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Amazon: Prüfpflichten bei Verwendung derselben „ASIN“

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.12.2019, Az. 6 U 182/18


Amazon: Prüfpflichten bei Verwendung derselben „ASIN“

Auf der Handelsplattform Amazon Marketplace ist es möglich, dass zwei Händler dieselbe Produktbeschreibung zu einem Artikel teilen, wenn sie dieselbe „ASIN“ für ein identisches Produkt verwenden. Das OLG Frankfurt a. M. entschied mit Urteil vom 05.12.2019, dass es Händlern zugemutet werden kann, dass sie diese Produktbeschreibung regelmäßig überprüfen.

Hintergrund zum Amazon Marketplace: was ist eine „ASIN“?
Der erste Händler, der ein bestimmtes Produkt auf dem Amazon Marketplace anbietet, gibt eine Produktinformation ein, wobei dem Produkt dann eine Nummer, die sogenannten ASIN (Amazon Standard Identification Number) zugewiesen wird. Unter dieser ASIN können dann die entsprechenden Angebote gefunden werden. Der nächste Händler, der das identische Produkt anbietet, kann entweder eine neue ASIN anlegen oder sich an die bereits bestehende ASIN „anhängen“. Dadurch entsteht ein Katalog, der unter dieser ASIN alle schon vorhandenen Angebote anderer Anbieter enthält.

Verwendung derselben ASIN: Probleme wegen nachträglichen Änderungen
Zwei Anbieter von Produkten der Satellitenantennentechnik stritten über marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit eben diesem „Anhängen“ an ein Angebot des Konkurrenten auf Amazon. Dabei klagte der Inhaber der Wortmarke „Premium X“ gegen die Inhaberin der Wortmarke „TomTrend“. Der Rechtsstreit begann jedoch schon vorher. Zunächst richtete die Beklagte an den Kläger eine Berechtigungsanfrage wegen der Nutzung ihrer Marke „TomTrend“ in 46 Verkaufsangeboten, darunter auch die zwei streitgegenständlichen Angebote einer „Mastschelle“ und eines „F-Steckers“. Daraufhin meldete der Kläger dem Plattformbetreiber Amazon unter Nennung der jeweiligen ASIN, dass die Angebotsbeschreibungen nachträglich dahingehend geändert wurden, dass nun statt seiner Kennzeichnung „Premium X“ die Kennzeichnung „TomTrend“ darin erscheine. Auch die Beklagte bot zwei verschiedene „Mastschellen“ unter denselben ASIN wie der Kläger an. In den Angeboten wurde die Marke des Klägers „Premium X“ verwendet. In einem der zwei Angebote fand sich auch die Marke „TomTrend“. Der Kläger veranlasste Testkäufe bei der Beklagten, durch die er feststellte, dass es sich nicht um Produkte seiner Marke „Premium X“ handelte.

Umfangreicher Streit über die jeweils gegnerische Markennutzung
Der Kläger behauptete, er habe ursprünglich die Beschreibungen der Angebote erstellt. Der Beklagte habe diese Produktbeschreibungen angeblich „gekapert“, indem er darin seine Marke „TomTrend“ eingefügt habe. Andererseits behauptete die Beklagte, der Kläger habe erst dafür gesorgt, dass die mit „TomTrend“ versehenen Produktbeschreibungen unter den in Rede stehenden ASIN von Amazon nachträglich mit der Klagemarke „Premium X“ versehen wurden. Dadurch habe er eine Markenverletzung der Beklagten provozieren wollen. Die Beklagte erwirkte zunächst eine einstweilige Verfügung, mit der dem Kläger die Verwendung der Marke „TomTrend“ und das Ersetzen dieser Marke durch „Premium X“ untersagt wurde. Diese Verfügung wurde inzwischen wieder aufgehoben. Auch der Kläger ging im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen die Beklagte vor. In der Verfügung wurde der Beklagten untersagt, die Marke des Klägers zu verwenden und in seinen Angeboten verschiedene Marken zu bewerben. Die Verfügung wurde mittlerweile durch Urteil aufgehoben, da kein Verfügungsgrund vorlag. Nach Klageerhebung durch den Kläger urteilte das Landgericht, die Beklagte habe die Verwendung der Bezeichnung „Premium X“ zu unterlassen und dürfe bestimmte Angebote des Klägers nicht, wie geschehen, durch nachträgliche Änderungen übernehmen. Sie dürfe in bestimmten Angeboten ihre Produkte nicht durch unterschiedliche Marken bewerben und anbieten.

Störerhaftung auf Amazon: Prüfungspflicht beim „Anhängen“ an eine ASIN
Hiergegen legte die Beklagte – teilweise erfolgreich – Berufung ein. Nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung seiner Marke „Premium X“ habe, da von einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr auszugehen sei. Die Beklagte sei für die streitgegenständlichen Angebote zumindest unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung verantwortlich. Insoweit wies das OLG Frankfurt a. M. die Berufung der Beklagten zurück. Wer willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des Markenrechts beitrage, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, sei als „Störer“ zu betrachten. Die Haftung als „Störer“ setze voraus, dass eine Prüfpflicht verletzt wurde. Der Umfang der Prüfpflicht sei danach zu bestimmen, inwieweit dem Störer nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei. Die Beklagte erfülle diese Voraussetzungen, indem sie einen Artikel auf Amazon eingestellt habe, der die Produktbeschreibung und Marke des Klägers aufgewiesen habe. Die Beklagte müsse überwachen und prüfen, ob an den Produktbeschreibungen Veränderungen vorgenommen werden. Diese Pflicht habe sie verletzt und hafte dadurch als Störer für die Markenverletzung.

Überprüfung nur alle 5 Wochen ist jedenfalls zu spät
Es sei in Händlerkreisen bekannt, dass auf dem Amazon Marketplace Angebote für ein bestimmtes Produkt durch andere Händler geändert werden können. Dadurch bestehe die Gefahr, dass ursprünglich richtige und zulässige Angebote durch Handlungen Dritter in rechtsverletzender Weise geändert werden. Es sei der Beklagten zuzumuten, ein Angebot regelmäßig auf rechtsverletzende Änderungen zu überprüfen, wenn es über einen längeren Zeitraum eingestellt werde. Diese Prüfpflicht bestehe, ohne dass erst ein Hinweis auf eine Rechtsverletzung durch ein bestimmtes Angebot erfolgen müsse. Die Häufigkeit und der Umfang der erforderlichen Prüfungen müsse verhältnismäßig sein, wobei jedenfalls eine Überprüfung erst nach 5 Wochen zu spät sei. Die Beklagte habe vorliegend sogar in Kenntnis der Änderungen der Angebotsbeschreibung (Hinzufügen der Marke „Premium X“), diese weiterhin verwendet bzw. sich weiterhin an diese ASIN angehängt. Die Beklagte hätte davon Abstand nehmen müssen, unter der fremden Marke Produkte anzubieten.

Keine „gezielte Behinderung“ durch nachträgliche Eingabe der eigenen Marke
Der Kläger könne von der Beklagten jedoch nicht verlangen, das „Übernehmen“ der Angebote des Klägers durch Einfügung ihrer Marke „TomTrend“ zu unterlassen. Insoweit hob das OLG Frankfurt a. M. das angefochtene Urteil auf und wies die Klage ab. Es stehe fest, dass die Beklagte die Angebote unter der „gemeinsamen“ ASIN, an die sie sich angehängt hatte, nachträglich mit der Bezeichnung „von TomTrend“ versehen hatte. Darin sei jedoch keine „gezielte Behinderung“ im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG zu sehen. Weil es in Händlerkreisen eben bekannt sei, dass Angebote auf dem Amazon Marketplace von den Akteuren durch Eingabe ihre Marke verändert werden können, könne nicht von einer gezielten Mitbewerberbehinderung ausgegangen werden. Beispielsweise könne es sich auch um ein „verwaistes“ Angebot des Erstellers handeln, der dieses gar nicht mehr intensiv nutzt. Nach der Rechtsprechung des BGH bestehe eine Prüfpflicht für Händler auf dem Amazon Marketplace. Angebotsbeschreibungen müssen von Zeit zu Zeit überprüft werden. Wenn ein Dritter eine fremde Marke eingefügt habe, müssen dann Konsequenzen gezogen werden. Das Verändern der Angebotsbeschreibung an sich könne grundsätzlich nicht als gezielte Behinderung eingestuft werden.

Keine Irreführung durch zweierlei Marken im selben Angebot
Der Kläger können außerdem auch nicht verlangen, dass die Beklagte es unterlasse, in Amazon-Angeboten zu einer bestimmten ASIN verschiedene Marken zu verwenden. In dem beanstandeten Angebot stehe unterhalb der Hauptüberschrift: „von Premium X“. Im Beschreibungstext finde sich die Angabe „Qualität von TomTrend“. Ein Käufer könne dadurch nicht erkennen, welchem Herkunftsbetrieb die Ware zuzuordnen sei. Für den angesprochenen Verkehrskreis sei die Beschreibung in diesem Punkt „unstimmig“. Daraus ergeben sich aber keine weiteren Fehlvorstellungen, die zu einer Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG führen würde.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.12.2019, Az. 6 U 182/18

von Jacqueline Dischler, LL.M.


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