Geschäftsführerhaftung bei Wettbewerbsverstoß
Zur Haftung für von Firmenangestellten begangenen Rechtsverstößen kann der Geschäftsführer einer Vertriebs GmbH nur dann herangezogen werden, wenn er an den Verstößen selbst beteiligt war oder sie aufgrund seiner Kenntnis davon hätte verhindern können. Mit einem entsprechenden Urteil hob das Kammergericht (KG) Berlin einen Richterspruch des Berliner Landesgerichts (LG) auf und wies damit die Klage einer Firma zurück, die den Geschäftsführer eines Unternehmens wegen Rechtsverstößen, die dessen Mitarbeiter im Rahmen von Haustürgeschäften begangen hatten, in Haftung nehmen wollten.
Konkret ging es in dem Fall darum, dass eine Firma, die Erdgas vertreibt, dem Geschäftsführer eines konkurrierenden Unternehmens unlautere Werbungsaktivitäten vorwarf. So sollen Mitarbeiter des Beklagten potentiellen Kunden unrechtmäßig Gutschriften und Preisnachlässe in Aussicht gestellt haben, wenn sie zum werbenden Energielieferant wechseln würden. Dies nahm die klagende Firma zum Anlass, gegen das konkurrierende Vertriebsunternehmen und dessen Geschäftsführer auf Unterlassung zu klagen.
Das Berliner LG folgte dem Antrag der Klägerin und verurteilte sowohl die beklagte GmbH als auch deren Geschäftsführer. Hier sahen die Richter eine Haftung des Geschäftsführers gegeben, da diesem zumindest die Möglichkeit, dass den Kunden von Seiten der Werbeleute falsche Versprechungen gemacht würden, hätte bewusst sein müssen. Gegen dieses Urteil zog der verurteilte Geschäftsführer vor das Berliner KG.
Die Berufungsinstanz urteilte zugunsten des vom LG Verurteilten. Der hätte nach Ansicht der Kammerrichter nur dann haftbar gemacht werden können, wenn der Rechtsverstoß von ihm selbst begangen worden wäre oder er davon Kenntnis und die Option gehabt hätte, ihn zu verhindern. Nach Ansicht der Jury des Berufungsgerichts traf jedoch keins von beiden zu. Darüber hinaus könne bis auf wenige Ausnahmen in der Regel ohnehin nur die GmbH, nicht aber deren Geschäftsführer für Regelverstöße haftbar gemacht werden. Dessen Inanspruchnahme komme nur unter den oben erwähnten Voraussetzungen infrage.
Das Prinzip der Störerhaftung kam nach dem Spruch des KG Berlin in diesem Fall nicht in Betracht, da es im Rahmen des Wettbewerbsrechts abgeschafft worden ist. Zwar versuchte die Klägerin, dieser Form der Haftung mit dem Argument zur Anwendung zu verhelfen, dass der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Haftungsprinzip lediglich umbenannt habe, aber die Richter des KG sahen eine Täterschaft des Beklagten trotzdem nicht als gegeben. Dessen Stellung als Geschäftsführer reiche als Begründung für eine in diesem Fall vorliegende Haftung nicht aus.
Stattdessen erkannte das KG Berlin nach Betrachtung der Umstände dieses Falls darauf, dass eine Haftung des Beklagten hier ohnehin nicht begründet werden konnte. Der Geschäftsführer habe nämlich zunächst einmal darauf vertrauen dürfen, dass Haustürwerbung vom Wettbewerbsrecht her gesehen grundsätzlich zulässig ist.
Zwar bestehe gerade bei einer erfolgsabhängigen Bezahlung die Möglichkeit, dass einzelne Werber falsche Angaben machen, um eine höhere Abschlussquote zu erreichen, aber dennoch stelle diese Form der Entlohnung ein zulässiges Motivationsmittel dar, solange das vertriebene Produkt auf dem Markt absetzbar sei. Immerhin stehe dem Verbraucher bei Haustürgeschäften ein Rücktrittsrecht zu, über das er bei Vertragsabschluss zu informieren sei.
Die von der Klägerin genannten Verstöße wertete das Gericht in seiner Urteilsbegründung als Einzelfälle, die nicht gänzlich auszuschließen seien, wie die Lebenserfahrung lehrt. Dafür, dass es sich bei den von der Klägerin angeführten Verstöße um "Ausreißer" gehandelt habe, spräche auch das Ausbleiben weiterer Kundenbeschwerden über einen längeren Zeitraum hinweg.
Mit seinem Urteil wies das Berliner KG Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz der Klägerin zurück. Die Möglichkeit der Revision wurde zugelassen.
LG Berlin, Urteil vom 10.02.2012, Az. 15 O 547/09
KG Berlin, Urteil vom 13.11.2012, Az. 5 U 30/12