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Haftung für Fehlverhalten eines beauftragten Call-Centers

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.08.2011, Az. 6 U 182/10


Haftung für Fehlverhalten eines beauftragten Call-Centers

Das OLG Frankfurt hat sich zu der Frage der Haftung von Wettbewerbsverstößen Beauftragter geäußert. Diese Konstellation liegt immer dann vor, wenn ein Auftraggeber einen Dritten mit der Ausführung bestimmter Aufgaben betraut. Verstößt der Auftragnehmer während der Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben gegen das Wettbewerbsrecht, wird dieser Verstoß dem Auftraggeber angelastet wie ein persönlich begangener Rechtsverstoß.

Mehrere Gerichte hatten sich in den letzten Jahren mit der Haftungsfrage von Auftraggebern und Auftragnehmern zu beschäftigen. Diese Konstellation liegt insbesondere im Bereich der Callcenter vor, die im großen Umfang Aufgaben wie Kundenakquisition und weitere Werbemaßnahmen im Auftrag von Unternehmen durchführen. Im verhandelten Fall wurde ein Callcenter von einem Versicherungsunternehmen damit betraut, Kunden für einen Versicherungsabschluss bei dem Auftraggeber zu gewinnen. Für diese Werbemaßnahme setzte das Callcenter seinen bestehenden Datenbestand ein. Es handelte sich demzufolge um Kunden, die zuvor noch nicht Kunden bei dem Versicherungsunternehmen waren und die Werbeanrufe ohne ihre vorherige schriftliche Einverständniserklärung erhielten. Diese Werbeanrufe ohne Einwilligung waren gemäß § 7 UWG rechtswidrig, da es sich um „Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne Einwilligung“ handelt. Das Callcenter betrieb demzufolge eine sogenannte verbotene Kaltakquise ohne den Auftraggeber zu informieren.

Nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb stellen Werbeanrufe bei Verbrauchern einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre und eine unzumutbare Belästigung dar. Der Auftraggeber wurde neben dem Callcenter als Auftragnehmer auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Beseitigung des Rechtsverstoßes in Anspruch genommen. Hiergegen wehrte sich das Versicherungsunternehmen mit der Begründung, man habe keinen Einfluss auf die Durchführung des Auftrages und die Verwendung des Datenbestandes. Damit macht es sich der Auftraggeber jedoch zu einfach, denn das OLG weist auf § 8 UWG hin, wonach es für die Haftung des Auftraggebers nicht darauf ankommt, ob er auf den Datenbestand und die damit zusammenhängende Auftragsausführung Einfluss hat oder nicht, sondern alleine darauf, dass das Callcenter als selbständiges Unternehmen und Auftragnehmer fremde Produkte vermittelt, dabei jedoch in die Absatzorganisation des Auftraggebers eingegliedert ist. Diese fremden Produkte kommen aus dem Hause des Versicherungsunternehmens als Auftraggeber, der natürlich die rechtliche Möglichkeit hat, Einfluss auf die Vertragsgestaltung zu nehmen. Das Callcenter wird also wie eine ausgelagerte Marketingabteilung tätig. Der Wettbewerbsverstoß liegt auch darin begründet, dass das Callcenter unerwünschte Werbeanrufe bei Verbrauchern ohne deren vorherige Einwilligung durchgeführt hat. Auch bestanden zwischen den angerufenen Personen und dem Versicherungsunternehmen keine vorherigen vertraglichen Beziehungen, sie waren also nicht Kunden bei dem Unternehmen. Wäre dem so gewesen, wäre die Sachlage anders gewertet worden, da Unternehmen nach sorgfältiger Abwägung der Interessenlage bestehende Kunden über Produktneuerungen auch ohne deren vorherige Einwilligung informieren dürfen. Der Vertrag zwischen Versicherungsunternehmen und Callcenter kann wie ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und abhängig beschäftigtem Arbeitnehmer gestaltet werden. Auf diese Weise kann der Auftraggeber von Anfang an verhindern, dass der Auftragnehmer bei der Durchführung des Auftrages Wettbewerbsverstöße begeht. Die Richter bezeichnen strafbewehrte Verpflichtungserklärungen und als letzte Maßnahme die Vereinbarung einer fristlosen Kündigung als geeignete Instrumente einer gesetzeskonformen Vertragsgestaltung.

In diesem Fall ist das Callcenter als Auftragnehmerin in die Vertriebsorganisation der Auftraggeberin eingegliedert, was eine rechtliche Verantwortlichkeit der Auftraggeberin nach sich zieht. Sie hätte die vorherige Einwilligung zu den Werbeanrufen bei den Verbrauchern einholen müssen, was sie jedoch versäumt hat. Die doppelte Inanspruchnahme von Auftraggeberin und Auftragnehmerin auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Beseitigung des Wettbewerbsverstoßes ist nicht rechtsmissbräuchlich. Eine Wiederholungsgefahr ist nicht alleine dadurch ausgeräumt, dass das Callcenter als Auftragnehmerin rechtskräftig verurteilt wurde, da es sich nach § 8 UWG um eigenständige Ansprüche gegen das beklagte Versicherungsunternehmen handelt. Es handelt sich nicht um eine verfassungswidrige Vorschrift, zudem ist die Beklagte durch die rechtliche Inanspruchnahme nicht in ihren Grundrechten beeinträchtigt.

Das Versicherungsunternehmen hatte demzufolge im Rahmen der Beauftragungshaftung für den Wettbewerbsverstoß des Callcenters als Auftragnehmer zu haften wie für einen persönlich begangenen Rechtsverstoß. Der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch richtet sich demzufolge gegen das Versicherungsunternehmen wie gegen das Callcenter.

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 11.08.2011, Az. 6 U 182/10


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