Beweiswert schriftlicher Bekundungen von Ärzten
In seinem Urteil hat sich das LSG Baden-Württemberg mit Fragen zum Beweiswert schriftlicher Bekundungen von Ärzten im Verwaltungsverfahren sowie mit Problemen im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, der Verletztenrente und dem Anspruch auf Verletztengeld befasst. Dabei hat das Gericht festgestellt, dass die schriftlichen Bekundungen von Ärzten im Verwaltungsverfahren im Gegensatz zu Gutachten im Rechtssinne nur eine begrenzte Beweiskraft haben. Außerdem hat das Gericht in seinem Leitsatz zum Urteil vermerkt, dass der Kläger nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII keinen Verletztenrentenanspruch hat, solange noch Anspruch auf Verletztengeld besteht, da dieses erst beendet werden muss.
Der Sachverhalt
Mit der Klage verfolgte der Kläger das Ziel, eine Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls, den der Beklagte auch anerkannt hatte, zu erhalten.
Der versicherungspflichtig beschäftigte Kläger prallte während eines Trainings für ein Fußballturnier der Firma am 06.05.2005 unvorteilhaft mit einem Gegner zusammen, als dieser unvermittelt stehenblieb und sich umdrehte. Der Zusammenstoß habe sofort eine vollständigen Lähmung von Armen und Beinen bewirkt. Der Kläger soll nach seinen Angaben zusammengesackt und zwar bei Bewusstsein und ansprechbar gewesen sein, doch er konnte seine Arme und Beine nicht mehr spüren und hat nach einigen Minuten ein starkes Stromstoßempfinden in mehreren Fingern gespürt.
Vom 07.05.2005 bis zum 24.5.2006 bezog der Kläger durchgehend Verletztengeld, danach Krankengeld und Übergangsgeld, ab dem 4.11.2006 Arbeitslosengeld I. Er stellte einen Rentenantrags, der auch bewilligt wurde und bekam einen Grad der Behinderung (GdB) von 80, später sogar 90 bescheinigt.
Es wurden sofort nach dem Unfall sowie in der Folgezeit sehr viele Untersuchungen am Kläger durchgeführt, da dieser über verschiedene Symptome klagte wie Harnwegsbeschwerden, Sensibilitätsstörungen, Kopfschmerzen mit Konzentrationsstörungen, schnell auftretende Ermüdungserscheinungen und Schmerzen bei Berührung des rechten Beins.
Es sollte ein Gutachten eingeholt werden, auf Wunsch des verletzten Klägers sollte dieses Prof. W erstellen, jedoch war es letztlich Dr. B, der das Gutachten erstellte. Zwar stellte dieser diverse Erkrankungen fest, wie zum Beispiel ein leichtes Carpaltunnelsyndrom und eine Contusio spinalis, führte diese Erkrankungen aber überwiegend auf die Krankenvorgeschichte des Klägers zurück, der Unfall sei eine Gelegenheitsursache gewesen. Laut Gutachten des Arztes solle die Arbeitsunfähigkeit vom Unfalltag bis zum 05.07.2005 akzeptiert werden, aber darüber hinaus bestehe keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr.
Die Beschwerden des Klägers blieben bestehen. Den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Rente lehnte die Beklagte mit einem Verweis auf das Gutachten jedoch ab. Der Kläger wandte ein, er habe nicht den gewünschten Gutachter bekommen und zudem sei das Gutachten nicht vollständig. Es folgte ein andauernden Streit um die Folgen des Sturzes, die Vorerkrankungen des Klägers und die Fragen von Arbeitsunfähigkeit und Rentenanspruch.
Die Entscheidung
Das LSG hat entschieden, dass dem Kläger die Verletztenrente gewährt werden muss. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls mehr als 26 Wochen lang um wenigstens 20 Prozent gemindert ist, haben nach § 56 I SGB VII Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind hierbei Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Unfälle sind nach § 8 I SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen oder tödlich sind.
Die versicherte Tätigkeit, Art und Ausmaß des Unfallereignisses, der Gesundheitserstschaden und die hierdurch verursachten andauernden Unfallfolgen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Der Ursachenzusammenhang zwischen Unfall und Schäden muss allerdings nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nur hinreichend wahrscheinlich sein, aber mehr als eine bloße Möglichkeit. Dies hat das Gericht angenommen. Es hat die Gutachten, die die Beklagte in Auftrag gegeben hat, zwar als verwertbar angesehen, obwohl das Auswahlrecht des Klägers verletzt wurde, weil er dies nicht rechtzeitig gerügt hat. Doch das Gericht hielt die Gutachten für nicht überzeugend und beweiskräftig genug.
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.9.2012, Az. L 6 U 192/11