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Boykottaufruf zulässig: "AfD-Friseur" und seine Schere

OLG Dresden, Urteil vom 05.05.2015, Az. 4 U 1676/14


Boykottaufruf zulässig: "AfD-Friseur" und seine Schere

Das Oberlandesgericht (OLG) in Dresden hat mit seinem Urteil vom 05.05.2015 unter dem Az. 4 U 1676/14 entschieden, dass es der Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerung entspricht, wenn ein Politiker im Wahlkampf im Internet die Äußerung verbreitet: "Ab sofort empfehle ich, nicht mehr zum Friseur …in #... zugehen. Inhaber ist ein #AFD ler. Man weiß nie, wo die Schere ansetzt." Dies stellt keinen unzulässigen Boykottaufruf dar.

Damit gab das OLG der Berufung des Beklagten statt und änderte das Urteil der Vorinstanz (LG Leipzig). Die zuvor erlassende einstweilige Verfügung wurde nicht bestätigt. Der Streitwert wurde mit 3000 Euro beziffert.

Der Verfügungskläger möchte die Unterlassung einer bestimmten Äußerung erreichen, die der Beklagte im Rahmen des sächsischen Wahlkampfes im Internet veröffentlicht hat.

Der Kläger ist im Vorstand der Partei X in Sachsen und Teilhaber eines Friseurgeschäfts, das zwei Salons unter dem Namen G in Leipzig unterhält.

Der Beklagte ist im Vorstand der Partei Y. Beide Streitparteien traten bei der Landtagswahl gegeneinander als Kandidaten der jeweiligen Partei an.

In seinem privaten "Twitter"-Account hatte der Beklagte die folgende Mitteilung veröffentlicht:
„Ab sofort empfehle ich, nicht mehr zum Friseur G. in #Leipzig zu gehen. Inhaber ist ein #X ler. Man weiß nie, wo die Schere ansetzt“.
Den Text hat der Beklagte zwar kurz darauf gelöscht, er wurde jedoch in Blogs von Mitgliedern der Partei X zitiert.
Der Kläger forderte den Beklagten zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Als Begründung gab er an, die Äußerung verletze sein Persönlichkeitsrecht und sei außerdem wettbewerbswidrig. Ferner handele es sich um einen Eingriff in den Gewerbebetrieb. Er beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Beklagten.

Das Landgericht hat daraufhin dem Beklagten die Verbreitung dieser Äußerung verboten. Das LG äußerte die Ansicht, dass der Satz „Man weiß nie, wo die Schere ansetzt“ eine eventuelle Inkompetenz und Eigenmacht beim Friseurhandwerk unterstellen würde. Enthalten sei darin die Warnung vor dem Antragsteller an sich. Es liege in der Äußerung eine Diffamierung und soziale Ausgrenzung, die den Antragsteller an den Pranger stelle.

Nach dem Widerspruch des Beklagten hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt. Die Aussage sei nicht erkennbar mehrdeutig oder sarkastisch gewesen. Ein verständiger Leser würde mit „Man weiß nie, wo die Schere ansetzt“ nicht eine geistige Haltung assoziieren.

Der Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt und trägt vor, zu Unrecht mache der Kläger gesellschaftliche Rechte geltend. Das Gericht habe den offensichtlich wahlkampfbezogenen Hintergrund der Äußerung nicht erkannt. Die Aussage sei auch nach wenigen Minuten gelöscht worden. Lediglich Mitglieder der Partei X hätten sie in der Presse und in sozialen Netzwerken verbreitet, um damit ihre Chancen bei den Wahlen zu steigern. Es handele sich bei der Äußerung nicht um einen Boykottaufruf, sondern sei eine Meinungsäußerung im Zuge eines politischen Meinungskampfes. Es gehe dabei nicht um den Friseurbetrieb, sondern um die Gesinnung der Partei X. Dies habe durch die Metapher „Schere im Kopf“ ausgedrückt werden sollen.
Es sei auch keine Schmähkritik darin zu sehen, denn anhand des scherzhaften Tones könne man erkennen, dass Diffamierung nicht das Hauptanliegen sei.

Dieser Ansicht hat sich das OLG Dresen angeschlossen. Es verneint den Anspruch auf Unterlassung der streitigen Behauptung.

Die Empfehlung, Dienstleistungen des Klägers nicht in Anspruch zu nehmen, sei kein Eingriff in den Gewerbebetrieb, auch keine Kreditgefährdung und keine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach den §§ 823, 824 und 826 BGB oder aus § 8 UWG.
Die Äußerung, dass der Kläger Mitglied der Partei X sei, stelle eine wahre Behauptung dar, die nicht untersagt werden könne.
Der Satz „Man weiß nie, wo die Schere ansetzt“ stelle weder einzeln noch im gesamten Zusammenhang einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, daher entstünde auch kein Anspruch aus § 1004.

OLG Dresden, Urteil vom 05.05.2015, Az. 4 U 1676/14


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