Höhe der Vertragsstrafe bei erneuter Zusendung einer Werbe-E-Mail
Oft lohnt es sich für den Abgemahnten, eine modifizierte Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abzugeben. Diese sieht keinen festen Betrag für die Vertragsstrafe vor, sondern überlässt deren Bemessung im Verletzungsfall dem Unterlassungsgläubiger. Allerdings kann der Gläubiger die Konventionalstrafe nicht beliebig hoch ansetzen: Sein Ermessen wird beschränkt durch die gerichtliche Billigkeitsprüfung im Rahmen eines Vertragsstrafeverfahrens. Nicht selten liegen die Beträge, die die Gerichte als angemessen erachten tiefer als die fix im Voraus vereinbarten Vertragsstrafen von zumeist 5.001 Euro oder mehr. Ein Beispiel liefert das Oberlandesgericht Köln: Es reduzierte die geforderte Vertragsstrafe von 3.000 Euro in einem Fall von unerwünschter E-Mail-Werbung auf 500 Euro (OLG Köln, Urteil vom 01.06.2011, Az. 6 U 4/11).
Sachverhalt
Ein Steuerberater mahnte eine Lebensversicherungsgesellschaft wegen eines unverlangten Werbeanrufs ab. Die Versicherungsunternehmung verpflichtete sich in einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen nach Hamburger Brauch, auf unerwünschte Werbung per Telefon, Fax, E-Mail oder Post zu verzichten.
Wenige Tage später bestellte jemand unter dem Namen "Sigi Sorglos" im Internet den Newsletter der Versicherung an die Mailadresse des Steuerberaters. In der Folge erhielt dieser rund einen Monat nach Zustandekommen der Unterlassungsvereinbarung eine E-Mail mit dem Newsletter.
Nachdem der Steuerberater von der Versicherungsgesellschaft erfolglos eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro verlangt hatte, klagte er vor dem Landgericht Köln auf 6.000 Euro. Noch während dieses Verfahrens schickte die Lebensversichererin dem Steuerberater per Post einen Werbeprospekt. Dieser erhöhte daraufhin seine Klageforderung auf 9.000 Euro.
Das Landgericht gestand ihm schließlich 1.500 Euro für den Werbeprospekt zu. Bezüglich des Newsletters wies es die Klage ab, da der Kläger nicht ausschließen konnte, dass ein Dritter unter Verwendung seiner Mailadresse die Bestellung aufgab.
Gegen diese Entscheidung erhob der Steuerberater Berufung. Er verlangte nun je 3.000 Euro Vertragsstrafe für die Werbemail und die Prospektsendung. Das Oberlandesgericht Köln hieß die Berufung teilweise gut. Es setzte – zusätzlich zu den 1.500 Euro für den Werbeprospekt – für den Newsletter eine Vertragsstrafe von 500 Euro fest.
Urteilsbegründung
Das Gericht hält es für wahrscheinlich, dass der Kläger den Newsletter "zu Kontrollzwecken" selbst bestellt hat. Dafür spreche die Wahl des Namens "Sigi Sorglos", der auf die Sorglosigkeit der Versicherungsgesellschaft bei der Einhaltung der Unterlassungsvereinbarung hindeuten könne. Allerdings sei die Bestellung durch einen Dritten nicht völlig auszuschließen. Die Beweislast für das Einverständnis des Klägers zur Newsletter-Sendung liege bei der Beklagten. Diese konnte keinen Beweis vorlegen, weshalb der Senat ein Einverständnis des Klägers verneint.
Er ist der Ansicht, dass die Beklagte angesichts der nur wenige Wochen zuvor erfolgten Abmahnung hätte rückfragen müssen, ob der Beklagte nun doch Werbemails wünsche. Dies umso mehr, als die Bestellung, die an eine von der Unterlassungsvereinbarung erfasste Mailadresse erfolgte, nicht auf den Namen des Klägers lautete.
Die Höhe der geforderten Vertragsstrafe für die Newsletter-Sendung von 3.000 Euro entspricht nach Auffassung des Oberlandesgerichts hingegen nicht billigem Ermessen. Es reduziert in Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB den Betrag auf 500 Euro. Damit werde das doppelte Ziel der Vertragsstrafe – die Einhaltung der Unterlassungsvereinbarung zu sichern und den Kläger vom Beweis für den Schadenseintritt zu befreien – erreicht.
Den Schaden des Klägers, die Belästigung durch eine unerwünschte Mail, halten die Richter für gering. Die E-Mail sei problemlos als Werbung erkennbar gewesen und habe sich mit einem Klick löschen lassen. Die Beeinträchtigung sei geringer als in wettbewerbsrechtlichen Fällen, in denen ein Mitbewerber Schaden erleidet durch den allfälligen Werbeerfolg eines Unterlassungsverpflichteten, der Verbrauchern vertragswidrig unerbetene Mails sendet.
500 Euro übten einen hinreichenden Druck auf die Beklagte aus, die Unterlassungsvereinbarung künftig einzuhalten. Die Beklagte wisse, dass weitere Verstöße höhere Vertragsstrafen nach sich zögen. Daher könne sie sich nicht – wie vom Kläger befürchtet – mit der Zahlung von 500 Euro von teureren Maßnahmen zur Einhaltung der Unterlassungsvereinbarung freikaufen.
Den Betrag von 1.500 Euro für den Prospektversand hält das Gericht für angemessen. Die Beklagte hatte ausgeführt, es handle sich um das Versehen eines Mitarbeiters der Vertriebsabteilung, der mit dem Newsletter-Versand nichts zu tun habe. Er habe das Prospektmaterial nicht für Werbung gehalten. Die Richter glauben der Beklagten und sehen in ihrem Verhalten keinen Beleg, dass sie sich hartnäckig über die Unterlassungsvereinbarung hinwegsetzt. Überdies sei der vom Landgericht zuerkannte Betrag für den zweiten Verstoß immerhin dreimal so hoch wie die angemessene Vertragsstrafe für die erste Verletzung.
OLG Köln, Urteil vom 01.06.2011, Az. 6 U 4/11