BGH zu produktbezogenen Absatzverboten
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 10.12.2009 unter dem Az. I ZR 189/07 entschieden, dass zu den Marktverhaltensregeln auch Bestimmungen zählen, die produktbezogene Verkaufsverbote oder Beschränkungen regeln bzw. Informationspflichten im Hinblick auf den Umgang mit den Produkten begründen. Dazu gehöre auch der § 6 AMG.
Auf Revision des Beklagten hat der BGH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben.
Der Beklagte wird nunmehr nur noch verurteilt, es zu unterlassen, das Produkt “Golly Telly” ohne eine CE-Kennzeichnung zu vertreiben und der Klägerin Schadensersatz zu leisten. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Der Beklagte ist ein Apotheker, der eine Pulvermischung vertreibt, die er selbst hergestellt hat. Das Produkt verkauft er unter dem Namen “Golly Telly”. Für das Präparat existiert keine arzneimittelrechtliche Genehmigung im Sinne des § 21 AMG (Arzneimittelgesetz).
Durch die Zugabe von Wasser ergibt sich mit dem Produkt eine trinkbare Lösung zur Darmreinigung, zum Beispiel vor einer Untersuchung (Koloskopie), einer OP im Darmbereich oder zum Beginn des Fastens.
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das das zugelassene Produkt “Klean-Prep” vertreibt, das den gleichen Zwecken dient. Nach Ansicht der Klägerin überschreite der Beklagte die Grenzen des § 21 AMG, der den Vertrieb von nicht zugelassenen Arzneimitteln regele.
Wenn das Pulver des Beklagten als Medizinprodukt gelten solle, wäre es ebenso nicht verkehrsfähig, weil es nicht die erforderliche CE-Kennzeichnung trage.
Das Landgericht hatte der Klage auf Unterlassung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil bestätigt. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte weiterhin den Antrag auf Klageabweisung.
Nach Ansicht der beiden Vorinstanzen sei das Präparat u.a. zur Erkennung von Darmkrebs dienlich, damit habe es eine Arzneimitteleigenschaft inne und sei kein Medizinprodukt im Sinne des § 3 MPG. Daher bedürfe es auch einer Zulassung. Da diese nicht vorliege, müsse der Beklagte den Vertrieb dieses Produktes unterlassen. Der Anspruch auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht ergebe sich aus § 9 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).
Die Revision gegen das Urteil führe jedoch insoweit zur Klageabweisung als dem Beklagten der Vertrieb des Produkts generell verboten werden soll. Dieses Verbot sei nicht begründet. Der Schadensersatzfeststellungsantrag sei jedoch begründet. Denn zu Unrecht habe die Vorinstanz angenommen, das Präparat sei kein Medizinprodukt, auch wenn der Beklagte selbst das Produkt als ein Arzneimittel bezeichnet habe. Hier ist der BGH anderer Meinung. Das Präparat diene u.a. der Darmreinigung. Damit diene es nicht einer Befunderhebung, sondern der Schaffung der Voraussetzung für eine solche. Damit sei es aber kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt.
Vor diesem Hintergrund erweise sich die Beanstandung als begründet, dass das Produkt keine CE-Kennzeichnung trage, wie sie für Medizinprodukte nötig sei.
Der Beklagte könne also dazu verpflichtet werden, das Produkt nur mit dieser Kennzeichnung zu vertreiben. Aus der Unterlassung der Kennzeichnung ergebe sich ein Schadensersatzanspruch. Denn ein Mitbewerber könne auch dann einen Schaden geltend machen, wenn dieser Schaden letztlich nur dem Verbraucher erwächst.
BGH, Urteil vom 10.12.2009, Az. I ZR 189/07