Amazon krallt sich (ungefragt) Händlerware
Händler die ihre Waren über Amazons Marketplace anbieten, haben kein einfaches Leben. Marken-, urheber- und auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen gehören schon fast zum Alltag. Dem noch nicht genug, macht es Amazon seinen Händlern unnötig schwer, ihren Handel rechtskonform auszurichten. Zudem ist hier bekannt, dass Amazon zum Teil erheblichen Druck ausübt, um interessante und umsatzstarke Produkte bei Amazon in eigenem Namen zu verkaufen.
Trotzdem begeben sich Marketplace-Händler, mit allen Vorteilen, die Amazon bietet, in eine scheinbar immer stärker werdende Abhängigkeit zum Handelsgiganten und haben sich darüber hinaus regelmäßig mit Amazons bitteren Pillen zu arrangieren.
So auch jetzt wieder. Mit einer Änderung der Nutzungsbedingungen ermöglicht sich Amazon selbst nun den Zugriff auf Waren, die der Hersteller an Amazon niemals liefern wollte und baut seine Marktmacht auf Kosten der einzelnen Marketplace-Händler weiter aus.
Welche Änderungen gab es?
Von vielen Händlern unbemerkt findet sich in den „Versand durch Amazon“-Einstellungen nunmehr plötzlich die standardmäßig aktive Einstellung „Kauf meines Lagerbestandes durch Amazon genehmigen“. In den „weiteren Informationen“ zu dieser Einstellung ist zu lesen, dass Amazon im Falle eines Kaufes des entsprechenden Produkts sich selbst eine Rechnung im Namen des Verkäufers ausstellt.
Somit betrifft diese (ungefragt) aktive Einstellung alle diejenigen Händler auf dem Amazon-Marketplace, die ihre Ware (auch) im Amazon-Lager bereithalten, um den Logistik-Service von Amazon („Fulfillment by Amazon“) für diese Ware (FBA-Ware) zu nutzen. Ändert der Händler den "Versand durch Amazon" und sendet seine Artikel in ein Amazon Fulfillment-Lager, kann Amazon diese FBA-Ware nicht nur auf Amazon.de, sondern auch auf Amazon.it, Amazon.es, Amazon.uk.co und Amazon.fr anbieten, ohne dass der Händler den Verkauf auf diesen EU-Plattformen zusätzlich genehmigen muss.
Auf diese Weise greift der Handelsgigant nach Waren, die ihm eigentlich vom Hersteller verwehrt wurden – oftmals mit guten Gründen- und baut sein eigenes Produktangebot ungefragt und ohne großes Aufsehen hierdurch deutlich aus.
Angeblich hatte Amazon auf die Einführung der „Kauf meines Lagerbestandes durch Amazon genehmigen“ Funktion in seinem Händlerportal „Seller Central“ hingewiesen. Wenn dem so war, dürfte dies jedoch kaum ein Händler zur Kenntnis genommen haben, wie uns berichtet wird.
Wo liegen die Probleme?
Unabhängig davon, dass Amazon bei seinem eigenen Machtstreben offensichtlich keinerlei Skrupel gegenüber den Marketplace-Partnern kennt und man bei einem derartigen Vorgehen von einem völligen Fehlen von kaufmännischem Ehrgefühl sprechen kann, sind diese Einstellungen nicht nur für Hersteller ärgerlich, die Amazon ihre Ware bis dato verweigerten.
Für Marketplace-Händler wird die aktive Einstellung „Kauf meines Lagerbestandes durch Amazon genehmigen“ insbesondere dann gefährlich, wenn sie bei bestimmten Produkten in selektive Vertriebssysteme der Hersteller eingebunden sind. Verletzungen bestehender Vertriebsvereinbarungen und daraus erwachsende Konsequenzen werden in allererster Linie den Marketplace-Händler treffen, insbesondere in Bezug auf seinen Lieferanten oder den Hersteller. Typischerweise hat der Marketplace-Betreiber, in diesem Fall Amazon, damit gar nichts zu tun. Ausschließlich der Händler ist in der Pflicht, die Vereinbarkeit seines Handelns mit den selektiven Vertriebswegen der Hersteller als Vertragspartner konform auszurichten. Verstößt er gegen diese selektivvertraglichen Abmachungen, drohen ihm Vertragsstrafen oder gar der Rauswurf aus dem selektiven Vertriebssystem des Herstellers. Schließlich wird der Marketplace-Händler (ohne sein Wissen und Wollen) zum Großhändler.
Fazit
Letztendlich treibt diese Einstellung zahlreiche Händler in den Rechtsbruch. Amazon- Marketplace-Händler sollten daher dringend die Einstellung „Kauf meines Lagerbestandes durch Amazon genehmigen“ auf die Verträglichkeit mit eventuell bestehenden vertraglichen Beziehungen zu ihren Herstellern und Lieferanten überprüfen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie sich auf Grund der Aktivierung der Einstellungen finanziellen Forderungen von Vertragspartnern ausgesetzt sehen oder -im schlimmsten Fall- bald keine Ware mehr haben, die sie bei Amazon einlagern können.