In Marl gibt es die Grünen zweimal
Ende 2013 beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamm in zweiter Instanz mit dem Unterlassungsbegehren der politischen Partei „Bündnis 90/ Die Grünen“, dass die „Wählergemeinschaft DIE GRÜNEN Marl“ sowohl auf die Verwendung des Namensbestandteils „DIE GRÜNEN“ als auch auf das damit verbundene Sonnenblumensymbol verzichten sollte. Außerdem sollte die rechtlich als Verein organisierte Wählergemeinschaft verpflichtet werden, auf die Domainbezeichnungen “gruene-marl.de“ und „grüne-marl.de“ zu verzichten.
Am 12. April 2013 verurteilte das Landgericht Essen die Beklagte („Wählergemeinschaft DIE GRÜNEN Marl“) zum Verzicht auf die Domainbezeichnungen, wies aber ansonsten die Unterlassungsklage der Klägerin („Bündnis 90/ Die Grünen“ ) ab. Gegen dieses Urteil wollte die Partei „Bündnis 90/ Die Grünen“ vor dem OLG Hamm in Berufung gehen. Durch Beschluss vom 23. Oktober 2013 stellten die Richter des angerufenen OLG-Senats einstimmig fest, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Rechtsstreit waren viele Jahre kooperatives Miteinander von Klägerin und Beklagten vorausgegengen. Die beiden, Ende der 1970er Jahren entstandenen, grünen Polit-Gruppen haben ähnliche Wurzeln und hatten lange Zeit auch personelle Schnittmengen. Doppelmitgliedschaft in Partei und Wählergemeinschaft waren bis 2009 bei Marler Grünen häufig.
2009 änderte sich das Verhältnis beider Gruppen entscheidend. "Bündnis 90/ Die Grünen" hatte einen eigenen Ortsverband gegründet und stellte sich 2009 bei den Kommunalwahlen wie die „Wählergemeinschaft DIE GRÜNEN Marl“ den Wählern. Als Reaktion schlossen beiden Grünen-Gruppen die jeweils anderen Kandidaten, soweit sie eine Doppelmitgliedschaft hatten, aus ihrer jeweiligen Gruppe aus.
2013 begründeten die Vertreter der Partei "Bündnis 90/ Die Grünen" ihr Unterlassungsbegehren unter Hinweis auf die bundesweite Bedeutung ihrer Partei vor allem mit der Gefahr, dass die Wähler wegen der Namensähnlichkeit beide Marler Grünen-Gruppen verwechseln könnten. Dagegen wies die beklagte Wählergemeinschaft auf ihre angeblich älteren Namensrechte und die mangelnde Verwechslungsgefahr auf der relevanten Kommunalebene hin. Außerdem berief sie sich auf Verwirkung eventueller Unterlassungsansprüche.
Nach Ansicht der Hammer Oberlandesrichter kam beim Vorstoß von „Bündnis 90/ Die Grünen“ im Jahr 2013, der Konkurrenz die Führung der Bezeichnung „Die Grünen“ gerichtlich untersagen zu lassen, lediglich § 12 BGB als mögliche Rechtsgrundlage in Betracht. Danach kann der zur Führung eines Namens Berechtigte von einem Anderen, der diesen Namen unbefugt führt, Unterlassung verlangen.
Das Gericht sah es als gegeben, dass durch den Namen „Grüne“ und durch die Führung des Sonnenblumensymbols beim Wähler Zuordnungsverwirrung entstehen könnte. Allerdings verneinte das Gericht das Vorliegen des im § 12 BGB als Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch geforderten Merkmals der unbefugten Führung des Namens. Unbeachtlich der Frage, wer die älteren Namensrechte habe, stellten die Richter bei der Beurteilung der Befugnis zur Führung des Namens auf die jahrzehntelange unbeanstandete Führung des Namens „Grüne“ durch die Wählergemeinschaft ab. "Bündnis 90/ Die Grünen" hatte die Namensführung zwischen 1979 und 2010 nie beanstandet. Dadurch hatte sich die Beklagte einen Besitzstand am Namen erworben. Auch mochte das Gericht der Argumentation der Klägerin nicht folgen, die Beklagte habe von der parteipolitischen Reputation der Klägerin in einem in dieser Sache wesentlichen Umfang profitiert.
Es sei nun Sache der Klägerin, die seit 2009 mit einem eigenen Ortsverband in Marl an der Kommunalpolitik teilnimmt, der tatsächlich gegebenen Verwechslungsgefahr mit der seit 1979 in Marl aktiven Wählergemeinschaft entgegen zu wirken und nicht umgekehrt.
OLG Hamm, Beschluss vom 23.10.2013, Az. 14 U 17/13