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„Health Claims“ auf Nahrungsergänzungsmitteln

BGH, Beschluss v. 12.07.2018, Az. I ZR 162/16


„Health Claims“ auf Nahrungsergänzungsmitteln

Mit Beschluss vom 12.07.2018 hat der BGH dem EuGH Fragen zur Auslegung der Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) vorgelegt. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die Zulässigkeit der Angabe „B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ auf der Vorderseite der Umverpackung eines Nahrungsergänzungsmittels. Die Angaben verwiesen nicht durch einen eindeutigen Hinweis (z. B. einen Sternchenhinweis) auf die weiteren, zugelassenen Angaben auf der Rückseite der Verpackung – ein inhaltlicher Bezug war aber gegeben.

Ginkgo „für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“?
Unter der Bezeichnung „Tebonin“ vertrieb die Klägerin pflanzliche Arzneimittel mit Ginkgo-Blätter-Extrakt, die zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten mentalen Leistungseinbußen zugelassen waren. Zu diesen Einbußen gehören vor allem Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Die Beklagte vertrieb unter der Marke „Doppelherz“ verschiedene Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel. Dazu gehörte auch das Nahrungsergänzungsmittel „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“. In diesem Kombinationspräparat waren insgesamt acht Inhaltsstoffe enthalten, darunter Cholin, Zink, Ginkgoblätter-Extrakt und die Vitamine B1, B2, B5 und B12. Auf der Vorderseite der Umverpackung stand „B-Vitamine und Zink für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“. Auf der Rückseite befanden sich weitere Angaben über die Rolle von gesunder Ernährung, Nährstoffversorgung und geistigem Training für die mentale Leistungsfähigkeit. Zudem wurde dort angegeben, dass die Inhaltsstoffe z. B. für den Energiestoffwechsel eine Rolle spielen und einen Beitrag für die Funktion der Nerven, Psyche, Zellteilung u. a. leisten. Zum Ginkgo-Baum wurde angegeben, dass er widerstandsfähig und in Asien ein Symbol für Lebenskraft sei.

Klage wegen Irreführung und Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung
Die klagende Konkurrentin war der Meinung, die Angaben auf der Vorderseite des Doppelherz-Produkts verstoßen gegen die (Art. 3 S. 2 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1) Health-Claims-Verordnung und gegen die lebensmittelrechtlichen (§ 11 Abs. 1 LFGB) und wettbewerbsrechtlichen (§ 5 Abs. 1 UWG) Irreführungsverbote. Die Klägerin hatte beantragt, der Beklagten die Werbung mit der Angabe „für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ zu verbieten. Zudem begehrte die Klägerin Auskunft und Rechnungslegung von der Beklagten sowie die Feststellung ihrer Pflicht zur Leistung von Schadensersatz. Das Landgericht wies die Klage jedoch ab. Auch die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Der Erfolg der Revision hänge nach Ansicht des BGH von der Auslegung des Art. 10 Abs. 3 der Health-Claims-Verordnung ab. Daher setzte er das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.

Berufungsgericht hielt die Angaben für zulässig
Das Berufungsgericht hatte angenommen, der Unterlassungsantrag der Klägerin sei nicht begründet gewesen. Bei der angegriffenen Angabe handele es sich um einen zulässigen Verweis auf einen „allgemeinen, nichtspezifischen Vorteil“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Health-Claims-Verordnung. Der Verweis sei zum einen schon deshalb zulässig, weil auf der Rückseite der Umverpackung spezielle gesundheitsbezogene Angaben „beigefügt“ seien, die in einer Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Health-Claims-Verordnung aufgeführt seien. Zum anderen sei die angegriffene Angabe auch dann zulässig, wenn man sie selbst als „spezielle gesundheitsbezogene Angabe“ qualifiziere. Denn sie habe dieselbe Bedeutung wie die Angaben in der eben genannten Liste. Die angedeutete Wirkung der B-Vitamine und Zink „für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis" sei außerdem durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert. Auch Ansprüche aus dem lebensmittelrechtlichen oder allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot seien nicht ersichtlich.


Die Angabe sei ein Verweis auf „allgemeine, nichtspezifische Vorteile“
Der BGH knüpfte an die Argumente des Berufungsgerichts an, stellte sich hierzu aber tiefergehende Fragen. Er bestätigte die Einordnung der Angabe als Verweis auf „allgemeine, nichtspezifische Vorteile“ der Nährstoffe. Es sei aber nicht klar, welche Bedeutung das Merkmal des „Beifügens“ (einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe) im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Health-Claims-Verordnung habe. Bei den auf der Rückseite der Umverpackung aufgedruckten Angaben handele es sich um „spezielle gesundheitsbezogene Angaben“, die in einer Liste gemäß Art. 13 der Health-Claims-Verordnung aufgeführt seien. Der Verbraucher, der die Packung ansehe und beim Lesen umdrehe, gehe durch die Gestaltung von einem eindeutigen inhaltlichen Bezug auf die vorderseitigen Angaben aus.

War der Rückseitentext den Angaben auf der Vorderseite „beigefügt“?
Im Revisionsverfahren komme es daher darauf an, ob bei einem derart „eindeutigen inhaltlichen Bezug“ von einem „Beifügen“ (im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Health-Claims-Verordnung) der rückseitigen Angaben zu den vorderseitigen Angaben auszugehen ist. Denn ein Bezug sei zwar gegeben, aber der Verbraucher werde nicht durch einen räumlich zugeordneten Hinweis (z. B. Sternchenvermerk) eindeutig auf die „speziellen gesundheitsbezogenen Angaben“ auf der Rückseite hingeleitet. Hierzu gebe es bisher verschieden Ansichten. Das Berufungsgericht vertrete zusammen mit Anderen die Meinung, dass eine räumliche unmittelbare oder nahe Zuordnung nicht erforderlich sei. Überwiegend werde jedoch vertreten, dass ein „Beifügen“ eine räumlich unmittelbare Verbindung zwischen dem Verweis auf allgemeine Vorteile und der speziellen gesundheitsbezogenen Angabe voraussetze. Es gebe jedenfalls Argumente für und gegen die Ansicht des Berufungsgerichts.

Daher lautete die erste Frage des BGH an den EuGH:
Sind einem Verweis auf allgemeine, nichtspezifische gesundheitsbezogene Vorteile spezielle gesundheitsbezogene Angaben gemäß einer der Listen nach Art. 13 oder Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits dann "beigefügt" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 dieser Verordnung, wenn sich der Verweis auf der Vorderseite und die zugelassenen Angaben auf der Rückseite einer Umverpackung befinden und nach der Verkehrsauffassung die Angaben zwar inhaltlich eindeutig auf den Verweis bezogen sind, der Verweis aber keinen eindeutigen Hinweis wie etwa einen Sternchenhinweis auf die rückseitigen Angaben enthält?

Nachweis der Wirkung „für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ erforderlich?
Für die Begründetheit der Klage komme es außerdem auf einen weiteren Streitpunkt an. Es sei unklar, ob die Anforderung eines „allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweises“ (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Health-Claims-Verordnung) auch auf „Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile“ (Art. 10 Abs. 3 der Health-Claims-Verordnung) anwendbar sei. Denn die Klägerin habe geltend gemacht, dass die angegriffene Angabe diese Anforderung nicht erfülle und somit gegen die allgemeinen Vorschriften (der Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1) der Health-Claims-Verordnung verstoße.

Somit stellte sich eine zweite Frage für den EuGH:
Müssen auch bei Verweisen auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile im Sinne des Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 Nachweise im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung vorliegen?
Der BGH machte hierzu abschließend noch sinngemäß folgende Anmerkung: Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile bedürfen an sich keiner Zulassung gemäß der Health-Claims-Verordnung, weil angesichts der Unbestimmtheit von „allgemeinen, nichtspezifischen Vorteilen“ kein wissenschaftlicher Nachweis erbracht werden könne. Der Senat spreche sich daher für die Ansicht aus, dass bei derartigen Verweisen kein Nachweis (nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Health-Claims-Verordnung) verlangt werden könne.

BGH, Beschluss v. 12.07.2018, Az. I ZR 162/16

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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