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Beurteilung einer Wiederholungsgefahr erfordert stets Einzelfallprüfung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2018, Az. VI ZR 128/18


Beurteilung einer Wiederholungsgefahr erfordert stets Einzelfallprüfung

In einem Urteil vom 04.12.2018, Az. VI ZR 128/18 entschied der Bundesgerichtshof, dass für die Beurteilung, ob die Wiederholungsgefahr für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs infolge einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber einem anderen Gläubiger beseitigt worden sei, stets eine Einzelfallprüfung erforderlich sei. Der Wegfall einer solchen Gefahr könne gerade nicht im Vornherein mit Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verneint werden.

Wortberichterstattung über Hoteltreffen von Prominenten
Gegenstand des Verfahrens war ein Unterlassungsanspruch gegen eine Wortberichterstattung, welche sich mit einem heimlichen Treffen der Klägerin (Moderatorin und Model) mit einem Fußball-Nationalspieler (X) in einem Hamburger Hotel beschäftigte und im Internet verbreitet worden war. Beide Beteiligten hatten die Beklagte als Betreiberin der Internetseite zunächst vorgerichtlich aufgefordert, eine fast identische strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich bestimmter Textabschnitte des Artikels einschließlich dessen Überschrift abzugeben. Jene gab die geforderte Erklärung zwar gegenüber X auch ab, allerdings verweigerte sie im Nachgang die Abgabe einer solchen gegenüber der Klägerin. So kam es, dass letztere auf dem gerichtlichen Weg einen Unterlassungsanspruch begehrte.

Landgericht und Oberlandesgericht gaben Klage statt
Das zunächst zuständige Landgericht Hamburg gab der Forderung der Klägerin mit Urteil vom 19.08.2016, Az. 324 O 70/16 statt und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der angegriffenen Äußerungen und des Titels des Artikels. Begründet wurde dies seitens des Gerichts damit, dass die streitigen Textbausteine das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzen und die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entgegen der Behauptung der Beklagten nicht durch die gegenüber X ausgesprochene Unterlassungserklärung ausgeräumt wurde. Die Auffassung des Landgerichts teilte im Weiteren das Oberlandesgericht Hamburg, indem es die eingelegte Berufung der Beklagten mit Urteil vom 20.03.2018, Az. 7 U 175/16 zurückwies.

Bundesgerichtshof teilte Ansicht der Vorinstanzen nicht
Nichtsdestotrotz verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren im Folgenden mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiter, womit sie letztendlich auch Erfolg hatte. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts nämlich auf und verwies die Sache an das Gericht zurück. Seine Entscheidung begründete er damit, dass die von ihm getroffenen Feststellungen keinesfalls die Beurteilung der Vorinstanz, die Beklagte habe die Vermutung der Wiederholungsgefahr entkräftet, weshalb der Klägerin ein Unterlassungsanspruch zustehe, tragen.

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs stehe unstreitig fest, dass die besagten Äußerungen der Berichterstattung in die Privatsphäre der Klägerin eingreifen und sich diese nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen. Mithin sei – wie von den Vorinstanzen auch richtig erkannt – das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt, so dass der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG erfüllt sei.

Maßstäbe des Wettbewerbsrechts auf Persönlichkeitsrecht übertragbar?
Zentraler Streitpunkt des Verfahrens war vielmehr, ob die von der Beklagten gegenüber X erklärte Unterlassungsverpflichtung (sog. Drittunterwerfung) auch die Wiederholungsgefahr des Anspruchs der Klägerin beseitige, sodass es an der besagten Voraussetzung des streitigen Unterlassungsanspruchs fehle. Da die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche anerkenne, dass eine gegenüber einem von mehreren Verletzten abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung zwar nicht generell geeignet sei, die Vermutung der Wiederholungsgefahr auch gegenüber anderen Verletzten zu entkräften, ihr aber nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine solche Wirkung zukommen könne (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1982, Az. I ZR 121/80 – Wiederholte Unterwerfung; Urteil vom 13.05.1987, Az. I ZR 79/85 – Wiederholte Unterwerfung II), stand insbesondere die Frage im Raum, ob die Maßstäbe des Wettbewerbsrechts auf die Problematik des Persönlichkeitsrechts übertragen werden konnten.

Vorinstanzen bejahten Wiederholungsgefahr trotz Drittunterwerfung
Beide vorinstanzlichen Gerichte waren zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der Beklagten angeführte und im Wettbewerbsrecht geltende Gedanke, dass eine Drittunterwerfung ausreichen könne, um die Wiederholungsgefahr gegenüber einem anderen Gläubiger zu beseitigen, auf die vorliegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht übertragbar sei. Begründet wurde dies mit dem in einem solchen Fall im Vordergrund stehenden Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter. Im Wettbewerbsrecht hingegen gehe es nicht um persönliche, sondern vielmehr um inhaltsgleiche Ansprüche von häufig unzähligen Anspruchsinhabern. Angesichts dessen sei es gerechtfertigt, dem Verletzer zum Schutz vor unverhältnismäßig hohen Abmahnkosten das Recht einzuräumen, sich einen Gläubiger auszusuchen, dem gegenüber er eine Unterlassungserklärung abgibt. Insgesamt seien die beiden Konstellationen nicht miteinander vergleichbar, sodass die Klägerin die eigenständige Sicherung ihrer Person vor einer erneuten Rechtsverletzung unabhängig von der Erklärung gegenüber X verlangen könne, zumal diese Sicherung sie dauerhaft schütze, nämlich auch dann, wenn die rechtlichen Wirkungen der Unterlassungserklärung gegenüber X in Fortfall geraten bzw. gegenstandslos werden sollten.

Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung
Der für die Revision zuständige Senat sah dies allerdings differenzierter. Er kam zu dem Fazit, dass die Übertragung des Gedankens der Drittunterverwerfung und der damit einhergehende Wegfall der Wiederholungsgefahr im Hinblick auf den klägerischen Anspruch nicht von Vornherein mit dem Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgelehnt werden dürfe. Vielmehr sei auch bei dem Vorliegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung stets eine Einzelfallprüfung notwendig. Wie auch bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen müsse es entscheidend darauf ankommen, ob die Verpflichtung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungen abzuhalten. Ob dies zutreffe, müsse in einer umfassenden Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe geprüft werden, so das höchste Zivilgericht.

Anforderungen an die Prüfung der Wiederholungsgefahr
Im Einklang mit dem Wortlaut des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB müsse stets untersucht werden, ob „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“ seien. Die Beurteilung, ob die Wiederholungsgefahr für ein beanstandetes Verhalten fortbestehe, sei im Wesentlichen tatsächlicher Natur. Der Senat führte an, dass zur Einschätzung der Wiederholungsgefahr insbesondere aus dem bisherigen Verhalten des Verletzers Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Verletzung zu ziehen sind. Auch wenn im Regelfall nur die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber dem jeweils Betroffenen die Wiederholungsgefahr zu beseitigen vermag, schließe das für den Verletzer nicht die Möglichkeit aus, darzulegen und zu beweisen, dass andere Umstände – etwa eine gegenüber einem Dritten abgegebene Unterlassungserklärung – im konkreten Einzelfall geeignet sind, ihn wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung gegenüber dem Betroffenen abzuhalten. Damit werde entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts weder dem Gläubiger zugemutet, die Sicherung oder Durchsetzung seiner Ansprüche in die Hände Dritter zu legen, noch wird es dem Ermessen des Verletzers überantwortet, darüber zu bestimmen, wer den Anspruch sichern oder durchsetzen soll.

Vergleich zwischen Wettbewerbsrecht und Persönlichkeitsrecht hinkt
Der Vergleich des Berufungsgerichts zwischen Wettbewerbs- und Persönlichkeitsrecht hinke, so der Senat. Die Betrachtung der Wiederholungsgefahr sei schließlich tatsächlich und rechtlich unabhängig von einem etwaigen Bestreben, den Verletzer bei einer Vielzahl potentieller Anspruchsteller vor hohen Abmahnkosten zu schützen (und deshalb die Unterwerfung gegenüber nur einem Verletzten genügen zu lassen), so dass es auf die vom Gericht aufgeworfene Frage, ob ein solches Bedürfnis auch bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gebe, nicht ankomme. Darüber hinaus stieß auch die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, dass Äußerungen denkbar seien, die keine Verletzung des Unterlassungsvertrages zwischen X und der Beklagten darstellen, aber gegen das im Streitfall angefochtene Verbot – also das mit der Klage angestrebte gerichtliche Unterlassungsgebot – verstoßen würden, bei dem für die Revision zuständigen Senat auf Ablehnung. Grundvoraussetzung einer Unterlassungserklärung sei einerseits schließlich, den von dem Betroffenen geltend gemachten Unterlassungsanspruch inhaltlich voll abzudecken. Andererseits erfasse der eingeklagte Anspruch nicht auch eine Berichterstattung über das Hoteltreffen ohne die Identifizierung von X.

Oberlandesgericht muss neu entscheiden
Insgesamt hätten die Vorinstanzen bezüglich des Vorliegens der besagten Gefahr analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB rechtsfehlerhafte Einschätzungen getroffen, so der Bundesgerichtshof. Die Folge hiervon sei die Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts und die Zurückverweisung der Sache an das besagte Gericht. Im weiteren Verfahrensgang habe sich das Berufungsgericht daher nun mit der Frage zu befassen, ob der Unterlassungsvertrag zwischen der Beklagten und X auch im Übrigen – also nicht nur im Hinblick auf seine inhaltliche Reichweite – geeignet erscheint, die Beklagte wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung abzuhalten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2018, Az. VI ZR 128/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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