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Formlos vorab übermittelte Verbotsverfügung

BGH, I ZR 249/12


Formlos vorab übermittelte Verbotsverfügung

Im vorliegenden Urteil hatte sich der BGH mit der Konkretisierung des Schadensersatzanspruches nach § 945 ZPO zu beschäftigen, der einem zu Unrecht durch eine einstweilige Verfügung in Anspruch genommenen Schuldner gewährt wird. Der Schwerpunkt der Entscheidung lag hierbei auf dem Zeitraum, für den der rechtswidrig in Anspruch Genommene einen Schadensersatz verlangen kann.

Grundsätzlich steht jedem die Möglichkeit offen, in dringlichen Fällen seine Rechtsansprüche im Wege einer einstweiligen Verfügung zu erreichen.
Da eine solche Verfügung ein Rechtsverhältnis lediglich vorerst regelt und das nachfolgende Hauptsacheverfahren noch offen steht, sieht der Gesetzgeber in § 945 ZPO die Pflicht des die Verfügung Beantragenden, der in Anspruch genommenen Partei ihren entstandenen Schaden zu ersetzen, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die einstweilige Verfügung zu Unrecht ergangen war.

Im vorliegenden Rechtsstreit stritten mehrere Parteien miteinander, die mit Bekleidung handelten. Die Beklagten hatten gegen die Klägerin vor dem Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung erwirkt, durch welche dieser auferlegt wurde, ein bestimmtes Sortiment an Jeanshosen aus ihrem Angebot herauszunehmen.
Die Beklagten haben der Klägerin schon vor der offiziellen Zustellung der Beschlussverfügung des Landgerichtes eine Abschrift dieser Verfügung zugesandt. Daraufhin hatte die Klägerin, um weitere Konsequenzen zu vermeiden, bereits nach Erhalt der ersten Abschrift (und somit noch vor der eigentlichen Zustellung, die erst nach weiteren zwei Wochen erfolgte) den Vertrieb der betroffenen Jeanssorte unterlassen.
Noch vor dem Hauptsacheverfahren nahmen die Beklagten ihren Verfügungsantrag zurück und die Sache ging sodann in das reguläre Verfahren über.

Die Klägerin wandte sich gegen das sie belastende Urteil aus dem anschließenden Hauptsacheverfahren mit einer Berufung sowie einer weiteren Revision vor dem BGH und begehrte Schadensersatz für den ihr entgangenen Gewinn aufgrund des Verkaufsstopps.

Der BGH gab der Klägerin grundsätzlich Recht und hob das Urteil der Vorinstanz auf. Er sah die vorangegangene einstweilige Verfügung zugunsten der Klägerin als ungerechtfertigt an. Hinsichtlich der Berechnung der Schadenshöhe verwies er jedoch darauf, dass der Antragsteller bezüglich der einstweiligen Verfügung nur für den Zeitraum im Rahmen der Schadensersatzpflicht des § 945 ZPO haftet, der erst mit der Zustellung der einstweiligen Verfügung eröffnet wird.
Der Sinn der Schadensersatzpflicht liege hier darin, dass durch das Eingreifen der Gerichte ein gewisser Vollstreckungsdruck durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung auf den Schuldner erzeugt werde. Dieser lasse sich dann von diesem Vollstreckungsdruck beeinflussen und es stehe ihm Ersatz für den hieraus resultierenden Schaden zu, wenn der Druck zu Unrecht ausgeübt wurde. Ein solcher Druck könne aber niemals nur durch die reine Information über die vom Gericht beschlossene Entscheidung hinsichtlich der einstweiligen Verfügung erfolgen. Vielmehr bedürfe es einer offiziellen Zustellung, welche durch ihre Aussagekraft die Wirksamkeit und Öffentlichkeit der Entscheidung bekräftigt, und einer Androhung von Ordnungsmitteln, mit denen die betroffene Person belastet werden kann, falls sie der Verfügung nicht folgeleistet. Speziell diese Androhung entfalte geradezu erst den entscheidenden Druck auf den Adressaten, da sie ihm die Konsequenzen im Falle eines Zuwiderhandelns aufzeigt.

Vor einer förmlichen Zustellung entsteht somit laut dem BGH der entsprechende Vollstreckungsdruck auf den Adressaten gar nicht. Somit müsse in dem vorliegenden Fall auch der Zeitraum von circa zwei Wochen für die Schadensberechnung der Klägerin außer Acht bleiben, in dem sie noch vor der eigentlichen Zustellung der Verfügung darauf verzichtet hatte, die Jeanshosen zu vertreiben. Die bloße Zustellung einer Kopie des Beschlusses durch die Beklagten habe noch keinen Druck auf sie erzeugen können, so dass ihr Verzicht vor der förmlichen Zustellung eine Art "freiwilliges Opfer" darstellte.

Als höchstrichterliche Rechtsprechung, entfaltet diese Entscheidung eine große Wirkung, da sie verbindlich den zeitlichen Rahmen für Schadensersatzforderungen im Rahmen einer fehlerhaften einstweiligen Verfügung festlegt.

BGH, Urteil vom 10.07.2014, Az. I ZR 249/12


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