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Gebrauchtwagenangebot in falscher Kilometerstandsrubrik

BGH, Urteil vom 06.10.2011, Az. I ZR 42/10


Gebrauchtwagenangebot in falscher Kilometerstandsrubrik

Eine Irreführung von Verbrauchern liegt nicht schon allein deshalb vor, weil ein gebrauchter PKW in einer nicht zur tatsächlich gefahrenen Kilometerzahl passenden Rubrik angeboten wird, so ein Urteil des BGH (BGH, Urteil vom 06.10.2011, Az. I ZR 42/10).

Sachverhalt und Gang des Verfahrens
Im Verfahren ging es um zwei Gebrauchtwagenhändler, die u. a. ihren Vertrieb über eine offene Internetplattform organisierten. Verkäufer, die auf diesem Gebrauchtwagenportal tätig werden, können von ihnen angebotenen PKW einer bestimmten Kategorie zuordnen, die vorrangig auf die Anzahl der gefahrenen Kilometer abstellt. Daneben können dem Gebrauchtwagen auch andere Attribute zugeschrieben werden, die mit den von potenziellen Käufern gewünschten Eigenschaften koalieren und so über die Suchfunktion aufgefunden werden können.

Die Beklagte des Verfahrens stellte in der Rubrik „bis 5.000 km“ einen Wagen zum Verkauf, der tatsächlich mehr als die für diese Kategorie zulässige Kilometeranzahl gefahren war. In der Überschrift des im Zentrum des Verfahrens stehenden Inserats hieß es wörtlich: „BMW 320 d Tou.* Gesamt-KM 112.970**ATM- 1.260 KM**“ Hieran sah sich die Klägerin, ein konkurrierendes Gebrauchtwagenunternehmen, das ebenfalls auf der Internetplattform aktiv ist, in ihren Rechten als Mitbewerber verletzt. Ziel der auf eine Irreführung im Wettbewerb (§ 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG) gestütztem Klage war es, die Unterlassung der Geschäftspraktik der Beklagten zu erreichen.

In der Klageschrift heißt es, eine Irreführung im Wettbewerb im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG liege vor, da der tatsächliche Kilometerstand des Autos nicht mit dem in der eingeordneten Kategorie zulässigen Höchststand übereinstimmt. Diese Kilometerangabe sei jedoch ein für die Kaufentscheidung besonders erheblicher Umstand, der (bei einer wahrheitswidrigen Angabe) zu großen Wettbewerbsvorteilen führen könne. Dieser Umstand, so die Klägerin, könne nicht durch die in der Überschrift des Inserats erfolgte Korrektur ausgeglichen werden. Dieser Rechtsauffassung schlossen sich auch die mit der Sache befassten Vorinstanzen an.

Die Entscheidung des BGH – falsches Inserat ist nicht zwangsläufig Irreführung
Der BGH entschied jedoch anders und wies die Klage als unbegründet ab. Die Urteile der untergeordneten Gerichte seien rechtsfehlerhaft, da die in Frage stehende Falscheinordnung des PKW nicht geeignet sei, um verständige Angehörige des Verkehrskreises in die Irre zu führen. Nach Ansicht des obersten Zivilgerichts war die Angabe zwar unwahr und damit falsch. Allerdings habe die Überschrift diesen Mangel heilen können. Potenzielle Käufer wären auf die Diskrepanz zwischen Kategorie und Überschrift aufmerksam geworden, so die Richter. Damit widerspricht der erste BGH-Zivilsenat den bisher mit dem Fall befassten Gerichten unmittelbar.

Bewertung der Entscheidung und Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des ersten Zivilsenats des BGH zeigt eindeutig, wie hart umkämpft der Markt für Gebrauchtwagen ist. Allerdings scheint das im vorliegenden Fall ergangene Urteil auch angreifbar. Schließlich spielt der Kilometerstand eines Gebrauchtwagens eine überragende Rolle bei der Kaufentscheidung. Insbesondere auf Internetportalen neigen Kunden auch dazu, Angebote nur schnell und oberflächlich zu prüfen. Es wäre deshalb nicht ganz fernliegend, dass sich ein Kaufinteressent allein auf die Zuordnung zu einer bestimmten Kilometerkategorie verlässt und deshalb der korrigierenden Überschrift keine Beachtung schenkt. Hieraus ergibt sich ein immenses Täuschungspotenzial, das gezielt für unlautere Geschäftspraktiken genutzt werden könnte. Insbesondere einem gewerblich tätigen Unternehmen sollte es zumutbar sein, die Zuordnung in die richtige Kategorie vorzunehmen.

Allerdings muss auch beachtet werden, dass das Wettbewerbsrecht in Bezug auf eine Täuschung bzw. Irreführung auf einen objektiven und verständigen Angehörigen des Verkehrskreises abstellt. Ein solcher wäre allerdings, wie der BGH zutreffen festhält, durch die Diskrepanz zwischen Kategorie und Überschrift aufgeschreckt worden, weswegen eine tatsächliche Irreführung nur schwer annehmbar scheint. Nichtsdestotrotz sind die Entscheidungen der unteren Gerichte, welche der Klage stattgaben, zumindest juristisch vertretbar.

BGH, Urteil vom 06.10.2011, Az. I ZR 42/10


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