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Gleitsichtbrille aus dem Internet

OLG Schleswig, 6 U 2/14


Gleitsichtbrille aus dem Internet

Oberlandesgericht Schleswig hält Bewerbung von Gleitsichtbrillen durch einen Internet-Anbieter als „individuell“ und “hochwertig“ für rechtskonform.

Die Richter des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) in Schleswig haben sich im September 2014 als Berufungsinstanz mit einem Fall befasst, bei dem insbesondere die Frage beantwortet werden sollte, ob eine bestimmte Bewerbung von Gleitsichtbrillen eines Online-Anbieters gegen Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes (MPG) verstoßen habe.

Der Zentralverband der Augenoptiker hatte Ende 2013 beim Landgericht Kiel gegen einen Internet-Anbieter von Brillen Unterlassungsklage erhoben. Zum Angebot des beklagten Unternehmens gehört die Möglichkeit, eine Gleitsichtbrille online zu bestellen. Dafür übermitteln die Kunden dem Anbieter die in ihren Brillenpässen aufgeführten relevanten Daten, vor allem Angaben zur Sehstärke. Das nach diesen Vorgaben gefertigte Produkt wird unter anderem als „Hochwertige“ und „Individuelle Gleitsichtbrille“ beworben, bei denen in „Optiker-Qualität“ hergestellte „Premium-Gleitsichtgläser“ zu Verwendung kommen. Die Klagepartei verlangte von der beklagten Partei die Unterlassung des Vertriebs dieser Brillen sowie die Werbung dafür.

Das angerufene Kieler Landgericht (LG) wies die Klage am 13.12.2013 ( Az. 16 O 26/13) ab. In der Urteilsbegründung wurde darauf hingewiesen, dass die Werbeaussagen nicht geeignet seien, Kunden zu täuschen. Auch mochten die Kieler Richter kein Verstoß gegen das Medizinproduktegesetz erkennen. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die angebotenen Gleitsichtbrillen eine wesentliche Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit (§ 4 MPG) der Kunden darstellen. Ferner sah das Landgericht anders als die Klagepartei auch nicht die Voraussetzungen für das Vorliegen von Irreführung durch Unterlassen einer Information gemäß § 5 a II Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) gegeben. Gegen das Urteil des LG Kiel legte der Optiker-Zweckverband Berufung ein.

Der Kläger hielt Werbeaussagen wie „Hochwertig“ und “Individuell“ in Bezug auf die vom Online-Unternehmen angebotenen Brillenleistungen für irreführend gemäß § 5 I UWG (Irreführende geschäftliche Handlungen), weil zu einer hochwertigen Optikerleistung unter anderem die persönliche Untersuchung der Sehstärke sowie individuelle Anpassung von Gläsern und Fassung vor Ort zwingend gehöre. Ferner würde, wie wissenschaftliche Gutachten ergeben hätten, durch die Art der angebotenen Brille die Gesundheit der Kunden gefährdet. Allerdings konnte der Kläger diese Behauptung nicht durch konkrete Fälle untermauern. In dem die beklagte Partei
verschwiegen habe, dass das Verwenden der Online-Brillen im Straßenverkehr ein Risiko berge, habe das Unternehmen zudem auch gegen § 5a UWG verstoßen.

Die OLG-Richter wiesen die Klage im Wesentlichen ebenfalls ab. Auch das OLG sah in den Werbeaussagen keine Aussagen, die geeignet seien, einen durchschnittlichen Kunden über eine wesentliche Eigenschaft des Produkts zu täuschen. Die Bezeichnungen „Hochwertig“ und “Premium“ seien für einen Kunden vollkommen belanglos und beliebig. Die Brillen seien auch, wie in der Werbeaussage behauptet „individuell“, weil sie, anders als Fertigbrillen, den individuellen Brillenpass-Daten entsprechend gefertigt werden. Das Qualitätsmerkmal „Optikerqualität“ bezieht sich, so das OLG, aus Sicht des Kunden, der ja bewusst auf die persönliche Anpassung und Untersuchung verzichtet, auf die Güte der sonstigen Leistungen (Glasschliff, Brillenfassung, usw.). Dass diese sonstigen Leistungen Optiker-Qualität besitzen, wird nicht bestritten.

Eine potenzielle wesentliche Gefährdung gemäß § 4 MPG konnte das OLG ebenfalls nicht erkennen. Zum einen liegen keine konkreten Fälle vor, zum anderen wies die Rückgabequote bei der Online-Gleitsichtbrille von etwa 10% darauf hin, dass die von Brillenmängel betroffenen Kunden vor der Realisierung einer gesundheitlichen Gefahr aktiv werden.

Einzig in Hinblick auf das verschwiegene Risiko, dass Gleitsichtbrillen dieser Art ein Risiko im Straßenverkehr darstellen könnten, gab das OLG dem Kläger recht. Dabei wies es unter anderem auf die erhöhten Sicherheitsanforderungen im Straßenverkehr hin. Die besonderen Anforderungen für diesen Lebensbereich machen die Bejahung eines Risikos auch dann möglich, wenn ansonsten, wie in diesem Fall, keine allgemeine Sicherheitsgefährdung gemäß MPG vorliegt.

Das beklagte Unternehmen wurde verurteilt, bei der ansonsten statthaften Vermarktung der Online-Gleitsichtbrille auf mögliche Risiken im Straßenverkehr hinzuweisen.

OLG Schleswig, Urteil v. 29.09.2014, Az. 6 U 2/14


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