Erfolgshaftung des Betriebsinhabers ohne Entlastungsmöglichkeit
Es ist keine Seltenheit, dass ein Unternehmen nicht alle ihm überlassenen Aufträge selbst bearbeitet, sondern dafür ein Subunternehmen engagiert. Auf diese Weise kann schnell einmal ein unübersichtliches Geflecht aus Geschäftsbeziehungen entstehen, an dessen Ende sich die Frage stellt, wer im Zweifelfalle eigentlich die Verantwortung zu übernehmen hat. Die Antwort darauf fand der Bundesgerichtshof im April 2012.
An die Verträge gebunden
Vorliegend ging es um einen Energieversorger, der seine Produkte sowohl durch Haustürgeschäfte als auch über eine telefonische Vermittlung seinen Kunden näherbrachte. Zur besseren Bearbeitung schloss dieser Versorger einen Vertrag mit einem Subunternehmen. Die Übereinkünfte zwischen beiden Seiten waren eng und detailliert abgefasst. Der Inhalt sah vor, dass der Vertriebspartner einerseits die Klienten ausschließlich durch das Telefonmarketing kontaktieren sollte und dass er andererseits keine Kontrakte mit weiteren Untervertriebspartnern vereinbaren durfte. Doch es kam anders. Es wurde sehr wohl ein zusätzlicher Vertrieb mit ins Boot geholt, die Zustimmung des Energieversorgers fehlte indes. Darüber hinaus blieb es nicht – wie vertraglich vereinbart – beim Marketing alleine über das Telefon, vielmehr wurden die unerwünschten Haustürgeschäfte vorgenommen.
Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht angemahnt
Aber auch bei diesem Gewirr an geschäftlichen Beziehungen kam es noch schlimmer. Der Untervertriebspartner, der ohne Einwilligung des Energieversorgers beauftragt wurde und der seinerseits nichts von der Vorgabe der Telefonkontakte hielt, suchte seine Klienten nicht nur zuhause auf, sondern setzte sie auch gehörig unter Druck. So versprach er ihnen zwar eine Kostenersparnis von 200 Euro pro Jahr gegenüber dem Konkurrenzunternehmen, von dem sie bislang ihren Strom bezogen hatten. Wer nicht einwilligte, sah sich aber wüsten Drohungen ausgeliefert. Diese gingen soweit, dass gar keine Energie mehr an die Hausinhaber geliefert werden solle, wenn diese sich dem Vertrag verweigern. Der Konkurrent, der vielen dieser Betroffenen den Strom zustellte und mit diesen eine geschäftliche Übereinkunft besaß, klagte dagegen und mahnte Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht an.
Die Frage der Haftung
Unzweifelhaft liegt in diesem Fall tatsächlich der Bruch der gesellschaftlichen Normen vor. Diese Ansicht vertraten sämtliche Gerichte der unteren Instanzen übereinstimmend. Doch ihnen stellte sich stets die Frage, wer in diesem komplexen Geflecht aus Verträgen und Abhängigkeiten denn letztlich die Verantwortung zu übernehmen hat. Der Sachverhalt landete höchstinstanzlich vor dem Bundesgerichtshof, der seinerseits aber anhand der gesetzlichen Lage urteilte: Die Haftung obliegt dem Energieversorger, der an der Spitze aller geschäftlichen Bindungen steht und somit als Hauptunternehmer angesehen werden darf – alle Partner sind ihm formal und faktisch unterstellt.
Die Haftung – und ihre Ausnahmen
Der Hauptunternehmer haftet für alle Verstöße, die seine Mitarbeiter und Beauftragten begehen. Selbst dann, wenn er von ihrem Engagement nichts wusste. Auf die Kenntnis kommt es hierbei aber nicht an. Ebenso ist es irrelevant, wie der Energieversorger und das erste Subunternehmen die gegenseitigen Verträge abgefasst haben. Der Untervertriebspartner agiert in letzter Konsequenz für den Energieversorger – dieser haftet somit. Etwas Anderes würde sich erst dann ergeben, wenn sich die Subunternehmer einem gänzlich anderen Geschäftszweig widmen würden. Vorliegend also etwa, wenn sie keine Stromverträge vermitteln, sondern Versicherungen verkaufen und dabei die geschäftliche Bindung zu den höheren Instanzen auf geschäftlicher Ebene ausnutzen würden. Dem war hier aber nicht so.
BGH, Beschluss vom 04.04.2012, Az. I ZR 103/11