Haftung für unvollständige Angaben auf Informationsseite
Bei der Darstellung einer Anlage in Wertpapieren ist zwischen dem sogenannten “Informer” einer Online-Direktbank und einem “Prospekt” nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zu unterscheiden. Für teilweise unvollständige Angaben im online veröffentlichten Informer haftet die Bank nicht. Das trifft insbesondere dann nicht zu, wenn die Bank im Rahmen ihres Wertpapierangebotes nur vermittelnd auftritt, nur die Ausführung des Handels garantiert und zudem eine sehr hohe Menge von Wertpapieren - in diesem Fall im Millionenbereich - vermittelt. Ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen existiert zwischen Bank und Kunde durch den Informer nicht. Vielmehr sind dessen Informationen als nicht abschließend erkennbar. Auch eine grobe Fahrlässigkeit der Bank liegt nicht vor.
Sachverhalt und Prozessgeschichte
Der Kunde und Kläger ist ein privater Anleger, der bei der Beklagten - einer Direktbank - neben einem Giro- und einem Tagesgeldkonto auch ein Wertpapierdepot unterhält. Die Bank bietet zu den Wertpapieren ausdrücklich keine Beratung, sondern "execution only" (Auftragsausführung) an, wie aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hervorgeht. Über die Wertpapiere informiert die Bank in einem Online-Informer, der zum Zeitpunkt des Rechtsstreits rund 1,17 Millionen Wertpapiere auflistete, welche die Kunden durch eine Suchmaske filtern können. Die Direktbank erklärt in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich, dass sie für die Informationen dieses Informers keine Gewähr für deren Vollständigkeit, Genauigkeit oder Richtigkeit übernimmt, auch schließt die Bank ihre Haftung für eine einfache Fahrlässigkeit aus. Als der Kläger den Informer für sich nutzte, fand er dort eine Anleihe, die nach Informer-Aussage zum “Rückzahlungskurs von 100 Prozent" ausgegeben werde. Jedoch kann die Rückzahlung in Aktien erfolgen, was aus der Information nicht hervorging. Hierzu ist ein gewisses Verständnis von Aktienanleihen erforderlich, die durchaus in Aktien getauscht werden können, was jedoch keinesfalls automatisch bedeutet, dass der Aktienkurs zum Zeitpunkt des Tausches den Nennwert des Anleihekurses bei Erwerb aufweisen muss. Er kann höher oder niedriger notieren. In diesem Fall hatte der Kläger Anleihen für 20.000 Euro erworben und erhielt dafür nach Ende der Laufzeit 11.080 Aktien des emittierenden Unternehmens, die jedoch zu diesem Zeitpunkt offenbar keinesfalls 20.000 Euro wert waren. Daraufhin klagte der Kunde vor dem zuständigen Landgericht, das die Klage abwies, weil die beklagte Bank ausdrücklich nicht für die Informer-Aussagen hafte. Der Kläger ging vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein in Berufung, das die Berufung per Beschluss vom 02.06.14 ablehnte. Der Kläger argumentierte mit grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz der Beklagten, die für ihre Wertpapiere werbe und daher direkte Warnhinweise liefern müsse - in diesem Fall wie beschrieben den Unterschied zwischen einem Tausch in 100 % Aktien und 100 % Geldwert. Immerhin fiel der Unterschied im weiteren Verlauf zugunsten des Klägers aus, denn dieser verlangte eine Rücknahme der Aktien für 33.851,94 Euro. Wie es zu dieser hohen Summe kommt, ist aus dem Gerichtsreport nicht ersichtlich, vermutlich stiegen aber die Aktien nach dem Tausch exorbitant im Wert. Es wäre also denkbar, dass der Kläger zunächst über die Fehlinformation gestolpert war und später die Situation zu seinen Gunsten auszunutzen versuchte. Eine weitere Hypothese unserer Redaktion lautet, dass die Zahlen des Gerichtsreports nicht stimmen. Immerhin hätte der Kläger die Aktien selbst am Markt verkaufen können (wo auch immer) und damit einen Gewinn von über 13.000 Euro erzielt, wenn sie wirklich so viel wert gewesen sein sollten.
Entscheidungsgründe des OLG Schleswig-Holstein
Das Oberlandesgericht lehnte die Berufung mangels Erfolgsaussichten ab. Dabei spielte ausschließlich der Unterschied zwischen einer Prospekthaftung laut WpHG und den unverbindlichen Aussagen eines “Informers” mit mehr als einer Million Wertpapieren eine Rolle. Tatsächlich sind die Vorschriften für Wertpapierprospekte sehr streng, jedoch erhielt der Kläger keinen solchen Prospekt. Auch ein Auskunftsvertrag kam zwischen den Parteien nicht zustande, ebenfalls bestand keine Warnpflicht als Nebenpflicht nach § 241 Absatz 2 BGB. Zu dieser Beurteilung trug auch bei, dass der Kläger sich bei der Eröffnung des Wertpapierdepots selbst in die zweithöchste von sechs Risikoklassen eingeordnet und damit seine Kenntnisse und Risikobereitschaft kundgetan hatte. Grobe Fahrlässigkeit konnte das Gericht darüber hinaus nicht erkennen, weshalb es eine Berufungsverhandlung per Beschluss ablehnte.
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.06.2014, Az. 5 U 67/13