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Hitlers 'Mein Kampf' bleibt im Giftschrank

LG München, Urteil vom 08.03.2012, Az. 7 O 1533/12


Hitlers 'Mein Kampf' bleibt im Giftschrank

Das LG München beschäftigte sich mit der Frage, wie weit das Zitatrecht nach § 51 Urhebergesetz geht. Ein britischer Verlag hatte die Absicht, Adolf Hitlers „Mein Kampf“ unter dem Titel „Das unlesbare Buch“ als kommentierte Broschüre auszugsweise neu herauszubringen. Der Freistaat Bayern ging als Inhaber der urheberrechtlichen Verwertungsrechte erfolgreich gegen den Verlag vor.

Das Urheberrecht soll hauptsächlich das geistige Eigentum des Urhebers in materieller und ideeller Weise vor unberechtigten Zugriffen schützen. Diesem Schutzrecht sind jedoch gemäß § 44 ff. UrhG Grenzen gesetzt, was bedeutet, dass Dritte ein geschütztes Werk im Rahmen dieser sogenannten Schranken nutzen dürfen. Eine dieser Schranken ist § 51 UrhG, wonach die auszugsweise oder komplette Veröffentlichung und Verbreitung eines geschützten Werkes gestattet ist, sofern der Herausgeber einen besonderen Zweck nachweist. Der Zitatzweck ist bei dieser Art der Verwertung immer das Hauptkriterium. Ferner müssen das Änderungsverbot nach § 62 UrhG und das Gebot der Quellenangabe gemäß § 63 UrhG eingehalten werden.

Das LG München entschied zugunsten des Freistaates Bayern und konnte keinen „hinreichenden Zitatzweck“ für eine auszugsweise und kommentierte Veröffentlichung des Originaltextes von „Mein Kampf“ entsprechend dem Zitatrecht erkennen. Die Zulässigkeit, aus geschützten Werken zu zitieren stellt stets einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Urhebers dar. Der britische Verlag erfüllt die Anforderungen der Urheberrechtsschranke nicht. Die Richter konnten nicht erkennen, dass sich die Beklagte geistig in ausreichender Art und Weise mit dem streitgegenständlichen Werk auseinandergesetzt hat. Das beabsichtigte Projekt diene weder dem kulturellen noch dem wissenschaftlichen Fortschritt. Nach dem Zitat- und Urheberrecht dienen Zitate lediglich als Belegstellen oder zur Erörterung eigener Ausführungen und Überlegungen des Zitierenden. Keinesfalls ist es erlaubt, ganze Textpassagen aus dem Zusammenhang heraus zu verwenden. Ein Zitat darf regelmäßig nur als Hilfsmittel und Unterstützung des eigenen und neuen Werkes dienen, es soll die eigenen Gedankengänge für die Leser besser verständlich machen. Das Zitatwerk, in diesem Fall Auszüge aus „Mein Kampf“, muss als Nebensache dem neuen Hauptwerk dienen. Diese Anforderungen hat der beklagte Verlag jedoch nicht erfüllt. Er hat die Grenzen des Zitatzwecks überschritten, denn sein neues, zitierendes Werk stellt lediglich den äußeren Rahmen für das zitierte Werk „Mein Kampf“ dar, obwohl es eigentlich andersherum sein muss.

Auch dienen die verwenden Passagen nicht als Hilfsmittel, um die eigenen Erörterungen des neuen Werkes zu erklären. Eine geistige Auseinandersetzung und Verbundenheit mit dem geschützten Werk „Mein Kampf“ ist nicht erkennbar. Der Originaltext spricht demzufolge für sich selbst, während die Erläuterungen nur ergänzender Natur sind. Ein enger Bezug zwischen Zitat und Originaltext liegt nicht vor. Beide Textabschnitte kann der Leser getrennt voneinander wahrnehmen. Die Beklagte stützt sich ferner erfolglos auf die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 GG, wonach ihr neu herausgebrachtes Werk wissenschaftlichen Zwecken diene. Eine Negierung des Urheberrechts nach § 51 UrhG (Kleinzitat, Großzitat), wonach ein eigentlich unzulässiges Zitat nach sorgfältiger Abwägung der Umstände doch rechtmäßig ist, findet gleichfalls keine Anwendung. Das LG folgt dieser Argumentation nicht, da sich das Grundgesetz nicht zwingend auf alle Passagen eines Werkes erstreckt. Diese Anforderungen sind auch dann nicht erfüllt, wenn das zitierende Werk lediglich den Zweck verfolgt, das Originalwerk einem breiten Publikum leichter zugänglich zu machen. Der beklagte Verlag war daher nicht berechtigt, die kommentierten Passagen aus „Mein Kampf“ unter dem neuen Titel „Das unlesbare Buch“ zu veröffentlichen.

Auf der rechtlich sicheren Seite wäre der Verlag gewesen, wenn er zuvor die Erlaubnis des Inhabers der Verwertungsrechte, den Freistaat Bayern, eingeholt hätte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser angesichts des umstrittenen Werkes die Verwertungserlaubnis nicht erteilt hätte. Die Urheberrechte des im April 1945 verstorbenen Diktators Adolf Hitler waren am 23.11.1948 an den Freistaat Bayern übergangen, der seitdem die Verwertungsrechte unter Verschluss hält. Hierzu zählen alle Vermögenswerte Adolf Hitlers im Rahmen des Gesetzes „zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“, kurz Einzugsverordnung.

Generell gilt, wer Zitate in seinem eigenen Werk verwendet, muss das Änderungsverbot und das Gebot der Quellenangabe berücksichtigen. Grundsätzlich reicht es nicht aus, ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu kürzen und dieses mit eigenen Anmerkungen zu versehen, um ein neues, eigenständiges Werk zu schaffen und somit ein Nutzungsrecht an dem Originalwerk zu begründen.

LG München, Urteil vom 08.03.2012, Az. 7 O 1533/12


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