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300 EUR Schmerzensgeld für E-Mail-Werbung

Amtsgericht Pfaffenhofen, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 133/21


300 EUR Schmerzensgeld für E-Mail-Werbung

Das Amtsgericht Pfaffenhofen entschied am 09.09.2021, dass eine Geldentschädigung in Höhe von 300 EUR für die unbefugte Zusendung einer Werbe-E-Mail einschließlich der unzureichenden Auskunft über die Datenherkunft angemessen sei.

Wie wird eine angemessene Entschädigung bemessen?
Der Kläger war ein Anwalt. Er erhielt von der Beklagten eine Werbe-E-Mail. Weder aber hatte er eine Anfrage an die Beklagte gerichtet, noch war seine Mail-Adresse allgemein zugänglich. Es bestanden auch keinerlei geschäftliche oder persönliche Beziehungen zwischen den Parteien. Die E-Mail war überschrieben mit „Ihre Anfrage zu Kinder FFP 2 NR Masken“ und bewarb ein „Vorteilspaket FFP 2 Masken für Kinder und Erwachsene“. Der Kläger bat darauf um Mitteilung, wann die Beklagte seine Adresse gespeichert und woher sie sie erhalten habe. Außerdem forderte er die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Zur Herkunft der Adresse teilte die Beklagte lediglich mit, sie habe sich wegen einer Rechtsberatung umgesehen und auch die Kontaktdaten des Klägers entdeckt. Allerdings habe sich später doch kein Bedarf an einer Beratung und Kontaktaufnahme ergeben. Die Beklagte gab die vom Kläger erbetene Unterlassungsverpflichtung ab. Der Kläger bestand trotzdem auf eine gerichtliche Klärung. Denn er habe ein besonderes Interesse, dass die anwaltlich genutzte Adresse nicht missbraucht werde. Er forderte daher von der Beklagten ein Schmerzensgeld von mindestens 300 EUR.

Ungerechtfertigt Datenverarbeitung
Das Amtsgericht Pfaffenhofen entschied, die Beklagte habe die E-Mail-Adresse des Klägers ungerechtfertigt verarbeitet. Sie habe die E-Mail-Adresse bei der Suche nach einer Rechtsberatung in frei zugänglichen Quellen im Internet gefunden. Allerdings habe sie die Adresse nicht für diesen Zweck abgespeichert. Vielmehr sei die Speicherung zum Zweck der Werbung erfolgt.

Keine Einwilligung oder berechtigtes Interesse zur Datenverarbeitung
Das Gericht entschied, es liege kein Rechtfertigungsgrund für die Datenverarbeitung gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO vor. Dies sei Voraussetzung für die Werbung mittels E-Mail-Marketing. Weder aber werde etwas zu einer vorherigen und ausdrücklichen Einwilligung des Klägers behauptet oder vorgetragen, noch zu einer konkludenten Einwilligung. Auch fehle es am berechtigten Interesse der Beklagten. Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen die schutzwürdigen Interessen des Klägers die Interessen der Beklagten an einer Werbemaßnahme für von ihr vertriebene Masken. Denn der Kläger habe in keinerlei vorheriger Beziehung zur Beklagten gestanden und auch sonst nicht seine Email-Adresse mitgeteilt oder veröffentlicht.

Kein berechtigtes Interesse wegen Direktwerbung
Zwar sei zutreffend, dass auch die Datenverarbeitung für Direktwerbung ein berechtigtes Interesse nach DSGVO darstellen könne, so das AG. Die Ziele der Datenverarbeitung müssen aber unionrechtskonform sein. Daher gelte auch in diesem Zusammenhang die Wertung des § 7 II Nr. 2 UWG, wonach Werbung ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung eine unzumutbare Belästigung darstelle. Daraus folge, dass sich die Beklagte nicht auf ein berechtigtes Interesse aufgrund Direktwerbung berufen könne.

Verstoß gegen Informationspflichten
Das AG urteilte, die Beklagte habe auch gegen Art. 14 DSGVO verstoßen. Danach habe der Verantwortliche – wenn die Datenerhebung nicht bei der betroffenen Person selbst erfolge - eine Informationspflicht gegenüber dem Betroffenen. Dies beziehe sich z.B. auf Name, Kontaktdaten, Zwecke der Datenverarbeitung etc. Diese Informationen seien innerhalb einer angemessenen Frist nach Erlangung der personenbezogenen Daten, längstens jedoch innerhalb eines Monats, mitzuteilen. Eine Erfüllung dieser Pflicht sei vorliegend aber nicht ersichtlich.

Fehlende Auskunft
Auch dem Auskunftsrecht des Klägers aus Art. 15 DSGVO sei die Beklagte nicht nachgekommen, so das Gericht weiter. Jedenfalls hinsichtlich der Datenherkunft habe die Beklagte trotz Aufforderung keine Auskunft erteilt. Der Kläger habe gefragt, woher die Beklagte seine Email-Adresse erhalten habe. Dazu habe die Beklagte nur allgemein mitgeteilt, es habe sich um „manuell erfasste“ Daten gehandelt, die wegen einer Rechtsberatung in ihrem Heimatort „entdeckt“ worden seien. Es seien keine Informationen erfolgt, wo die Daten „entdeckt“ oder erhalten wurden. Dies Mitteilung sei zudem erst im Prozess zwei Monate nach Aufforderung der Mitteilung erfolgt.

Schaden muss nicht erheblich sein
Das Amtsgericht befand, die Verstöße haben zu einem immateriellen Schaden des Klägers geführt. Auf eine „Erheblichkeitsschwelle“ komme es dabei nicht an. Denn eine solche sei in der DSGVO nicht erkennbar. Auch spreche für einen weiten Schadensbegriff die Zielsetzung der DSGVO. Verstöße seien wirksam zu sanktionieren, damit die DSGVO wirken könne. Der Schaden könne bereits in dem unguten Gefühl bestehen, dass personenbezogene Daten Unbefugten bekannt geworden seien. Dies gelte insbesondere dann, wenn nicht ausgeschlossen sei, dass die Daten unbefugt weiterverwendet werden. Unbefugte Datenverarbeitung könne zu einem Gefühl des Beobachtetwerdens und der Hilfslosigkeit führen. Dadurch werde die betroffene Person zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert.

Bemessung der Schadenshöhe
Die Höhe des Anspruchs sei dabei nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage der inhaltlichen Schwere und Dauer der Rechtsverletzung zu beurteilen, so das Gericht weiter. Hierbei seien der Kontext und die Umstände des Verstoßes zu berücksichtigen. Genugtuungs- und Vorbeugungsfunktion können bei der Bezifferung auch eine Rolle spielen. Einerseits dürfe die Höhe des Schadensersatzes keine Strafwirkung entfalten. Andererseits reiche ein künstlich niedrig bezifferter Betrag mit symbolischer Wirkung nicht aus, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen.

Höhe von 300 EUR ist angemessen
Das Gericht erachtete eine Entschädigung von 300 EUR für angemessen. Berücksichtigt worden sei, dass der Kläger nicht nur von einem, sondern von mehreren Verstößen der Beklagten betroffen gewesen sei. Andererseits seien die Auswirkungen für den Kläger im „eigenen Bereich“ geblieben. Es seien keine Beziehungen des Klägers zu Dritten betroffen. Die erkennbaren Auswirkungen lägen vielmehr darin, dass sich der Kläger mit der Abwehr der Werbung und der Herkunft der Daten auseinandersetzen musste. Gerade letzteres sei geeignet, zu einem durchaus belastenden Eindruck des Kontrollverlusts zu führen. Hierbei sei zudem die zögerliche (und vage) Information zur Datenverarbeitung zu berücksichtigen.

Berufung zugelassen
Das Amtsgericht ließ die Berufung zu, denn die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Amtsgericht Pfaffenhofen, Urteil vom 09.09.2021, Az. 2 C 133/21


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