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Angabe der Flugzeiten in einer Reisebestätigung

BGH, X ZR 1/14


Angabe der Flugzeiten in einer Reisebestätigung

Am 16.09.2014 hat der auf das Recht des Reisevertrages und der Personenbeförderung spezialisierte zehnte Senat am Bundesgerichtshof einen unter dem Aktenzeichen – X ZR 1/14 – anhängigen Rechtsstreit durch Urteil in der Revisionsinstanz abschließend entschieden. Gestritten wurde darüber, ob konkrete Zeitangaben für Hin- und Rückflug zu den Informationen gehören, die für den rechtskräftigen Abschluss eines Reisevertrages den gesetzlichen Regeln nach unabdingbar notwendig sind.

Als Kläger trat dabei, wie in verschiedenen ähnlichen Klageverfahren, der Dachverband bundesdeutscher Verbraucherzentralen auf. Als Beklagter setzte sich eine Reiseveranstalterin gegen die vom Kläger geltend gemachten Rechtsansprüche zur Wehr.
Die Beklagte hatte mit einem Verbraucher einen Reisevertrag abgeschlossen, in dem nur die Daten von Hinreise und Rückreise, nicht aber die konkreten Uhrzeiten, zu denen die vom Vertrag mit umfasste Beförderung stattfinden sollte, angegeben worden waren. Dem abgeschlossenen Vertrag entsprechend, enthielt auch die von der Beklagten ausgestellte Reisebescheinigung keine Zeitangaben für die Hin- und Rückreise.
Aus der Sicht des Klägers wurde hier der Verbraucher durch einen Verstoß gegen die Vorschriften der BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) unangemessen benachteiligt. In § 6 Absatz 2, Ziffer 2 BGB-InfoV wird bestimmt, dass der Reiseveranstalter in der Reisebestätigung, die er dem Verbraucher nach Abschluss eines Reisevertrages auszustellen hat, über den „Tag, die voraussichtliche Zeit und den Ort“ von Reisebeginn und Reiseende informieren. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, da die Beklagte nur darauf hingewiesen hätte, dass genaue Flugzeiten noch nicht bekannt seien.

Die Klage wurde sowohl in erster Instanz als auch in der Berufungsinstanz abgewiesen. Gegen das Berufungsurteil legte der Kläger Revision ein. Die Revision wurde von den erkennenden Richtern des zehnten Senats am Bundesgerichtshof zurückgewiesen.
Der mit reiserechtlichen Auseinandersetzungen befasste X. Senat hatte schon im Dezember 2013 über einen ähnlichen Sachverhalt entschieden. Die Frage, ob durch die Regelung des § 6 Absatz 2 Nr. 2 der BGB-InfoV Zeitangaben erzwungen werden können, die noch nicht im Reisevertrag geregelt worden sind, hatten die Richter damals verneint. Auch ihr nun am 16.09.2014 verkündetes Urteil begründeten die Richter damit, dass die Vorschrift des § 6 BGB-InfoV kein Recht auf Informationen beinhalte, die nicht Bestandteil des zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Reisevertrages geworden sind. Die Beklagte darf bei Abschluss eines Reisevertrages die Bestimmung der konkreten Reise- und Beförderungszeiten keinem Dritten überlassen, aber sie darf im Einverständnis mit ihrem Vertragspartner, dem Verbraucher, die Zeitbestimmung zunächst noch offenlassen. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Die Feststellung, dass „genaue Flugzeiten noch nicht bekannt“ waren, ist in dieser Formulierung Bestandteil des Reisevertrages geworden. Der Verbraucher hat diese Vereinbarung durch Unterzeichnung des Vertrages akzeptiert. Er hätte im Rahmen seiner Vertrags-Abschlussfreiheit darauf verzichten können, die Reise zu buchen, wenn er sich durch die mangelnde zeitliche Eingrenzung benachteiligt gefühlt hätte.

Der Bundesgerichtshof sieht die Informationsvorschrift des § 6 BGB-InfoV nicht als Inhaltskontrolle für den Reisevertrag als solchen an. Akzeptiert der Verbraucher, dass bei Vertragsabschluss nur der Tag von Abflug und Rückflug, nicht aber die genaue jeweilige Uhrzeit bestimmt wurden, kann er die Zeitbindung nach Ansicht der Richter nicht nachträglich über die Vorschriften der Informationspflichtverordnung einführen.

Anders als in den Fällen, in denen Geschäfts- oder Reisebedingungen von Reisebüros und Reiseveranstaltern ursprünglich bei Vertragsschluss gemachte, konkrete Zeitangaben nachträglich für unverbindlich erklären und einem Dritten die Möglichkeit einräumen, die Zeit für den Abflug und den Rückflug neu zu bestimmen, liegt hier keine unzumutbare Benachteiligung des Verbrauchers vor. Der Verbraucher weiß nämlich schon bei Abschluss des Reisevertrages, dass die genauen Flugzeiten noch festgelegt werden müssen. Er kann sich also darauf einstellen, zwar an einem konkreten Tag, aber zu einer noch nicht bekannten Zeit zu fliegen. Wenn er diese Unwägbarkeit nicht hinnehmen möchte, steht es ihm frei, den konkreten, ihm angebotenen Reisevertrag nicht abzuschließen und nach einem besseren, ihm mehr zusagenden Angebot Ausschau zu halten.

BGH, Urteil vom 16.09.2014, Az. X ZR 1/14


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Kommentare (1)

  • Jochen Bauer Rechtsassessor Sindelfingen

    21 Dezember 2014 um 10:57 |
    Anmerkungen zu BGH, Urt. v. 16.09.2014 - X ZR 1/14, von Rechtsassessor Jochen Bauer Sindelfingen

    Die Entscheidung des BGH wirft m. E. mehrere nicht unwesentliche und vom BGH (leider) nicht erörterte Fragen auf.

    I. Zwar billigt der BGH dem Reiseveranstalter (VA) nach objektivierter Auslegung i.S. der §§ 133, 157 BGB ein sog. Leistungsbestimmungsrecht aus § 315 I BGB zu. Auf diese Flexibilität ist der VA auch angewiesen; weiß er doch oftmals selbst noch nicht - insbesondere bei einer Frühbuchung - welche genauen Flugzeiten später in Betracht kommen.

    1. Der VA darf jetzt also grundsätzlich die Flugzeiten, die ja bei Vertragsschluß (Wann kommt der Vertrag wirksam zustande? dazu unten) noch nicht bekannt waren, frei wählen. Und zwar jeweils bei Abflug und Rückkehr - im Rahmen von 0.00 - 23.59 Uhr.

    2. Gleichwohl hat der VA hierbei, was man auf den ersten Blick annehmen könnte, es aber nicht völlig in der Hand, nach seinem eigenen Gutdünken und ohne Rücksicht auf den Reisenden, die Flugzeiten "einseitig" zu bestimmen.

    a) Sollen die Flugzeiten - wie vorliegend - durch den VA bestimmt werden, so ist im Zweifel (weil nicht anderes vereinbart ist) anzunehmen, daß die Bestimmung derselben gemäß § 315 I BGB nach *billigem Ermessen* zu treffen ist.

    b) Das heißt nichts anderes, als daß der VA ein Auswahlermessen hat, daß er nach §315 III S. 1 BGB so vornehmen muß, daß die getroffene Bestimmung nur dann für den Reisenden verbindlich ist - und damit letztenendes der Vertrag auch erst im Sinne § 154 I S. 1 BGB verbindlich - also wirksam ist, wenn die getroffene Bestimmung auch der Billigkeit entspricht. Tut sie dies nämlich nicht, muß die Bestimmung nach § 315 III S. 2, 1. HS BGB durch das Gericht bestimmt werden, mit anderen Worten ist sie dann (zunächst) unwirksam. Gleiches gilt nach § 315 III S. 2, 2. HS BGB wenn die Bestimmung verzögert wird, d.h. dem Reisenden verspätet bekanntgegeben - also gem. § 315 II BGB dem Reisenden gegenüber erklärt wird.

    c) Für den Ausgangsfall bedeutet das, daß in beiden Fällen eine solche Vereinbarung - Flugzeiten noch nicht bekannt, nur wirksam ist, wenn A. das Auswahlermessen hinsichtlich der bestimmten Zeit *billig* umgesetzt UND B. die Konkretisierung der Leistungszeit auch *nicht verzögert* (ohne schuldhaftes Zögern= unverzüglich) mitgeteilt hat.

    A. Erste Frage: Wann ist die von VA zu treffende Auswahl *billig* ?

    Die Frage der Billigkeit ist im Zweifel - wie stets im gesamten Zivilrecht auch (der "vermeintliche Lückenbüßer" - eine solche des § 241 BGB:
    "Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern."

    Damit wird ersichtlich, daß der VA die Leistungszeit der beiden Beförderungsleistungen (Hin- und Rückflug) nur in diesem Sinne bestimmen darf - damit überhaupt ein wirksamer Beförderungsvertrag zustande kommen kann.

    Somit sind die jeweiligen Flugzeiten vom VA nicht "willkürlich" (ohne sachlichen Grund ) UND auch unter Berücksichtigung der "regelmäßigen Interessen" eines Reisenden ebenso angemessen auszuwählen.

    Somit ist zu folgern, daß der VA - im Interesse des Reisenden, der ja eine möglichst "ungekürzte Urlaubszeit" genießen will - bestrebt sein muß, die letztlich von ihm zu bestimmenden Flugzeiten, bei der Auswahlmöglichkeit unter mehreren Alternativen (die der VA ja regelmäßig hat), so zu legen, daß er mithin "schonend" mit der Urlaubszeit des Reisenden umgeht.

    Das Problem dabei, wird schnell erkannt, wenn man sich einmal folgende Fallkonstellation vergegenwärtigt: Hat der VA z.B. 2 verschiedene Flüge zur Auswahl, die zwar am gleichen Hin- und Rückflugtag liegen, aber zu unterschiedlichen Zeiten starten - Var. 1 Hin- und Rückflug jeweils um 7:00 Uhr Variante 2 um 14:00 Uhr - so muß er m.E. den Flug um 7:00 bestimmen; ansonsten würde er ohne eigene Not die Urlaubszeit seines Vertragspartners bei den Flugleistungen (Hauptleistungen nach BGH) um 2 x 7 Stunden verkürzen.

    Insoweit ist auch ein etwaiger Gegeneinwand des VA, der Reisende sei hier nicht schutzwürdig, da er ja aus "freien Stücken" auf die Festlegung einer bestimmten Flugzeit für Hin- und Rückflug verzichtet habe, unbeachtlich.

    Deswegen MUSS der VA insoweit, den für den Reisenden weniger "urlaubsverkürzenden" Flug auswählen und daher die Flugzeit wählen, die weniger Stark in den Urlaub einwirkt; in unserem Beispiel muß der VA also den Abflug um 7:00 Uhr wählen, beim Rückflug den um 14:00 Uhr.

    B. Zweite Frage: Mitteilungszeitpunkt der (zwischenzeitlich) bestimmten Flugzeiten?

    I. Auch ein weiteres Problem hat der BGH offengelassen. Nämlich die Frage, WANN der VA die zwischenzeitlich bestimmten Flugzeiten dem Reisenden gegenüber mitzuteilen hat.

    Auf einem gedachten Zeitstrahl, der sich denkmöglich nur innerhalb der von der Vereinbarung des Reisevertrages (t1) bis zum Abflug (t2) verstreichenden Zeit erstrecken kann, spielt sich die vom VA vorzunehmende Mitteilung an den Reisenden, irgendwo dazwischen ab.

    Im Ausgangsfall bediente sich der Veranstalter eines Formulars (AGB) mit dem Inhalt «Genaue Flugzeiten noch nicht bekannt!» sowie «Die aktuellen Flugzeiten entnehmen sie Ihren Flugtickets». Das Formular war Teil der Reisebestätigung.

    Insoweit könnte man wiederum einwenden, der VA könne die Mitteilung, weil vertraglich vereinbart, bis zu dem Zeitpunkt der Übersendung der Flugtickets "hinausschieben".

    Hiergegen sprechen jedoch 4 entscheidende Argumente:

    1. Während dem VA beim bewußten (vorläufigen) Offenlassen der Flugzeiten - eine Flexibilität in Bezug auf die Bestimmung derselben für die bislang nur nach Kalenderdatum festgelegten Hin- und Rückflugtage gewährt wird - ist es nur Recht und billig , daß demgegenüber auch der Reisende eine *gewisse Dispositionsmöglichkeit* als Pendant zur der dem VA eingeräumten Flexibilität, für seine Reiseplanung erhält. Entspricht dies doch auch und gerade dem "do ut des" des § 320 BGB - einem Rechtsgedanken der auch hier zum Tragen kommen muß, weil der Reisevertrag ein synallagmatischer ist und weil sich ansonsten die strukturelle Unterlegenheit des Reisenden noch vergrößern würde; wäre doch die dem Reisenden vorgegebenen Zeitenen, ansonsten für ihn nicht mehr angemessen und auch nicht mehr zumutbar.

    2. Darüber hinaus folgt - aus Sinn und Zweck der Regelung des § 315 III S.2, Var. 2 BGB - , daß der Reisende nämlich, sobald wie möglich wissen muß, wann er genau fliegt und wann er sich rechtzeitig zum check- des jeweiligen Fluges einzufinden hat, damit er insoweit für sich, noch die erforderliche Dispositionen treffen kann.

    3. Hat der VA sich auf dem Zeitstrahl, einmal festgelegt (dazu siehe oben), folgt dann schon aus § 315 III S.2 BGB, daß er die Mitteilung der Flugzeiten jetzt so vorzunehmen hat, daß *keine Verzögerungen* entstehen. M.E. ist diese Formulierung systematisch dahin auszulegen, daß er also grundsätzlich Verzögerungen vermeiden muß, die dem Reisenden nachteilig werden könnten.

    4. Beim Reisevertrag muß der VA gemäß § 651 a V S.1 BGB eine zulässige Änderung einer wesentlichen Reiseleistung - und das sind auch Flugzeiten der Hauptleistung Flug - unverzüglich nach Kenntnis von dem Änderungsgrund, erklären. Gilt dies für Änderungen, so muß dies erst Recht, auch für die Begründung der wesentlichen Reiseleistung gelten (arg. a minore ad maius).

    Insgesamt ist daher (aus diesen 4 Gründen) zu folgern, daß der VA ohne schuldhaftes Zögern und somit unverzüglich dem Reisenden die Flugzeiten mitzuteilen hat.

    5. Als Zwischenergebnis halten wir fest: Die vom VA nach § 315 I S. 1 BGB bestimmten Flugzeiten sind dem Reisenden unverzüglich mitzuteilen.

    Ausgeübt wird das Leistungsbestimmungsrecht des § 315 I S. 1 BGB durch die einseitige, empfangsbedürftige Gestaltungserklärung des VA gegenüber dem Reisenden, § 315 II BGB.

    Nur dann kann gemäß § 154 I S. 1 BGB der Beförderungsvertrag hinsichtlich der 2 Teilleistungen Hin- und Rückflug und damit der Reisevertrag insgesamt - auch ohne zunächst bestimmte Flugzeiten - wirksam werden. Ansonsten ist der Vertrag unwirksam.

    Ohne Bestimmung einer Zeit - die hier, der VA in zulässiger Weise bestimmt hat, gibt es keinen wirksamen Reisevertrag (vom Sonderfall des richterlichen Gestaltungsurteils einmal abgesehen; vgl. § 315 III S. 2, 1. Alt. BGB.

    II. Fazit: Die Entscheidung ist zutreffend.
    Daß allerdings ein Veranstalter regelmäßig das gesamte Zeitfenster von fast 24 Stunden auswählen dürfte ist die theoretische Ausnahme; das Gegenteil dürfte vielmehr die Regel sein. So hat doch der VA in der Regel Auswahlalternativen.

    Ass. jur. Jochen Bauer Sindelfingen

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