufung gegangen. In der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verfolgt der Beklagte seinen Klageantrag unter Beanstandung des Urteils der Vorinstanz weiter. Die Klage soll abgewiesen werden. Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt fest, die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Unterlassungsantrag der Klägerin ist hinreichend bestimmt, da er auf konkrete Verletzungsformen Bezug nimmt. Der Beklagte führt mit seiner Werbung unter Angabe „unverbindlicher AVP-Preis des Herstellers nach Lauer-Taxe“ die von ihm angesprochenen Verkehrskreise im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG in die Irre. Das Urteil gegen den Beklagten führt aus, die angesprochenen Verkehrskreise fassen die Referenzpreise als unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers auf. Tatsächlich jedoch liegt gerade diese im Fall der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht vor. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher, zu dessen Kreisen der Senat auch überdurchschnittlich gebildete Verbraucher zählt, die Lauer-Taxe nicht kennt.
Dem Verbraucher ist ferner nicht bekannt, wie sich die Preisgestaltung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zusammensetzt. Diesen gut informierten Verkehrskreisen ist jedoch die Angabe “UVP“ im Sinne von Preisangaben und Preisgegenüberstellungen aus entsprechender Werbung als geläufige Abkürzung bekannt. Der Beklagte verstärkt diesen Eindruck dahingehend, dass er selbst die Abkürzung “UVP“ im Zusammenhang mit der Lauer-Taxe verwendet. So wird der Verbraucher bei der Bezeichnung “AVP“ automatisch davon ausgehen, dass es sich bei den beworbenen Preisen des Beklagten um eine Parallele zur unverbindlichen Preisempfehlung im Bereich der Konsumgüter handelt. Der Verbraucher geht somit von einer unverbindlichen Preisempfehlung der Arzneimittelhersteller für Apotheken aus. So fehlt es nach Auffassung des Gerichts betreffend die Irreführung nicht ausnahmsweise an Relevanz, da alle im Werbeflyer aufgeführten Preise einheitlich einem “AVP“ gegenübergestellt werden, wobei kein Unterschied zwischen den einzelnen Artikeln gemacht wird. Der Kaufentscheidung der Verbraucher misst das Gericht in Bezug auf die mit “AVP“ beworbenen Preise eine zentrale Bedeutung bei und sieht somit die wettbewerbsrechtliche Relevanz einer irreführenden Preisangabe ohne Weiteres als gegeben an. Eine diesbezügliche Einschränkung liegt nur dann vor, wenn die Erwartung des Verbrauchers nicht enttäuscht wird, weil den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zugrundeliegenden Abgabepreisen die gleiche Funktion zukommt wie den UVPs.
Der Beklagte darf künftig nicht mehr mit einem höheren, unverbindlichen Apotheken-Verkaufspreis werben, wenn einer der in der Unterlassungsklage zitierten Texte Anwendung findet. Das Gericht weist jedoch explizit darauf hin, dass es ausdrücklich nicht verboten sein soll, mit einer AVP-Preisangabe zu werben, wenn diese den beworbenen Arzneimitteln tatsächlich zugrunde liegt. So hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG, wonach es dem Beklagten jedoch nicht generell verboten werden kann, seine nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel unter Bezugnahme auf den einheitlichen Abgabepreis zu bewerben, jedoch mit der verpflichtenden Einschränkung, dass diese Preisangaben bei der konkreten Ausgestaltung nicht den unzutreffenden Eindruck vermitteln, bei dem “AVP“ handele es sich um eine unverbindliche Herstellerpreisempfehlung. Es muss hinreichend darüber aufgeklärt werden, dass es sich bei dem Bezugspreis für rezeptfreie Medikamente um einen verbindlichen Festpreis betreffend die Abrechnung der Apotheken mit den Krankenkassen handelt.
Das Gericht stellt fest, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Der Senat hat seiner Entscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen zugrunde gelegt, sondern eine Einzelfallbeurteilung der durch die Klägerin konkret angegriffenen Werbemaßnahme des Beklagten getroffen.
OLG Frankfurt, Urteil vom 20.03.2014, Az. 6 U 237/12