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Irreführende Aufmachung einer Spirituose

Urteil des OLG Karlsruhe: Irreführende Aufmachung einer Spirituose mit der Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“


Irreführende Aufmachung einer Spirituose

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 15. Oktober 2023 (Az.: 12 U 64/22 KfH) entschieden, dass die Bezeichnung und Aufmachung einer Spirituose mit der Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“ gegen die Verordnung (EU) 2019/787 sowie das deutsche Wettbewerbsrecht verstößt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob durch die Verwendung dieser Bezeichnung in Verbindung mit optischen Gestaltungselementen eine unzulässige Anspielung auf die geschützte Kategorie „Zwetschgenbrand“ erzeugt wurde und ob Verbraucher durch diese Darstellung in die Irre geführt werden können.

Das Urteil bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Freiburg und setzt wichtige Leitlinien für die Kennzeichnung und Vermarktung von Spirituosen im Einklang mit EU-Recht und dem deutschen Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).

Sachverhalt und Hintergrund

Die Klägerin, eine Anbieterin von Spirituosen, richtete sich gegen die Beklagte, die eine Spirituose unter der Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“ vertreibt. Diese Spirituose besteht zu 33 % aus Zwetschgendestillat und zu 67 % aus Getreidedestillat. Auf dem Etikett sind prominent drei Zwetschgen an einem Zweig abgebildet, und die Verschlusskappe des Produkts ist in einem markanten Blau gehalten, das die Farbgebung der Zwetschgen unterstreicht.

Die Klägerin argumentierte, dass diese Aufmachung den Eindruck erwecke, es handele sich um einen Obstbrand, der ausschließlich aus Zwetschgen hergestellt wurde. Sie machte geltend, dass diese Darstellung sowohl gegen das in der Verordnung (EU) 2019/787 festgelegte Anspielungsverbot verstoße als auch Verbraucher irreführe. Sie beantragte daher die Unterlassung der Vermarktung des Produkts in der beanstandeten Form.

Die Beklagte hingegen führte an, dass der Begriff „Schnaps“ ein allgemeiner Begriff sei, der nicht unter die geschützten Bezeichnungen der Verordnung (EU) 2019/787 falle. Zudem verwies sie darauf, dass die genaue Zusammensetzung des Produkts auf dem rückseitigen Etikett angegeben sei, was ausreiche, um einer möglichen Irreführung entgegenzuwirken.

Rechtliche Bewertung durch das OLG Karlsruhe

1. Verstoß gegen das Anspielungsverbot der Verordnung (EU) 2019/787

Das OLG Karlsruhe sah in der Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“ in Verbindung mit der Gestaltung des Etiketts eine unzulässige Anspielung im Sinne der Verordnung (EU) 2019/787. Nach Art. 3 Abs. 3 c) der Verordnung stellt eine Anspielung jede direkte oder indirekte Bezugnahme auf eine geschützte Bezeichnung dar, die beim Verbraucher einen gedanklichen Bezug zu der geschützten Kategorie herstellt.

Das Gericht stellte fest, dass die Bezeichnung „Zwetschgen Schnaps“ und die prominente Darstellung von Zwetschgen auf dem Etikett die Erwartung hervorrufen, es handele sich um einen Obstbrand, der ausschließlich aus Zwetschgen gewonnen wurde. Dies ist jedoch nicht der Fall, da das Produkt nur zu einem Drittel aus Zwetschgendestillat und zu zwei Dritteln aus Getreidedestillat besteht.

Das Gericht führte aus:

„Die exponiert auf dem Hauptetikett der Spirituose verwendete Bezeichnung ‚Zwetschgen Schnaps‘ als Produktangabe stellt (...) keine wortgleiche Bezeichnung dar, sie steht jedoch für den angesprochenen Verbraucher (...) über den Bestandteil ‚Zwetschgen‘ in direktem Bezug zur geschützten Kategoriebezeichnung ‚Zwetschgenbrand‘, alternativ ‚Zwetschgenwasser‘ (...). Sie erweckt den Eindruck, auch die Spirituose der Beklagten werde ausschließlich aus Zwetschgen hergestellt.“

Das Gericht wies darauf hin, dass eine Anspielung nicht zwingend durch die direkte Verwendung eines geschützten Begriffs erfolgen muss. Auch bildliche Darstellungen und andere Gestaltungselemente können eine Anspielung darstellen. In diesem Fall verstärkten die Abbildung der Zwetschgen und die Farbgestaltung der Verschlusskappe die Assoziation mit einem Zwetschgenbrand. Solche Elemente erzeugten beim Verbraucher eine gedankliche Nähe zur geschützten Kategorie „Zwetschgenbrand“ und verstießen damit gegen die Verordnung.

2. Irreführung der Verbraucher gemäß § 5 UWG

Das Gericht stellte außerdem fest, dass die Aufmachung des Produkts irreführend im Sinne von § 5 UWG sei. Verbraucher würden durch die Bezeichnung und Gestaltung des Produkts zu der Annahme verleitet, es handele sich um einen Obstbrand, der ausschließlich aus Zwetschgen hergestellt wurde. Dieser Eindruck sei falsch, da das Produkt in Wirklichkeit ein Gemisch aus Zwetschgen- und Getreidedestillat ist.

Eine von der Klägerin vorgelegte Verbraucherbefragung bestätigte diese Einschätzung: Nahezu ein Drittel der Befragten war der Meinung, dass es sich bei „Zwetschgen Schnaps“ um einen reinen Obstbrand handelt. Rund 50 % stimmten der Aussage zu, dass „Zwetschgen Schnaps“ einem Obstbrand wie „Kirschwasser“ oder „Williams Christ“ entspreche. Das Gericht bewertete dies als deutlichen Beleg dafür, dass die Gestaltung und Bezeichnung des Produkts geeignet sind, Verbraucher zu täuschen.

Das Gericht erklärte weiter, dass die Angaben auf dem rückseitigen Etikett nicht ausreichen, um die Irreführung auszuräumen. Viele Verbraucher lesen die detaillierten Angaben auf der Rückseite nicht oder können sie nicht korrekt interpretieren. Die hervorgehobene Darstellung auf der Vorderseite des Produkts hat eine deutlich stärkere Wirkung auf die Wahrnehmung der Verbraucher.

3. Verbraucherwahrnehmung und Schutz vor Irreführung

Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die Frage, wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher die Aufmachung des Produkts wahrnimmt. Das Gericht betonte, dass die Erwartung eines Verbrauchers, der Begriff „Zwetschgen Schnaps“ bezeichne einen reinen Obstbrand, durch die gewählte Gestaltung noch verstärkt werde. Es führte aus:

„Die Anspielung wird in ihrem Potential noch verstärkt durch die übergroße farbige Abbildung von drei Zwetschgen an einem Zweig auf dem vorderseitigen Hauptetikett des Erzeugnisses der Beklagten sowie durch das korrespondierende markante Blau der Verschlusskappe, welche einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu einem Zwetschgenbrand (...) herstellen.“

Diese Gestaltungselemente führten dazu, dass Verbraucher nicht auf die genauen Angaben zur Zusammensetzung des Produkts achteten, sondern sich auf den irreführenden Eindruck der Vorderseite verließen.

Entscheidung und Rechtsfolgen

Das Gericht wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Freiburg. Die Beklagte wurde verpflichtet, den Vertrieb der Spirituose in der beanstandeten Aufmachung zu unterlassen. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil des OLG Karlsruhe hat erhebliche Auswirkungen auf die Kennzeichnung und Vermarktung von Spirituosen. Es stellt klar, dass Hersteller sorgfältig darauf achten müssen, dass ihre Produkte keine unzulässigen Assoziationen zu geschützten Bezeichnungen hervorrufen. Dies gilt nicht nur für die Verwendung von Begriffen, sondern auch für optische Gestaltungselemente, die gedankliche Verbindungen zu geschützten Kategorien herstellen können.

Leitlinien für die Praxis:

1. Klarheit und Transparenz: Die tatsächliche Zusammensetzung von Spirituosen muss klar und deutlich erkennbar sein. Versteckte oder missverständliche Angaben können als Irreführung gewertet werden.
2. Anspielungsverbot: Jede direkte oder indirekte Bezugnahme auf geschützte Kategorien ist unzulässig, wenn das Produkt nicht den Anforderungen der entsprechenden Kategorie entspricht.
3. Gestaltungselemente: Bilder, Farben und andere Gestaltungselemente, die Assoziationen zu geschützten Kategorien wecken, können ebenfalls als Anspielung gewertet werden.

Dieses Urteil stärkt den Verbraucherschutz und schafft klare Anforderungen für die Spirituosenbranche. Hersteller sollten ihre Kennzeichnungspraxis sorgfältig prüfen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden.


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