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Abwarten von zwei Monaten ist für einstweilige Verfügung zu spät

Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 13.11.2018, Az. 3 W 2064/18


Abwarten von zwei Monaten ist für einstweilige Verfügung zu spät

Mit Beschluss vom 13.11.2018, Az. 3 W 2064/18 entschied das Oberlandesgericht Nürnberg, dass für den Antrag einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung das Abwarten von zwei Monaten nach Kenntniserlangung der Rechtsverletzung dringlichkeitsschädlich sei. Es fehle daher an einem Verfügungsgrund. Daran ändere auch eine im Vorfeld telefonisch erfolgte Zusicherung bezüglich der Abhilfe der Rechtsverletzung durch die Sphäre des Antragsgegners nichts.

Negative Rezension auf Google
Der Rechtsstreit betrifft eine negative Rezension auf Google, welche von einem Patienten (Antragsgegner) hinsichtlich der Behandlung durch einen Physiotherapeuten (Antragsteller) verfasst wurde. Hierin hieß es: „Für die 117,00 € die er verlangt hat, hat er zudem versucht, mich von Gott zu überzeugen... Zudem hat er mir Melantonin mitgegeben (natürlich zusätzliche Bezahlung) die mir absolut nicht gutgetan haben.“ Diese Bewertung wollte der Antragssteller nicht hinnehmen, weshalb er den Antragsgegner diesbezüglich abmahnte. Zwei Wochen nach der erfolgten Abmahnung erhielt der Antragsteller einen Anruf von dem angeblichen Bruder des Beitragsverfassers. In diesem Telefonat einigten sich die Beteiligten darauf, dass der Antragsgegner die Bewertung vollständig löscht, die entworfene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und einen Schadensersatz in Höhe von 200,00 € bezahlt.

Landgericht wies Begehren mangels Dringlichkeit zurück
Zu diesen Zusicherungen kam es allerdings nicht. Aus diesem Grund erhob der Antragsteller beim Landgericht Nürnberg-Fürth aufgrund der seiner Ansicht nach erfolgten Persönlichkeitsrechtverletzung den Erlass einer einstweiligen Verfügung bezüglich der gegenständlichen Rezension. Damit hatte er aber keinen Erfolg. Das angerufene Landgericht wies das Begehren mit Beschluss vom 08.10.2018, Az. 11 O 6394/18 zurück. Dies wurde seitens des Gerichts mit der fehlenden Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes begründet. Der Antragsteller habe länger als vier Wochen nach der Kenntniserlangung von der negativen Bewertung zugewartet, bis er die Rechtsverletzung geltend gemacht habe. Hieraus lasse sich schließen, dass dem Begehren keine Dringlichkeit zukomme, so das Gericht.

Oberlandesgericht bestätigte Entscheidung der Vorinstanz
Der Antragsteller ging im Weiterhin gegen das landgerichtliche Urteil mit einer sofortigen Beschwerde vor. Sein Ziel war es, dem Antragsgegner das Unterlassen eines solchen Kommentars aufzuerlegen, ihm für den Fall einer Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen sowie den veröffentlichten Beitrag in der Gestalt abzuändern, dass er nicht mehr die Behauptungen, der Antragsteller wollte den Antragsgegner von Gott zu überzeugen und verlangte für den Behandlungstermin sowie das mitgegebene Medikament eine Vergütung, vorweise. Diesen Forderungen kam das Oberlandesgericht Nürnberg, welches mangels der Abhilfe der sofortigen Beschwerde durch das Landgericht mit dem Verfahren betraut war, jedoch nicht nach. Vielmehr bestätigte es die vorherige Entscheidung.

Kriterien für Dringlichkeit einer Entscheidung
Insgesamt sei die sofortige Beschwerde zwar zulässig, erweise sich aber als unbegründet, so das Gericht. Auch dessen Ansicht nach fehle es an der Darlegung eines Verfügungsgrundes. Es führte an, dass es für den Erfolg einer einstweiligen Beschwerde grundsätzlich eines Verfügungsanspruchs sowie eines Verfügungsgrundes bedürfe. Während sich ersterer durchaus aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts herleite, sofern sich die Behandlungsumstände als nicht zutreffend erweisen, sei letzterer gemäß §§ 935, 940 ZPO nur zu bejahen, wenn das Begehren des Antragstellers dringlich sei und diesem nicht zugemutet werden könne, den Weg des Hauptsacheverfahrens einzuschlagen und hierbei auf den Erlass eines Vollstreckungstitels zu warten. Es bedürfe einer objektiv begründeten Besorgnis, dass die Verwirklichung seines Rechts drohe, sodass er zur Sicherung seines Anspruchs eine schnelle und vorläufige Entscheidung benötige (vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.03.2012, Az. I-15 U 193/11). Das Interesse des Antragstellers müsse die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung insgesamt überwiegen, wobei zu berücksichtigen sei, welche Folgen der Rechtsverletzung bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei diesem erwachsen würden, ob diese Nachteile nachträglich kompensiert werden könnten und wann mit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu rechnen sei (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.06.2018, Az. 3 W 1013/18).

Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durch Antragsteller
Nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts rechtfertigten die Umstände des Geschehens eine solche Dringlichkeit aber nicht. Grund hierfür sei, dass der Antragsteller nach dem Eintritt der Gefährdung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die streitgegenständliche Rezension im Juli zu lange mit seinem Begehren gewartet habe. Trotz der Kenntniserlangung von der Verletzungshandlung Anfang August und der darauffolgenden Abmahnung des Antragsgegners Mitte August, habe er erst rund zwei Monate später, nämlich Anfang Oktober, den Antrag auf eine einstweilige Verfügung bei Gericht eingereicht. Dies indiziere, dass das Unterlassungs- sowie Löschungsverlangen seinerseits nicht eilig gewesen sei.

Ab wann ist das Abwarten dringlichkeitsschädlich?
Zwar existiere für die Behauptung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung keine generelle Regel, in welchem Zeitraum der Antrag auf eine einstweilige Verfügung bei Gericht nach Kenntniserlangung der Rechtsverletzung sowie Aussprache einer erfolglosen Abmahnung eingegangen sein muss, um der Dringlichkeitsanforderung Folge zu leisten. Wie lange der Antragsteller in einem solchen Fall zuwarten dürfe, hänge grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.07.2018, Az. 18 W 858/18). Dennoch könne man sich, selbstverständlich unter der Berücksichtigung der Einzelfallumstände, an den Fristen im Wettbewerbsrecht und in Pressesachen als Richtwert orientieren, so der Senat. Dies erleichtere die Rechtsanwendung und die Berechenbarkeit gerichtlicher Entscheidungen.

Orientierung an bisheriger Rechtsprechung
So gestatte sich im Geschehen auch ein Rückgriff auf die ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg im Wettbewerbsrecht (Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 07.11.2017, Az. 3 U 1206/17) sowie der anderer Oberlandesgerichte in Pressesachen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2015, AZ. 6 U 156/14; OLG Koblenz, Urteil vom 10.01.2013, Az. 4 W 680/12), wonach in der Regel ein Zuwarten von mehr als einem Monat dringlichkeitsschädlich sei. Daher hätte ein Verfügungsgrund im Streitfall nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabes weder dargetan noch glaubhaft gemacht werden können.

Telefonanruf änderte nichts an Entscheidung
Daran ändere auch das angeblich stattgefundene Telefonat zwischen dem Antragsteller und dem Anrufer, der sich als Bruder des Antragsgegner ausgegeben habe, Ende August nichts. Dieser Umstand führe gerade nicht dazu, dass sich das Abwarten von zwei Monaten mit Blick auf den Verfügungsantrag rechtfertige. Zwar habe der Antragsteller alsbald nach Kenntniserlangung der Rechtsverletzung eine Abmahnung ausgesprochen, was einen für die Dringlichkeit relevanten Faktor darstelle. Allerdings widerspreche das Abwarten von Ende August (Telefonat) bis Anfang Oktober den Anforderungen eines zügigen Betreibens des Verfahrens. Auch wenn der Antragsteller im Moment des Anrufs auf die richtige Identität des Anrufers und dessen Zusicherungen vertraut habe, so hätte er infolge des zeitnahen Nicht-Eintritts der Versprechungen schon eher gerichtlich gegen die von ihm behauptete Rechtsverletzung vorgehen müssen. Daher sei die sofortige Beschwerde vom Oberlandesgericht zurückzuweisen.

Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 13.11.2018, Az. 3 W 2064/18

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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