Haftung des Geschäftsführers für Kartellrechtsbußen
Ein Unternehmen kann eine Kartellstrafe nicht auf den handelnden und verantwortlichen Geschäftsführer abwälzen. Das hat das Landesgericht Düsseldorf im Falle des sogenannten Schienenkartells im Januar 2015 in einer Revisionsverhandlung entschieden. Schienenhersteller hatten länderübergreifend (Deutschland und Österreich) Preisabsprachen getroffen, Geschädigte waren unter anderem die Deutsche Bahn AG und regionale Bahnbetreiber. Nachdem das Bundeskartellamt eine Kartellstrafe in dreistelliger Millionenhöhe verhängt hatte, klagte eines der Unternehmen gegen seinen Geschäftsführer auf Schadenersatz in voller Höhe. Dies laufe der Unternehmensgeldbuße zuwider, urteilte das LAG Düsseldorf. Diese könne wesentlicher höher ausfallen als eine Geldbuße gegen natürliche Personen.
Tatbestand
Der Ex-Manager einer konzernangehörigen Gesellschaft (K1) hatte sich an rechtswidrigen Kartellabsprachen beteiligt und/oder diese initiiert, die den Vertrieb von Schienen betrafen. Nachdem das Bundeskartellamt den Vorfall ermittelt hatte, verhängte es gegen das Unternehmen K1 Bußgelder in einer Gesamthöhe von 101 Millionen Euro, gegen den Mutterkonzern K2 wurden weitere Bußgelder in fast derselben Höhe verhängt. K1 verlangte die Erstattung und Mithaftung des damals handelnden Geschäftsführers für ehemalige und künftige Schäden. Damit war das Unternehmen in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Essen gescheitert und ging daraufhin in Revision vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Dieses wies die Klage zurück. Unstrittig ist die Beteiligung des beklagten Geschäftsführers an der Kartellabsprache, ebenso stellte das LAG Düsseldorf jedoch fest, dass ordnungsrechtliche Sanktionierung und zivilrechtliche Lastentragung schon vom Gesetzgeber geteilt würden. Daher seien Geldbußen keine ersatzfähigen Schäden. Der Normadressat einer Geldbuße ist das Unternehmen, nicht dessen handelnde Personen. Dieser Standpunkt muss auch im Zivilrecht berücksichtigt werden, auf jeden Fall bei Kartellstrafen. Diese können sogar den gesamten Vorteil eines Unternehmens durch eine Kartellabsprache abschöpfen, wobei es in der Regel um Summen gehe, die eine Einzelperson ohnehin nicht aufbringen könne. Das belegt der vorliegende Fall eindrucksvoll. Die Klägerin (K1) hatte als Stahlhandelsunternehmen und Tochter einer Rechtsvorgängerin (K2), die vom Beklagten ebenfalls Schadenersatz verlangt, Schienen und weitere Oberbaumaterialien an die Deutsche Bahn und Nahverkehrsbetriebe verkauft und dabei Kartellabsprachen mit deutschen und österreichischen Konkurrenzunternehmen getroffen. Das behinderte und verfälschte den Wettbewerb bundes- und europaweit. Die Beteiligten sprachen Preise und Quoten der Lieferungen an die Kunden sehr genau ab. Organisiert wurde das von den Geschäftsführern und Prokuristen der beteiligten Unternehmen, unter anderem vom beklagten Geschäftsführer. Die am Kartell beteiligten Unternehmen schlossen untereinander Vertriebsvereinbarungen ab, an die sie sich weitestgehend hielten oder bei geringfügigen Abweichungen (schon unter einem Prozent) untereinander einen Ausgleich praktizierten. In internen Sideletters wurden exklusive Vertriebsabsprachen und Provisionszahlungen festgehalten, den Preiswettbewerb untereinander schlossen die Kartellmitglieder aus. Neben der Quotierung der Lieferungen vereinbarten die Beteiligten auch das gemeinsame Führen von Kundengesprächen und informierten sich gegenseitig über ihre Kundenbeziehungen. Das Bundeskartellamt konnte diese rechtswidrigen Vereinbarungen unter anderem durch die Aussage eines ehemaligen Mitgeschäftsführers und eines ehemaligen Prokuristen aufdecken. Es ermittelte den Fall bis in seine Details und verhängte Bußgelder an die Unternehmen K1 und K2, die beglichen wurden. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Beklagten und erhob Anklage. Die Klägerin - Unternehmen K1 - behauptet, der Beklagte sei aktiv an der Kartellabsprache beteiligt gewesen und könne daher vollständig in Regress genommen werden. Hierfür führt die Klägerin handfeste Beweise an. Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Dem folgte das Düsseldorfer Arbeitsgericht.
Urteilsbegründung
Nachdem schon das Arbeitsgericht Essen als Vorinstanz die Klage abgewiesen hatte, folgte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Argumentation der Essener Kollegen und teilweise auch der des Beklagten, der eine vollumfängliche Tatbeteiligung bestritt. Der Grundtenor lautet indes, dass der Beklagte als natürliche Person den Gesamtschaden - K1 verlangte 100 Millionen Euro, K2 88 Millionen Euro - nicht erstatten könne. Die Unternehmensgeldbuße habe zudem die Funktion, einen Vorteil abzuschöpfen, den ein Unternehmen durch Kartellabsprachen erzielt. Diese Funktion würde durch das Weiterreichen der Geldbuße an die handelnden Manager unterlaufen. Darüber hinaus sind Bußgelder gegen natürliche Personen auf maximal eine Million Euro begrenzt. Bei Unternehmensgeldbußen beträgt der maximale Rahmen hingegen 10 % des Gesamtumsatzes.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2015, Az. 16 Sa 459/14