BGH Gültigkeit Unterlassungserklärung lebenslang
Der kürzlich vor dem Bundesgerichtshof verhandelte Fall schien zunächst lediglich erbrechtliche Problemstellungen zu erörtern. Zumal es sich dabei um eine eher unbedeutende Sachlage handelte, deren Klärung nicht von besonderer Dringlichkeit gewesen wäre. Das Urteil (BGH vom 06.07.2012, Az. V ZR 122/11) indes zeitigt weitergehende Konsequenzen, die darüber hinaus auch im Urheberrecht sowie dem Marken- und Wettbewerbsrecht von hoher Bedeutung sein dürften.
Es hat sich zu einer wahren Industrie entwickelt, dass immer häufiger die Mediendateien über das Internet vervielfältigt werden, worauf diverse Anwälte mit Abmahnungen auf dieses Filesharing reagieren. Sie greifen in der Regel das Hochladen und dadurch auch das Bereitstellen der Songs, Filme oder Fotos an und wollen ein solches Vorgehen durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung künftig ausschließen. Doch auch im gewerblichen Handel werden immer häufiger derlei strafbewehrte Unterlassungserklärungen eingefordert. Darauf könnte das Urteil des Bundesgerichtshofes nun deutliche Auswirkungen besitzen.
Der vor dem Gericht verhandelte Fall des Erbrechts war hinsichtlich seiner Gestaltung und Problemstellung allerdings nicht unbekannt: Im vorliegenden Sachverhalt des gewerblichen Rechtsschutzes stellte sich bereits seit längerer Zeit die Frage, ob eine strafbewehrte Unterlassungserklärung lediglich auf 30 Jahre begrenzt ist oder lebenslang gilt. Sie war zuvor nie eindeutig geklärt worden. Nach der Entscheidung des Gerichtes sind die Auswirkungen des Urteils jedoch weitgehend unumstößlich, wie sich an folgenden Beispielen veranschaulichen lässt:
a) Der private Geltungsbereich: Gibt ein Zwanzigjähriger eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, weil er von einer Kanzlei aufgrund eines Up- oder Downloads dazu aufgefordert wurde, so kann er bei einer 30-jährigen Gültigkeit des Dokuments erst im Alter von 51 Jahren frei von dieser Belastung sein. Nun wird er aber selbst vielleicht Kinder haben, über einen entsprechenden Zugang zum Internet verfügen und eventuell als sogenannter Zustandsstörer auch für Up- oder Downloads seiner Nachkommen haften müssen. Besitzt die alte Unterlassungserklärung keine Gültigkeit mehr, könnte den Betroffenen eine neue Erklärung ereilen. Hat er zuvor aber ein lebenslang gültiges Dokument abgegeben, so wäre nun lediglich die Zahlung einer damit vereinbarten Vertragsstrafe denkbar.
b) Der gewerbliche Geltungsbereich: Besser erkennbar zeigen sich die Auswirkungen des Urteils dort, wo wettbewerbs- sowie markenrechtliche Abmahnungen eingefordert werden. So stellt sich bereits die Frage, wie umfangreich die Definition der lebenslangen Dauer etwa im Hinblick auf eine GmbH als juristischer Person wäre. Hierbei kann in den meisten Fällen eine deutlich längere Dauer als 30 Jahre unterstellt werden. Gerade für alteingesessene Unternehmen war es bislang eine Frage der Rechtssicherheit, nach 30 Jahren nicht mehr an die Erklärung gebunden sein. Setzt sich demgegenüber nun aber eine lebenslange Wirksamkeit durch, wäre das Gewerbe unter Umständen länger als 30 Jahre dazu verpflichtet. Eben so lange, wie der Betrieb existiert.
Zur besseren Darstellung des Urteils soll zunächst jedoch geklärt werden, worum es in dem vom Gericht behandelten Sachverhalt eigentlich ging: Im Mittelpunkt standen sogenannte „Übergabeverträge zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten“. Genau genommen also Unterlassungsverträge, die immer dann geschlossen wurden, wenn es anlässlich eines Übergabevertrages zur vorweggenommenen Erbfolge kam. Dem Bundesgerichtshof stellte sich dabei aktuell die Frage, ob aus einem solchen Übergabevertrag, der an Unterlassungspflichten geknüpft war, auch nach einer Dauer von 30 Jahren noch Ansprüche durchsetzbar sind. In seinem Leitsatz hat das Gericht diese Ansicht bestätigt:
Die nach § 137 Satz 2 BGB (schuldrechtliche Verfügungsverbote) geregelten Unterlassungsverpflichtungen verlieren ihre Wirksamkeit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entsprechend nicht nach 30 Jahren.
Auch die Kommentierungen zum gewerblichen Rechtsschutz werden von diesem Grundsatzurteil betroffen sein. So lehnte der Bundesgerichtshof den allgemeinen Rechtsgrundsatz ab, der “die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt (Schack, JZ 1989, 609, 612; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45), und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen könne (Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45; Schippers, MittRhNotK 1998, 69, 73)”.
Der Ansicht des Bundesgerichtshofes kann zugestimmt werden. So ist bereits dem BGB eine Regelung zur zeitlich begrenzten Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen aus § 137 Satz 2 BGB unbekannt. Auch im Zuge der Analogie zu anderen Normen kann eine derartige Höchstdauer nicht abgeleitet werden. Damit einhergehend bleibt festzustellen, dass vertragliche Pflichten selbst bei einer Dauer von mehr als 30 Jahren nicht zwingend gegen die guten Sitten verstoßen.
In der täglichen Arbeit mit den Klienten aus dem gewerblichen Geltungsbereich ist somit eingedenk des gefällten BGH-Urteils noch intensiver auf ein zukunftsweisendes Vertragsmanagement hinzuwirken. Denn häufiger stellt sich einmal die Frage, ob einstige Unterlassungserklärungen noch immer ihre Wirksamkeit besitzen. Hier ist es wichtig, dem Unternehmen keine lebenslangen Zuwiderhandlungen gegen ein solches Dokument aufzuerlegen. Doch auch privaten Betroffenen sei geraten, sich die lebenslange Gültigkeit der Unterlassungserklärung regelmäßig bewusst zu machen.