Belieferungssperre wegen Onlineverkauf unter UVP
Das Kammergericht (KG) in Berlin hat mit seinem Urteil vom 02.02.2012 unter dem Az. 2 U 2/06 Kart entschieden, dass ein Hersteller einem Händler nicht mit einer Belieferungssperre drohen darf, weil dieser seine Artikel über das Internet günstiger weiterverkauft als gewünscht. Das Gericht beantwortete mit dieser Entscheidung das gesamte Arsenal an Argumenten, das von Markenherstellern verwendet wird, um den Vertrieb ihrer Artikel zu unerwünscht günstigen Preisen im Internet zu verhindern und sich dabei rechtlich möglichst nicht angreifbar zu machen zu wollen. Das Gericht hat dem jetzt allerdings einen Riegel vorgeschoben.
Der Kläger begehrt Unterlassung, dahingehend, dass die Beklagte ihn zukünftig nicht mehr auffordern soll, die von ihr empfohlenen Preise für ihre Artikel einzuhalten. Außerdem verlangt sie von der Beklagten die Erstattung der anwaltlichen Abmahn- und Abschlussschreiben in diesem Zusammenhang.
Er sei im Juli 2004 von einem Mitarbeiter der Klägerin angerufen worden. Dieser habe die Preiskalkulation für die Produkte kritisiert, die von der Beklagten hergestellt worden sind. Wenn er die Ware sozusagen verschleudere, könne er nicht mehr von ihr, der Beklagten, beliefert werden. Die Artikel seien für ihn künftig ausverkauft. Die Beklagte gab diesen Anruf ihres Mitarbeiters zu. Dieser habe jedoch nur mitteilen wollen, dass er die Preiskalkulation für einen bestimmten Rucksack nicht nachvollziehen könne.
Die Kalkulation sei betriebswirtschaftlich unklug. Er habe nicht gesagt, dass er nicht mehr liefern wolle.
Das LG Berlin hat die Beklagte zur Unterlassung verurteilt, den Kläger zur Einhaltung der Preisempfehlungen aufzufordern. Die Beklagte sollte ferner die Anwaltskosten erstatten.
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte im Februar 2006 Berufung ein.
Diese begründete sie damit, das LG habe zu Unrecht gemeint, sie hätte Druck auf den Kläger ausgeübt, im Sinne des § 23 GWB, um die unverbindliche Preisempfehlung verbindlich zu machen. Welche Nachteile sich der Kläger bei Beibehaltung seiner Preiskalkulation vorgestellt habe, darauf komme es nicht an. Seine Mitarbeiter seien auch nicht befugt, Weiterverkäufern mit Sanktionen zu drohen. Außerdem habe das LG übersehen, dass es kein Empfehlungsverbot mehr gebe. Dieses (§ 22 GWB) sei am 30. Juni 2005 aufgehoben worden. Somit habe sich das LG auf eine Grundlage gestützt, die bereits bei der Gerichtsverhandlung gar nicht mehr in Kraft war.
Das Verbot aus Art. 4 a der VO 2790/1999 (Vertikal- GVO 1999) greife erst, wenn er Verkäufer gezwungen wird, einer Preisempfehlung nachzukommen.
Hiervon könne keine Rede sein. Es könne nicht verboten sein, mit Verkäufern über Preisempfehlungen zu sprechen, solange kein Zwang bestehe.
Es sei nach alldem geboten, die Revision zuzulassen.
Doch die Berufung hat keinen Erfolg, das KG verteidigt insoweit die Entscheidung des LG.
Der Unterlassungsanspruch sei gemäß §§ 33 GWB begründet und ergebe sich schon aus den unstreitigen Tatsachen.
Es sei mit den Parteien davon auszugehen, dass nach deutschem Kartellrecht geurteilt werden müsse, nicht nach europäischem Kartellrecht. Dieses sei nur anzuwenden, wenn die Handlungen der Parteien den Handel zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union stören würden. Dies sei nicht der Fall, da die Waren nur einen geringen Anteil am Gesamtmarkt ausmachten.
Die Beklagte habe den Versuch unternommen, auf unzulässige Weise ihre Preisempfehlung durchzusetzen, um ein Verhalten zu erzielen, das nicht Gegenstand einer Vereinbarung hätte werden können.
Ein unzulässiger Druck auf den Verkäufer entstehe schon dann, wenn der Mitarbeiter der Beklagten seine Verwunderung über die Preisgestaltung zum Ausdruck brachte. Dem Kläger sei die Preisempfehlung bekannt gewesen.
Es genüge im Einzelfall dieses Vorgehen, um einen Verstoß gegen das GWB festzustellen.
Es könne für die Feststellung unzulässigen Drucks schon reichen, dass ein Gespräch über die Preisgestaltung gesucht wird. Dies mache bereits deutlich, dass die Verkäufer beobachtet werden und es Folgen habe, wenn nicht der gewünschte Preis verwendet werde.
Je stärker das Machtgefälle zwischen Hersteller und Weiterverkäufer sei, je eher können schon Andeutungen als Drohung und Überwachung verstanden werden.
KG Berlin, Urteil vom 02.02.2012, Az. 2 U 2/06 Kart