Anforderungen an bedingte Unterlassungserklärung
Gibt eine Partei eine Unterlassungserklärung ab, knüpft diese jedoch an spezielle einschränkende Bedingungen, muss dieses Dokument regelmäßig höhere Anforderungen erfüllen, als unbedingte beziehungsweise bedingungslose (gesetzliche) Unterlassungserklärungen.
Die Klägerin ist gegen eine unzulässige Werbeaussage der Beklagten vorgegangen. Diese hatte für eine Haarstoff-Mineral-Analyse geworben. Sie versäumte es jedoch, darzulegen, dass diese Analyse nicht auf wissenschaftlichen Studien basiert. Die Klägerin suchte im Vorfeld des Rechtsstreits die außergerichtliche Einigung, mahnte die Beklagte ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, jedoch mit der folgenden Einschränkung: "...sofern nicht - sinngemäß - darauf hingewiesen wird, dass die Aussagekraft der festgestellten Werte schulmedizinisch umstritten ist."
Die Klägerin gab sich mit diesem weitgefassten Zusatz nicht zufrieden und erhob die außergerichtliche Unterlassungserklärung zu einem Verfügungsantrag. Vor dem Landgericht führte die Klägerin aus, die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung sei zu weit gefasst, es handele sich um eine unklare Einschränkung. Nur eine Unterlassungserklärung mit genau bezeichneten Umständen könne eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise sicher ausschließen. Das Landgericht folgte dem Vortrag der Klägerin nicht und wies den Verfügungsantrag zurück. Die Klägerin habe sich auf keinen konkreten Verstoß bezogen, ihre Vorbehalte seien vor allem auf die vorgebrachte Irreführung zurückzuführen. Die Richter können keine unklaren Grenzen feststellen. Die Klägerin wendete sich mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen diese Entscheidung. Die Nichtabhilfeentscheidung des Gerichtes wurde der Antragsgegnerin (Beklage) zur Verfügung gestellt. Sie hat ihre Beteiligung in dem Rechtsstreit in der nächsten Instanz angezeigt und eine Stellungnahme eingereicht.
Die Berufungsinstanz folgt der Rechtsauffassung der Kollegen aus der Vorinstanz nicht. Das Verfügungsverfahren behandelt ausschließlich die konkret angeführte Verletzungsform. Die Antragstellerin hat glaubhaft dargelegt, dass die streitgegenständliche „Haarstoff-Mineral-Analyse“ nicht mit wissenschaftlich gesicherten Aussagen belegt ist. Die Antragsgegnerin bestreitet diese Tatsache offensichtlich nicht, da sie die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben hat, wenn auch nicht unbedingt bzw. bedingungslos. Das OLG stufte diese Unterlassungserklärung mit der streitgegenständlichen Einschränkung als nicht ausreichend ein, um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen. Die einschränkende Bedingung ist nicht abschließend genau formuliert und äußert sich nicht dazu, wie der Hinweis auf das Nichtvorhandensein wissenschaftlicher Studien zu erfolgen hat. In der Vergangenheit hatte eine Unterlassungserklärung bedingungslos beziehungsweise unbedingt zu erfolgen. Mittlerweile setzen sich Unterlassungserklärungen mit einschränkenden Bedingungen jedoch vermehrt durch. Nicht nur hinsichtlich der Ausübung des materiellen Rechts werden diese Teilunterwerfungen als unproblematisch eingestuft. Die Rechtsprechung geht mit dieser Thematik großzügiger um als in der Vergangenheit, vor allem in den Bereichen, die nicht auf das materielle Recht zurückzuführen sind.
Mit einer Unterwerfungserklärung wird immer nur die Einschränkung einer Wiederholungsgefahr erreicht, niemals jedoch deren kompletter Wegfall. Regelmäßig haben die Richter zu prüfen, ob angesichts dieser Einschränkungen an der Ernsthaftigkeit des Antragsgegners zu zweifeln ist oder nicht. Sie müssen prüfen, ob die Schuldnerin (Beklagte) ein berechtigtes Interesse an der einschränkenden Bedingung in der Unterlassungserklärung anführen kann, oder ob sie beabsichtigt, die Anspruchsverfolgung der Verfügungsklägerin zu erschweren. Unstreitig ist jedoch, dass der Gläubigerin (Klägerin) solche Bedingungen nicht zumutbar sind, die unklare Grenzen aufzeigen und damit in eine Grauzone führen, um den gesetzlichen Anspruch letztendlich doch noch zu umgehen. Um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen, muss eine Unterlassungserklärung mit einschränkenden Bedingungen die Auflagen der gesetzlichen Unterlassungserklärung erfüllen. Bei dieser Art der Unterlassungserklärung handelt es sich um eine Teilunterwerfung, die nur dann die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, wenn sie eindeutig von dem unbedingten bzw. bedingungslosen (gesetzlichen) Unterlassungsanspruch abzugrenzen ist. Die einschränkende Bedingung der Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin (Verfügungsbeklagte) als Teilunterwerfung ist nur dann zulässig, wenn diese Bedingung eindeutig abgrenzbar ist, um spätere Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Zweifel über die Reichweite der Unterlassungserklärung sollen nicht auftreten. Ein Raum für Interpretation darf demzufolge nicht vorhanden sein.
Die OLG-Richter stellen fest, dass die Unterwerfungserklärung der Verfügungsbeklagten diesen Klarheits- und Abgrenzungserfordernissen nicht gerecht wird. Der Vorbehalt der Verfügungsbeklagten reicht nicht aus, um die Unterlassungserklärung aus dem Irreführungs- und Unterlassungskernbereich herauszuführen. Nur wenn der Vorbehalt ausreichend gewesen wäre, um alle Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Verfügungsbeklagten auszuräumen, wäre der gesetzliche Unterlassungsanspruch durch den Streitgegenstand erfüllt. Die Beschwerde der Verfügungsklägerin ist daher begründet und führt zur Anordnung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO „Gang des Beschwerdeverfahrens“, Abhilfe von Amts wegen.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.12.2015, Az. 2 W 46/15