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Geschäftsschädigende, aber wahre Äußerung über Mitbewerber

Landgericht Hamburg, Urteil vom 09.07.2019, Az. 406 HKO 22/19


Geschäftsschädigende, aber wahre Äußerung über Mitbewerber

Das Landgericht Hamburg entschied mit Urteil vom 09.07.2019, dass ein Unternehmen geschäftsschädigende aber wahre Äußerungen über Mitbewerber nur in engen Grenzen tätigen dürfe.

Geschäftsschädigung vs Meinungsfreiheit
Die Parteien waren Konkurrenten bei der Zertifizierung und Erteilung von Gütesiegeln für Bio-Mineralwasser. In einer Pressemitteilung hatte der Beklagte mehrere Äußerungen über die Klägerin getätigt, welche diese für unlauter hielt. Unter anderem äußerte er, dass das Gütesiegel lediglich ein Schein-Bio-Siegel sei. Zudem passe die Klägerin die Zertifizierung den Anforderungen des jeweiligen Kunden individuell an. Somit seien mögliche Verstöße sowie daraus resultierende Konsequenzen praktisch ausgeschlossen. Nach Auffassung der Klägerin enthielt die Äußerung geschäftsschädigende unwahre Tatsachenbehauptungen sowie eine pauschale Herabwürdigung ihres Siegels. Der Beklagte berief sich auf seine Meinungsfreiheit.

Voraussetzungen für die Äußerung geschäftsschädigender Tatsachen
Das Landgericht Hamburg urteilte, dass auch wahre geschäftsschädigende Tatsachen im Wettbewerb nur sehr zurückhaltend geäußert werden dürfen. Zulässig seien sie nur dann, wenn ein sachlich berechtigtes Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise bestehe. Außerdem müsse der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass haben, den eigenen Wettbewerb mit der Herabsetzung des Mitbewerbers zu verbinden. Schließlich müsse sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen halten. Somit dürfe eine solche Äußerung nur bei gegebenem Anlass und in einer inhaltlich zurückhaltenden Art und Weise verbreitet werden.

Bio-Schein-Siegel als Tatsachenbehauptung
Die streitige Äußerung, das von Klägerseite vergebene Qualitätssiegel sei ein Schein-Bio-Siegel, beinhalte einen Tatsachenkern, so das Gericht. Die Äußerung werde dahingehend verstanden, dass das Qualitätssiegel der Klägerin zum einen ein minderwertiges Qualitätssiegel sei. Zum anderen sei es überhaupt kein Qualitätssiegel, sondern ein Scheinsiegel. Die dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung sei damit, dass das Qualitätssiegel der Klägerin die Anforderungen in keinerlei Weise erfülle.

Bio-Mineralwasser ist reiner als herkömmliches Mineralwasser
Das Landgericht stellte fest, dass der Verkehr von einem Bio-Mineralwasser erwarte, die Reinheitserfordernisse von „normalem“ Mineralwasser zu übertreffen. Eine völlige Reinheit werde allerdings nicht erwarten. Denn mittlerweile wüsste jeder, dass nahezu überall Schadstoffe anzutreffen seien, selbst in Bio-Produktionen. Von Bio-Produkten erwarte der Verkehr jedoch, dass sie weitestgehend frei von Rückständen und Schadstoffen seien und nur unvermeidbare Geringstmengen enthielten. Somit erwarte der Verkehr von einem als „Bio-Mineralwasser“, dass es deutlich reiner als herkömmliches Mineralwasser sei.

Mineralwasser der Klägerin weist eine Reihe von Defiziten auf
Das Gericht entschied, dass das Mineralwasser der Klägerin nicht den Verkehrserwartungen entspreche. Auch seien die strittige Äußerung sachlich zutreffend. Denn das Qualitätssiegel der Klägerin weise tatsächlich eine Reihe von Defiziten auf, die im klaren Widerspruch zu den rechtlichen Anforderungen und zu Verbrauchererwartungen stünden. Bei einer Reihe von Schadstoffen, nämlich den Pestiziden, seien die Anforderungen des Qualitätssiegels der Klägerin nicht strenger als die gesetzlichen Anforderungen an „normale“ Mineralwasser. Der Grenzwert für Nitrat sei bei dem Qualitätssiegel der Klägerin doppelt so hoch wie der Grenzwert beim Beklagten. Somit lasse die Klägerin bei Nitrat nicht lediglich unvermeidbare Restmengen zu. Auch hinsichtlich Chrom VI sehe das Qualitätssiegel der Klägerin keine Beschränkung vor. Zudem schließe sie eine radioaktive Bestrahlung des Mineralwassers nicht aus und widerspreche damit der Verkehrserwartung.

Äußerung zur individuellen Anpassung der Zertifizierung nicht hinnehmbar
Die beiden Äußerungen, die Klägerin passe die Zertifizierung den Anforderungen des jeweiligen Kunden individuell an, womit mögliche Verstöße und sich daraus ergebene Konsequenzen praktisch ausgeschlossen seien, erachtete das Gericht als nicht sachlich zutreffend. Denn zum einen erwecke die Behauptung den Eindruck, die Zertifizierung werde uneingeschränkt ohne Rücksicht auf die Qualitätskriterien für Bio-Mineralwasser dem jeweiligen Kunden angepasst. Zum anderen suggeriere sie, dass selbst grob verunreinigte Mineralwässer von der Klägerin problemlos zertifiziert würden. Dass dies zutreffend sei, habe der Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt. Somit seien die Äußerungen im Wettbewerb nicht hinnehmbar.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 09.07.2019, Az. 406 HKO 22/19


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