Den Rahmen des RVG überschreitende Anwaltskosten sind keine außergewöhnlichen Belastungen
Zivilprozesskosten werden nur dann als außergewöhnliche Belastung eingestuft, wenn sie einen bestimmten Betrag nicht übersteigen und angemessen sind. Gemäß § 33 EStG sind ausschließlich Rechtsanwaltskosten angemessen, die den Gebührenrahmen des RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) nicht übersteigen. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, sind Kosten aus Zivilprozessen als außergewöhnliche Belastung steuerlich absetzbar.
Im vorliegenden Sachverhalt machten die Kläger Zivilprozesskosten in Höhe von 11.342,00 Euro als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG mit ihrer Einkommenssteuererklärung geltend. Die Kosten entstanden im Rahmen eines Zivilprozesses des Klägers gegen einen als Bauleiter beauftragten Architekten. Bei den Kosten handelte es sich hauptsächlich um Anwaltskosten, die vor dem Zivilprozess entstanden waren. Die Anwaltskosten beruhten auf einer individuellen Kostenvereinbarung zwischen Kläger und Anwalt. Sie beliefen sich auf 200,00 Euro pro Stunde. Das zuständige Finanzamt erkannte die geltend gemachten Anwaltskosten nicht als außergewöhnliche und damit steuerabzugsfähige Belastung an. Die an dem Rechtsstreit beteiligten Parteien gingen gemeinsam als Kläger gingen gegen den ablehnenden Bescheid gerichtlich vor, da sie die Kosten des Zivilprozesses jeweils zu 74 Prozent und 26 Prozent zu tragen hatten. Das Finanzgericht wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.
Die Richter hatten rechtssicher festgestellt, dass es sich bei den durch die Kläger geltend gemachten Kosten aus dem Streitjahr 2012 nicht um eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG handelt. Den Klägern war mit dieser Entscheidung ein jeweils anteiliger steuermindernder Abzug der Gesamtkosten in Höhe von 11.342,00 Euro verwehrt. Die Kosten eines Zivilprozesses entstehen rechtlich begründet zwangsläufig und unabhängig vom Gegenstand des Prozesses (Entscheidung BGH, Urteil vom 12.05.2011, Az. VI R 42/10). Dieser Rechtsprechung folgt auch der Senat. Die frühere Rechtsprechung stellte hinsichtlich der Frage der Zwangsläufigkeit darauf ab, ob das dem strittigen Anspruch zugrunde liegende Ereignis unausweichlich war oder nicht. Demzufolge sind Aufwendungen aus Zivilprozessen nur dann außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe nach, sondern auch dem Grunde nach außerhalb des gewöhnlichen Rahmens liegen.
Zivilprozesskosten werden durch den sozialrechtlichen Regelbedarf nicht berücksichtigt, da sie nicht zu den gewöhnlichen Lebenshaltungskosten gehören. Auch werden die Kosten nur dann als außergewöhnlich anerkannt, wenn der Steuerpflichtige den Zivilprozess nicht mutwillig und unüberlegt angestrengt hat. Dies ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Fall, da das Landgericht festgestellt hat, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt war und der beklagte Bauleiter dem Kläger die entstandenen Schäden infolge von Baumängeln zu ersetzen hat. Da die vorprozessualen Anwaltskosten jedoch auf einer individuellen Kostenvereinbarung mit dem Rechtsvertreter entstanden sind, liegen sie außerhalb des Gebührenrahmens des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Ferner berücksichtigten die Richter, dass die erste Instanz dem Kläger mit Schlussurteil vorgerichtliche Rechtsanwaltsaufwendungen in Höhe von 1.715,03 Euro als Schadenersatz zugesprochen hat. Nach Abzug dieses Betrages verbleiben keine abzugsfähigen Aufwendungen, die bei der Einkommenssteuerklärung Berücksichtigung finden können. Diese Entscheidung ist umso mehr begründet, als dass das Gericht die erhöhte Geschäftsgebühr von 1,9 berücksichtigt hat. Ferner kommt eine weitere Anrechnung von Aufwendungen nicht in Betracht, da die Kläger die verbleibende und zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 2.520 Euro im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 2012 noch nicht voll verbraucht haben. Nach ausreichender Würdigung der Umstände stellten die Richter fest, dass nur die Rechtsanwaltskosten innerhalb dieses festgesetzten Gebührenrahmens notwendig waren, um eine unausweichliche Rechtsverfolgung durch einen Zivilprozess für die Kläger sicher zu stellen.
Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich der angemessenen und notwendigen Kosten als außergewöhnliche Belastung auf die Maßstäbe der Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO zurückgegriffen. Die Richter haben das staatliche Leistungsrecht Bedürftiger der einkommenssteuerlichen Bemessungsgrundlage leistungsfähiger Steuerpflichtiger gegenübergestellt. Die Kosten, die der Staat Bedürftigen als außergewöhnliche Belastung beim Steuerabzug einräumt, muss auch die einkommenssteuerliche Bemessungsgrundlage leistungsstarker Steuerpflichtiger mindern. Überträgt man diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Rechtsstreit der Kläger mit dem Finanzamt Münster, bleibt festzustellen, dass sie als leistungsfähige Steuerpflichtige ihre Prozesskosten ausschließlich im Rahmen des gesetzlichen Gebührentatbestandes mit ihrer Einkommenssteuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend machen können. Die Klage wird abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits sind von den Klägern zu tragen.
Finanzgericht Münster, Urteil vom 19.02.2015, Az. 12 K 3703/13