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Amazon: Haftung angehängter Verkäufer

OLG Hamm, Urteil vom 25.08.2016, Az. 4 U 1/16


Amazon: Haftung angehängter Verkäufer

Angehängte Verkäufer haften für Verletzungen gesetzlicher Informationspflichten auf den Produktseiten von Amazon als Täter. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 25. August 2016 (Az. 4 U 1/16) entschieden.

Bei Amazon erstellt der erste Händler, der ein bestimmtes Produkt anbietet, eine Produkt-Detailseite mit Angaben zum Artikel. Will später ein Mitbewerber auf Amazon dasselbe Erzeugnis verkaufen, darf er keine eigene Produktseite anlegen. Vielmehr muss er sein Angebot an die vorhandene Seite anhängen. Er kann die Produktangaben auf der Detailseite zwar bearbeiten, hat aber keine Garantie, dass Amazon die Änderungen übernimmt. Mit dieser Politik will Amazon erreichen, dass sich der Produktkatalog aus Verbrauchersicht möglichst einheitlich und vergleichbar präsentiert. Für den Anbieter ist das Anhängen allerdings eine Quelle von Ärger und Abmahnungen.

Sachverhalt
Die Beklagte vertreibt Radsport-Artikel. Auf Amazon bot sie als angehängte Verkäuferin eine Fahrradhalterung von Thule an. In der Produktbeschreibung war zu lesen, der Artikel habe "5 Jahre Garantie". Angaben, wer der Garantiegeber ist und wo die Garantie gilt, fanden sich ebenso wenig wie ein Hinweis, dass die gesetzliche Gewährleistung erhalten bleibe. Die Klägerin, eine Fahrrad-Händlerin, war der Meinung, ihre Konkurrentin verstoße durch die fehlenden Angaben gegen die gesetzlichen Informationspflichten. Nach erfolgloser Abmahnung klagte sie vor dem Landgericht Bochum auf Unterlassung.
Die Beklagte wehrte sich mit dem Argument, Amazon habe die Produkt-Detailseite erstellt. Als angehängte Verkäuferin habe sie keinen Einfluss auf die Produktbeschreibung gehabt. Außerdem erachtete sie das Vorgehen der Klägerin als rechtsmissbräuchlich. Diese hatte alle angehängten Anbieter, nicht aber Amazon als Erstellerin der Produktseite abgemahnt. Die Beklagte interpretierte das Verhalten der Klägerin so, dass sie eine Haftungsfalle errichten wolle, um möglichst hohe Erträge aus Vertragsstrafen zu generieren.
Das Landgericht Bochum war anderer Ansicht und gab dem klägerischen Unterlassungsantrag statt. Dagegen erhob die Beklagte Berufung an das Oberlandesgericht Hamm.

Aus den Gründen
Das Oberlandesgericht wirft der Beklagten vor, die vorvertraglichen Informationspflichten des Fernabsatzrechts verletzt zu haben. § 312d Abs. 1 BGB verlange in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Ziff. 9 EGBGB, dass der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen den Verbraucher vor Vertragsschluss über Bestehen und Bedingungen von Garantien unterrichte. Der Begriff "Bestehen" in Art. 246a § 1 Abs. 1 Ziff. 9 EGBGB setze lediglich die Existenz einer Garantieerklärung voraus, eine Garantie müsse noch nicht vertraglich vereinbart sein.
Die Angabe "5 Jahre Garantie" verstehen die Richter als Garantieerklärung des Verkäufers und nicht als Hinweis auf eine Herstellergarantie. Somit verstoße die Beklagte auch gegen § 477 Abs. 1 BGB. Diese Bestimmung fordert, dass die Garantieerklärung einen Hinweis auf das Weiterbestehen der gesetzlichen Gewährleistungsrechte sowie Angaben über den Garantiegeber und den räumlichen Geltungsbereich der Garantie enthält.
Für den Senat haftet die Beklagte für die Verletzung der gesetzlichen Informationspflichten als Täterin. Aus Nutzersicht werbe sie mit dem Produkttext für ihr Angebot. Sie habe dieses selbst auf Amazon eingestellt. Ihr Handeln sei daher adäquat kausal für die mangelhafte Information der Verbraucher. Die Beklagte habe sich, um die Vorteile von Amazon als Verkaufsplattform zu nutzen, der Bedingung unterworfen, dass die Gestaltung der Produkt-Detailseite Amazon vorbehalten sei. Sie habe entsprechend mit potenziellen Fehlern bei den Produktinformationen rechnen müssen. Dass nach der Entfernung ihres Angebots die wettbewerbswidrigen Angebote anderer angehängter Händler weiterexistierten, unterbreche den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen ihrem Handeln und dem Wettbewerbsverstoß ebenso wenig.
Im Übrigen verneint das Oberlandesgericht Hamm ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin. Ein Rechtsmissbrauch setze eine überwiegend sachfremde Motivation zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs voraus. Allein der Umstand, dass die Klägerin nur gegen angehängte Anbieter, nicht aber gegen Amazon vorgegangen sei, lasse nicht auf sachfremde Interessen schließen. Zumal es der Beklagten freistehe, Amazon selbst auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.

OLG Hamm, Urteil vom 25.08.2016, Az. 4 U 1/16


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