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Abgrenzung des Strukturvertriebs vom Schnellballsystem

OLG Frankfurt vom 21.01.2016, Az. 6 W 7/16


Abgrenzung des Strukturvertriebs vom Schnellballsystem

Ein Strukturvertrieb unterscheidet sich von einem strafbaren Schneeballsystem, weil Teilnehmer eines Strukturvertriebes alleine durch den Verkauf von Produkten Gewinne erzielen können und nicht zwingend darauf angewiesen sind, weitere Verkäufer anzuwerben.
Ein Unternehmen vertreibt Uhren, Schmuck, Nahrungsergänzungsmittel und weitere Produkte im Direktvertrieb durch selbständige Vertriebspartner. Diese erhalten für verkaufte Produkte eine Provision. Weiterhin sind diese Verkäufer gehalten, weitere Vertriebspartner zu werben, an deren Umsätzen sie dann ebenfalls prozentual beteiligt sind. Der klagende Antragsteller sieht in dieser Konstruktion die Strukturen eines verbotenen Schneeballsystems.

Die Struktur des Vertriebs basiert zunächst auf einer Online-Registrierung als Vertriebspartner. Nach der Registrierung wird dem neuen Vertriebspartner ein "Tracking Center" (TC) zugeordnet, dieses ist die Basis für alle Provisionen, Vergütungen und Auszahlungen.
Weitere Vertriebspartner sollen angeworben werden. Der Werber profitiert dann nicht nur von den direkt gewonnenen neuen Verkäufern, sondern auch von den wiederum durch diese angeworbenen Vertriebspartnern, sodass die Summe der Provisionen im Idealfall immer weiter steigt, ohne dass der Werber erneut neue Vertriebspartner anwerben müsste.

Allerdings muss der Vertriebspartner sein TC "qualifizieren", indem er Waren und Dienstleistungen in einem festgelgten Volumen beim Unternehmen kauft. Diese Waren muss er nicht weiterverkaufen, er kann sie auch zum persönlichen Gebrauch erwerben.
Außerdem muss er zwei "aktive" Vertriebspartner anwerben, die ebenfalls Waren und Dienstleistungen im festgelegten Umsatz ankaufen.
Für diese neu angeworbenen Vertriebspartner gelten wiederum die gleichen Bedingungen wie für den, der sie angeworben hat. Somit hat jeder neue Vertriebspartner ein Interesse, mindestens zwei neue Teilnehmer zu werben, um dann von deren Umsätzen profitieren zu können.
Die Klage stützt sich auf das "Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb" (UWG) § 3, Absatz 3. Dort heißt es im Anhang zu § 3 Abs. 3 im Punkt 14 "Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 sind (...) die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförderung, bei dem vom Verbraucher ein finanzieller Beitrag für die Möglichkeit verlangt wird, allein oder hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System eine Vergütung zu erlangen (Schneeball- oder Pyramidensystem)". Noch deutlicher wird der Klagepunkt im § 16, Absatz zwei des UWG mit dem Titel "Strafbare Werbung": "Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Auf den ersten Blick scheint es, als würde dieser Gesetzestext exakt auf das beklagte Unternehmen zutreffen. Dem hält das Gericht entgegen, es sei eine "Abgrenzung zwischen zulässigen Strukturvertrieben und unzulässiger progressiver Kundenwerbung notwendig". Nach Ansicht des Gerichtes handelt es sich bei der Konstruktion des beklagten Unternehmens nicht um ein Schneeballsystem, weil die Vertriebspartner sich ganz auf den Kauf und Verkauf der Waren und Dienstleistungen beschränken können, sie sind somit nicht gezwungen, neue Vertriebspartner anzuwerben. Diese Möglichkeit wird von dem beklagten Unternehmen ausdrücklich unterstrichen.
Weiterhin ist der Vertriebspartner nicht gezwungen, Mindestmengen der Waren und Dienstleistungen zu kaufen, er ist absolut frei, was und wieviel er kauft. Außerdem hat er wie bei jedem Kauf im Versandhandel das Recht, die Ware "gegen Rückerstattung des Kaufpreises" wieder zurückzugeben.

Entscheidend für die Ablehnung der Klage ist nach Ansicht des Gerichtes, dass kein Vertriebspartner zwingend neue Partner anwerben muss, um einen Profit zu erwirtschaften. Erst wenn dies der Fall wäre, wenn also ein Gewinn zwingend nur mit dem Anwerben neuer Kunden zu erzielen wäre, könne von einem strafbaren Schneeballsystem die Rede sein.

Auch wenn die Provisionszahlungen von Strukturvertriebe denen in einem Schneeballsystem teilweise zum Verwechseln ähnlich erscheinen, machen sich deren Anbieter nicht strafbar. Entscheidend ist, dass Teilnehmer an einem Strukturvertrieb auch ohne die Anwerbung weiterer Teilnehmer Provisionen aus dem Warenverkauf erzielen können.
 
OLG Frankfurt vom 21.01.2016, Az. 6 W 7/16


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