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Fernabsatzrecht anwendbar auf Anwaltsverträge?

Für anwaltliche Tätigkeiten können die Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes gelten


Fernabsatzrecht anwendbar auf Anwaltsverträge?

Bietet ein Anwalt seine Dienstleistungen per Mediendienste an und wickelt er diese Tätigkeiten ohne persönliche Zusammenkünfte mit seinen Mandanten z.B. im Rahmen von Massenklagen ab, so gelten für das Zustandekommen solcher Dienstleistungsverträge dieselben Bestimmungen wie für ein Fernabsatzgeschäft. Daraus folgt, dass der Anwalt seinen zukünftigen Mandanten über sein Widerspruchsrecht vor oder spätestens bei Vertragsabschluss in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zu informieren hat. Unterlässt er dies, so kann der Mandant auch nach Fristablauf vom Vertrag im Widerspruchsverfahren zurücktreten. Er braucht in diesem Falle auch nicht die bisher vom Anwalt erbrachten Leistungen zu ersetzen.

Hintergrund war das Angebot einer Anwaltskanzlei, die per Internet auf sich aufmerksam machte, um verschiedene Betroffene in einem Rechtsstreit gegen eine Bank zu vertreten. Der Mandant nahm das Angebot zur anwaltlichen Vertretung rechtswirksam an, legte jedoch im Laufe der vorgerichtlichen Tätigkeiten Widerspruch gegen den Vertrag ein und trat von diesem zurück.

Das Gericht stellt hierzu klar, dass die Kanzlei zwar nicht nur, jedoch überwiegend ihre Dienstleistungen in Massenverfahren anböte. Dafür wähle sie zu einem erheblichen Teil die Kontaktwege des Internets bzw. Telefons. Auch die weiteren Dienstleistungen, die nach dem Zustandekommen einer Mandatsbeziehung erbracht würden, kämen ohne das persönliche Zusammentreffen der Anwälte mit ihren Mandanten zustande.

Der rechtswirksamer Vertrag, der spätestens ab dem Zeitpunkt der fernmündlichen Freigabe von anwaltlichen Schriftsätzen gegolten habe, habe den Charakter eines Fernabsatzgeschäftes nach § 312 b Abs. 1 S. 1 BGB.

Ein gesetzlich verbotenes Geschäft nach § 134 BGB liege hier nicht vor. Selbst wenn man annähme, dass die Kanzlei im Sinne des § 43 b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eine unerlaubte Werbung vorgenommen hätte, würde hieraus nicht die Nichtigkeit des Vertrages folgern (vgl. AG Weilheim, Az. 2 C 102/12 und AG Neuss, Az. 34 C 453/97). Gleiches gelte auch im Falle der §§ 3 ff. des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), die sich lediglich auf das Zustandekommen, jedoch nicht auf den Inhalt der Rechtsgeschäfte bezögen (vgl. BGH, Az. I ZR 19/87) und keine Nichtigkeit herbeiführten. Gegen solche Verstöße könne der Geschädigte auf anderen Wegen vorgehen (vgl. BGH, Az. I ZR 134/11).

Der Mandant sei im vorliegenden Falle jedoch den Weg des Widerspruchs gegangen, der ihm auch zustehe. Er selbst sei Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, der Anbieter sei gewerblich im Sinne des § 14 BGB tätig.

Der Vertrag sei ausschließlich über Fernkommunikationsmittel zustande gekommen und erfülle daher die Voraussetzungen des § 312 b BGB. Der Gesetzgeber halte hier allerdings eine reine Zufälligkeit der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln für nicht ausreichend (vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 30). Vorliegend sei jedoch erkennbar, dass die Kanzlei Mittel der Fernkommunikation gezielt einsetze. Auch sei ihre Tätigkeit auf Massenprozesse ausgerichtet und biete insbesondere kaum die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme (vgl. BGH, Az. III ZR 380/03).

Da es der Anwalt weiterhin versäumt habe, den Kunden vorab über sein Widerspruchsrecht zu informieren, sei das Widerrufsrecht auch nicht erloschen, da der Vertrag noch nicht von beiden Seiten erfüllt worden war. Der Widerruf sei folglich wirksam und der Kunde brauche die bereits erbrachten Dienstleistungen nicht zu ersetzen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass auch Anwälte ein Fernkommunikationsgeschäft abschließen, wenn sie sich der entsprechenden Medien in allen Phasen der Vertragsabwicklung bedienen. In solchen Fällen müssen sie zwingend auf die Widerrufsrechte ihrer Kunden hinweisen. Versäumen sie dies, so können die Mandanten sogar ohne Fristeinhaltung einen Widerspruch einlegen und der Anwalt verliert seinen Anspruch auf Ersatz für seine bereits erbrachten Dienstleistungen. Kunden wiederum sollten bei solchen anwaltlichen Tätigkeiten darauf achten, ob und wann ihnen eine Widerrufsbelehrung vorgelegt wurde.

AG Offenbach, Urteil vom 09.10.2013, Az. 380 C 45/13


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