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„Bald verfügbar“ als Lieferzeitangabe zu unbestimmt

Oberlandesgericht München, Urteil vom 17.05.2018, Az. 6 U 3815/17


„Bald verfügbar“ als Lieferzeitangabe zu unbestimmt

Das OLG München entschied am 17.05.2018, dass die Lieferterminangabe eines Online-Shop mit „bald verfügbar“ nicht ausreichend sei. Es sei erforderlich, weitere Angaben zum Lieferzeitraum oder zum spätestmöglichen Liefertermin mitzuteilen. Ansonsten würden die gesetzlichen Informationspflichten gegenüber den Verbrauchern nicht eingehalten. Auch sei eine Angabe wie „bald“ zu ungenau, da damit unterschiedliche Vorstellungen verbunden seien. Vielmehr sei den Verbrauchern bei Vorabbestellungen von noch nicht verfügbaren Artikeln eine Reservierungsmöglichkeit einzuräumen.

Wie ist im Onlinehandel der Lieferzeitraum bei noch nicht verfügbarer Ware anzugeben?
Kläger war ein rechtsfähiger Verbraucherschutzverband, Beklagte ein großer Händler von Unterhaltungselektronik. Dieser vertrieb seine Ware auch über einen Online-Shop. Während des Bestellvorgangs zu einem populären Smartphone erfolgte der Hinweis: „Der Artikel ist bald verfügbar. Sichern Sie sich jetzt Ihr Exemplar!“. Aufgrund der fehlender Angabe zum Liefertermin hielt der Kläger die  beworbene Ware für wettbewerbswidrig und strengte eine Unterlassungsklage an. Die Vorinstanz gab dem Klägerbegehren statt, woraufhin der Beklagte in Berufung ging. Seiner Meinung nach war der Unterlassungsantrag zu unbestimmt, weswegen der darauf basierende Urteilstenor zu weit gefasst und auslegungsfähig sei. Zudem habe das Gericht verkannt, dass im Onlinehandel der Gesetzeswortlaut einschränkend gelte und Bestellungen von noch nicht verfügbarer Ware seit Jahren übliche Praxis seien.

Verallgemeinerungen im Klageantrag zulässig, soweit Verletzungshandlung klar wird
Das OLG München erachtete den Klägerantrag als nicht zu unbestimmt. Denn im Unterlassungsantrag werde die konkrete Verletzungsform wiedergegeben. Durch den Zusatz „bis zu dem der Beklagte die Ware liefern muss“ sei der im Antrag verwendete Begriff „Termin“ hinreichend bestimmbar. Es werde klar, dass der Zeitpunkt gemeint sei, an dem die Lieferung spätestens zu erfolgen habe. Die Angabe eines Lieferzeitraums anstelle eines festen Termins führe dabei im Übrigen nicht zu einer Mehrdeutigkeit des Antrags. Denn dessen Ende sei auch im Antrag mit aufgenommen worden („bis zu dem … „) und somit hinreichend konkret gewesen. Unabhängig davon seien bei einer Antragsformulierung gewisse Verallgemeinerungen zulässig, sofern darin das Charakteristische der konkreten Verletzungshandlung zum Ausdruck komme.

Auch Entscheidungsgründe können für Auslegung eines Urteilsausspruchs herangezogen werden
Auch war der Unterlassungsantrag nach Ansicht des Gerichts nicht zu weit gefasst. Denn die im Antrag erwähnte Verletzungsform stelle ausschließlich auf ein Produktangebot mit Bestellmöglichkeit ab. Dies folge bereits aus dem Wortlaut ( … die Möglichkeit haben, Waren zu bestellen … „) und finde seine Entsprechung in der abgebildeten Internetwerbung. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass sich Inhalt und Reichweite eines Urteilsausspruchs nicht allein auf den Tenor beziehe, sondern zu dessen Verständnis auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen seien.

„Bald“ ist keine hinreichend klare und verständliche Terminsangabe
Das Gericht sah die gesetzlichen Verbraucherschutzregeln bei Fernabsatzverträgen verletzt. Denn die  verwendete Zeitangabe trage dem gesetzlich beabsichtigten hohen Verbraucherschutzniveau nicht hinreichend Rechnung. Das Gesetz verpflichte den Unternehmer zu Informationen wie die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie den Liefertermin. Mit der Angabe „Der Artikel sei bald verfügbar“ käme der Beklagte dieser Pflicht nicht im ausreichenden Maße nach. Denn der Verbraucher verbinde zwar damit die Vorstellung, dass die Warenlieferung in naher Zukunft versprochen werde. Einem Termin im Wortsinne entspreche die Angabe „bald“ allerdings nicht. Eine solche Terminsangabe sei weder hinreichend klar verständlich, noch ausreichend transparent. Der tatsächliche Lieferzeitpunkt bzw. -zeitraum bleibe vielmehr offen. Der Verbraucher könne den Fälligkeitszeitpunkt oder eine Lieferfrist nicht näher bestimmen. Somit sei der Verbraucher auch nicht in der Lage, den Unternehmer in Verzug setzen, wenn es doch nicht zur Auslieferung der versprochenen Ware komme.

Keine eingeschränkte Gesetzesgeltung im Onlinehandel
Das OLG konnte auch nicht erkennen, warum die gesetzliche Regelung im Onlinehandel einschränkend zu interpretieren sei. Denn zum einen lasse sich dies dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Zum anderen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die mit der Werbeaussage angesprochene Zielgruppe ausschließlich mit den Besonderheiten des Onlinehandels vertrauten seien. Denn grundsätzlich richte sich die Angabe „Der Artikel ist bald verfügbar!“ an alle Verbraucher.

Übliche Praxis nicht nachgewiesen
Das Gericht folgte auch nicht der Argumentation, zahlreiche Konkurrenten auf dem Markt würden in gleicher oder ähnlicher Weise ihre Produkte im Onlinehandel bewerben. Denn den Angaben konnte nicht entnommen werden, dass sie repräsentativ für die tatsächlichen Marktverhältnisse seien.

Bei nicht vorrätiger Ware sollte die Kundenreservierung möglich sein
Zudem entsprach das Gericht nicht dem Bedürfnis nach einer „Lockerung“ der Informationspflichten im Onlinehandel bei nicht vorrätiger Ware. Denn dem Beklagten wäre es unter Einhaltung dieser Pflichten unbenommen, vor verbindlicher Bestellung der Ware eine Kundenreservierung vorzunehmen. Er könne auch das Konto des Verbrauchers erst nach Auslieferung der bestellten Ware belasten. Somit müsse der Verbraucher auch nicht das Insolvenzrisiko des Lieferanten tragen.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 17.05.2018, Az. 6 U 3815/17


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