Beweisvereitelung im Wettbewerbsverfahren
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 11.06.2015 unter dem Az. I ZR 226/13 entschieden, dass aus einer Beweisvereitelung nicht folgt, dass der Vortrag der anderen Partei als bewiesen angesehen wird. Es sei dennoch eine Beweiserhebung durchzuführen. Wenn die Beweise einer beweispflichtigen Partei nicht zur Verfügung stehen oder die behaupteten Aussagen nicht stützen, kann eine Beweislastumkehr in Frage kommen. Es sind in solchen Fällen die Beweisangebote des Gegners zu würdigen.
Die Klägerin ist ein Hersteller von Chemikalien, vor allem Pflanzenschutzmitteln. Sie verkauft unter anderem das Mittel „Decis flüssig“ mit dem Wirkstoff Deltamethrin zu 25g/l und ist zugelassen in Deutschland durch das BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit).
Die Beklagte importiert Pflanzenschutzmittel nach Deutschland und bringt sie in anderen Verpackungen unter ihrem eigenem Namen auf den Markt. Sie besitzt Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen des BVL für Pflanzenschutzmittel mit Deltamethrin.
Im Juli 2009 lieferte die Beklagte ein Pflanzenschutzmittel in Kanistern unter der Bezeichnung „H. Deltamethrin 25 EC“ an eine Firma in Magdeburg. Die Parallelimportnummer wurde vom BVL für ein Pflanzenschutzmittel vergeben, das identisch mit dem Mittel der Klägerin ist. Auf den Behältern der Beklagten ist als Produktionsdatum Dezember 2007 angegeben. Nachdem die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufforderte, machte sie gerichtlich geltend, dass das von der Beklagten in den deutschen Verkehr gebrachte Produkt „H. Deltamethrin 25 EC“ in Bezug auf das so genannte Nebenkomponentenprofil von Deltamethrin deutliche Abweichungen vom Referenzmittel der Klägerin aufweise.
Bezüglich einiger Isomere weise es gegenüber dem klägerischen Originalprodukt höhere Werte auf. Das Mittel sei nicht von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt. Mit Angabe der Parallelimportnummer auf der Verpackung erwecke die Beklagte den gegenteiligen Eindruck. Insofern liege eine Irreführung vor. Die Klägerin begehrt die Unterlassung dieser Handlungen.
Der Bundesgerichtshof sieht die Revision der Klägerin als begründet an. Sie müsse lediglich darlegen und im Falle des Bestreitens beweisen, dass das beanstandete Verhalten des Beklagten von einem Verbot erfasst werde. Daher habe die Beklagte darzutun und zu beweisen, dass die beanstandete Verhaltensweise von der Verkehrsfähigkeitsfeststellung nach § 16c PflSchG aF gedeckt sei. Wenn es um die Identität der Produkte gehe, treffe denjenigen die Beweislast, der zu seinen Gunsten die Identität beanspruche. Mit Recht habe das Berufungsgericht vermutet, die Klägerin habe ausreichend vorgetragen und bewiesen. Die Behauptung, das von der Beklagten hergestellte Produkt könne aufgrund einer anderen Konzentration der Wirkstoffe nicht identisch sein, lasse auf einen Verstoß gegen die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung schließen.
Das Berufungsgericht habe jedoch zu Unrecht die Klage unter Heranziehung der Grundsätze zur Beweisvereitelung abgewiesen. Es lägen schon nicht die Voraussetzungen zu einer Beweisvereitelung vor. Es sei nicht nur ein Ergebnis einer Beweisaufnahme, sondern der Inhalt der gesamten Verhandlung zu würdigen. Wenn von einer Beweisvereitelung ausgegangen werden müsse, so müsse dies zum Nachteil des Gegners der beweispflichtigen Partei berücksichtigt werden. Nur ein vorwerfbares und missbilligenswertes Verhalten könne mit beweisrechtlichen Nachteilen verbunden sein.
Der Tatbestand der Beweisvereitelung verlange einen doppelten Schuldvorwurf - das Verschulden müsse sich auf die Zerstörung bzw. Entziehung des Beweisobjektes beziehen, es müsse also darauf ausgerichtet sein, die Beweislage der Gegenpartei zu verschlechtern.
Zu Recht wende sich die Revision gegen die Annahme, die Beklagte könne den Beweis der Identität des Produkts mit dem Referenzmittel mittels einer chemischen Analyse nicht mehr führen. Dies habe das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen. Eine Beweiserhebung habe nicht unterbleiben dürfen. Dem Beweisangebot der Klägerin hätte es nachgehen müssen.
BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 226/13