Das Märchen vom „Link-Urteil“
Wer eine eigene Webseite betreibt, weiß um die vielfältigen Möglichkeiten, die das Einbinden von Fotos, Texten und anderen Medien bieten. Auch Links, die zu anderen Seiten führen, werden dabei sehr gerne eingeflochten. In einem wegweisenden Urteil aus dem Jahre 1998 urteilte das Landgericht Hamburg aber über die Verantwortlichkeit, die den Webmaster dabei trifft.
Unseriöse Berichterstattung
Zugrunde lag dem Prozess der Sachverhalt, dass der Inhaber einer Domain im Internet eine Webseite eröffnete und bald darauf von einem Juristen auf die Herausgabe eben jener Domain verklagt wurde. Im weiteren Verlauf kam es zu Beleidigungen durch den Juristen, wodurch sich der Domaininhaber genötigt sah, dieses Vorgehen öffentlich anzuprangern. Er stellt dabei auf seine Webseite einen erklärenden Text, von dem aus weiterführende Links geschaltet wurden. Diese führten tendenziell eher zu solchen Seiten, auf denen der Jurist an sich schlecht dargestellt wurde. Dieser klagte dagegen und sah in dem Handeln des Inhabers der Webseite eine unseriöse Berichterstattung zu seiner Person. Es kam daraufhin zur Klage vor dem Landgericht Hamburg.
Der Webmaster haftet
Die Frage der Verantwortlichkeit wurde im Jahre 1998 vor dem Spruchkörper der Hansestadt erstmals grundsätzlich entschieden. Im Ergebnis stimmten die Richter dem klagenden Juristen zu. Im Umkehrschluss bedeutet das die vollumfängliche Haftung des Webmasters für die von ihm gesetzten Links. Zwar hatte er sich in einem sogenannten Disclaimer von den möglichen Inhalten fremder Seiten distanziert und den Benutzer ausdrücklich gewarnt, die Adressen auch tatsächlich anzuklicken. Dennoch reichte diese Maßnahme nicht aus, um ihn von der Haftung zu befreien. Der Disclaimer, der nichts anderes als eine persönliche Erklärung zum Ausschluss der eigenen Verantwortlichkeit darstellt, war in diesem Fall zu pauschal verfasst worden. Er hätte aber so geschrieben sein müssen, dass er den individuellen Sachverhalt widerspiegelt.
Keine identischen Disclaimer
Unter den Rechtsgelehrten ist seit diesem Urteil indes ein Streit entbrannt. Denn es ist nicht ersichtlich, wann genau ein Disclaimer verwendet werden kann und wann er als zu pauschal eingestuft wird und seine Funktion verliert. Unterstellt werden darf, dass solche Haftungsausschlüsse nutzlos sind, die als Standardtext im Internet abrufbar sind, aber zu allgemein verfasst werden. Das sind also in der Regel solche, die den Betreiber der Webseite nicht erkennen lassen und die keine Datenschutzerklärung für unterschiedliche Webportale wie Facebook, Twitter oder Google beinhalten. Mithin also Formulierungen, deren Inhalt zu unkonkret beschrieben ist und die gerade damit nicht geeignet sein können, um die Verantwortlichkeit für die Links zu verneinen.
Juristisch fragwürdig
Allerdings ist auch die allgemeine Verwendung der Disclaimer umstritten. Hierbei herrscht die Ansicht, dass der Webmaster bei Verwendung solcher Texte bereits damit rechnet, auf illegale oder moralisch anstößige Inhalte zu verlinken. Auch damit kann er von der Haftung nicht befreit werden – diese privilegiert ihn hingegen nur, wenn er gutgläubig die Links verwendet und trotz Überprüfung nicht wissen kann, dass sich dahinter gesetzeswidrige Inhalte verbergen. Wer seine Verantwortlichkeit in solchen Fällen ausschließen möchte, sollte daher den Disclaimer von einem spezialisierten Anwalt verfassen lassen und keinesfalls auf standardisierte Texte zurückgreifen. Denn nach dem Hamburger Grundsatzurteil aus dem Jahr 1998 droht damit die Übernahme der vollen Haftung.
LG Hamburg, Urteil vom 12.05.1998, Az. 312 O 85/98