Fachanwaltstitel erlischt nicht mit Wegfall der Zulassung
Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Inhaber eines Fachanwaltstitels diesen nicht automatisch mit seinem Ausscheiden aus seinem Beruf verliert. Stattdessen darf er den Titel auch nach erneut beantragter Zulassung führen, wobei dafür vorausgesetzt wird, dass der Anwalt jährlich an entsprechenden Fortbildungen teilgenommen hat. Werde dem Advokat das Recht genommen, den Titel trotz seiner Teilnahme an Fachanwaltslehrgängen zu führen, stelle dies eine Verletzung der Berufsausübungsfreiheit im Sinne des Art. 12 GG dar.
Mit ihrer Beschwerde richtete sich die Beschwerdeführerin gegen vergangene Entscheidungen, nach denen es ihr untersagt worden ist, ihre in der Vergangenheit erworbenen Fachanwaltstitel nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft zu führen. Bei der Beschwerdeführerin handelte es sich um eine frühere Rechtsanwältin.
§ 43c Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung bestimmt, dass ein Rechtsanwalt befugt ist, eine Fachanwaltsbezeichnung nach außen hin zu führen, wenn er bestimmte Erfahrungen und Kenntnisse in einem Rechtsgebiet gesammelt hat. Die Rechtsanwaltskammer ist insoweit zuständig für die Erlaubniserteilung.
§ 3 FAO setzt voraus, dass der Fachanwaltstitel nur verliehen werden kann, wenn der Anwärter eine dreijährige Rechtsanwaltszulassung nachweisen kann. Des Weiteren muss er über denselben Zeitraum einer rechtsanwaltlicher Tätigkeit nachgegangen sein, bevor er den Antrag bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer stellen kann. Ferner muss der Antragsteller nachweisen, dass er einerseits die theoretischen Kenntnisse des Rechtsgebietes beherrscht und andererseits praktische Erfahrungen sammeln konnte.
Durch die Vorschrift des § 15 FAO wird geregelt, dass die Führung eines Fachanwaltstitels voraussetzt, dass sich der Fachanwalt innerhalb eines Kalenderjahres mindestens zehn Zeitstunden weiterbildet. Ab dem 1. Januar 2015 sind mindestens 15 Zeitstunden verpflichtend. Den Nachweis über die Fortbildungsmaßnahmen hat der Fachanwalt unverzüglich der Rechtsanwaltskammer mitzuteilen. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muss unter Umständen damit rechnen, dass die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für die Zukunft von der Kammer widerrufen wird, § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO.
Bei der Beschwerdeführerin handelte es sich um eine Anwältin, die bis zum Jahr 2010 auch aktiv als Rechtsanwältin zugelassen gewesen ist. Ihr war es von der Kammer erlaubt worden, aufgrund ihrer Qualifikationen den Fachanwaltstitel für das Verwaltungsrecht nach außen hin zu tragen. Da sie im Folgenden eine unbefristete Arbeitsstelle im öffentlichen Dienst angenommen hatte, legte sie ihre Zulassung als Rechtsanwältin nieder, wobei sie zugleich bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer beantragt hatte, ihren Titel wieder führen zu dürfen, sobald sie sich erneut um ihre Zulassung als Rechtsanwältin bemühen würde. Sie machte insofern auch darauf aufmerksam, dass sie ihrer Fortbildungspflicht insoweit nachkommen werde.
Die zuständige Rechtsanwaltskammer lehnte diesen Antrag mit dem Bescheid vom 7. April 2010 ab. Eine Wiedererteilung der Fachanwaltsbezeichnung werde vom Gesetz nicht vorgesehen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Klage vor dem Anwaltsgerichtshof, die jedoch abgewiesen wurde. In der Begründung hieß es, dass mit der Niederlegung der Tätigkeit als Rechtsanwältin zugleich die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung endgültig erlösche. Dagegen legte die Beschwerdeführerin vor dem Bundesgerichtshof Berufung ein. Der BGH folgte jedoch in seinem Urteil den Ansichten des Anwaltsgerichtshofes.
Gegen diese Entscheidungen legte die Beschwerdeführerin sodann Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Ihrer Meinung nach verletze sowohl der Bescheid als auch die gerichtlichen Urteile ihr Recht aus Art.12 GG.
Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde statt. Die Entscheidungen verletzen die Klägerin in ihrem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit im Sinne des Art.12 GG, so die Karlsruher Richter. Die Berufsausübung sei nach Auffassung der Kammer schon deswegen beeinträchtigt, da es der Beschwerdeführerin untersagt worden ist, ihren erworbenen Qualifizierungs- und Spezialisierungshinweis in Zukunft wieder zu verwenden. Durch die Entscheidungen sei es ihr verboten worden, einen Fachanwaltstitel zu führen. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung konnten die Richter derweil nicht annehmen, da es an einer gesetzlichen Grundlage für den Eingriff fehle.
Lediglich die Fortbildungsverpflichtung im Sinne der § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 15 FAO dürfe während der Niederlegung der Tätigkeit nicht ruhen. Da die Beschwerdeführerin jedoch schon bei ihrem Antrag darauf hingewiesen hat, dass sie ihrer Obliegenheit in Zukunft nachkommen werde, hat sie sich gesetzeskonform verhalten, so dass ihr von Seiten der Rechtsanwaltskammer eine Zusage hätte erteilt werden müssen. Sie hat damit ihrerseits alles getan, um ihren zukünftigen Anspruch auf Führung ihres Fachanwaltstitels aufrecht zu erhalten. Da von der Kammer somit ein Verstoß gegen Art.12 GG bejaht worden ist, kam es vorliegend nicht mehr auf die Prüfung anderer Grundrechte an.
BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014, Az. 1 BvR 1815/12