Vervielfältigung eines Kunstwerks
Durch Urteil vom 16.05.2013 hat der Bundesgerichtshof in einem zum Aktenzeichen I ZR 28/12 geführten Revisionsverfahren über urheberrechtlichen Schutz einer Kunstaktion entschieden.
Geklagt hatte eine Rechteverwertungsgesellschaft, die als legitimierte Vertreterin für die Witwe des Künstlers Joseph Beuys deren ererbte Urheberrechte geltend machte.
Die Beklagte veranstaltete eine Fotoausstellung, zu der auch eine Fotoserie des Fotografen Manfred Tischer gehörte, der die Bilder bei einer Kunstaktion, an der Joseph Beuys und zwei weitere Künstler im Jahr 1964 in den Studios des Zweiten Deutschen Fernsehens teilnahmen, aufgenommen hatte.
Die Klägerin klagte auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bilder von der Beuys-Kunstaktion, da die Ausstellung die von ihr wahrgenommenen Urheberrechte verletzt habe.
Die Beklagte wehrte sich mit dem Argument, dass die Kunstaktion, bei der die Fotoserie entstanden war, als solche keinem urheberrechtlichen Schutz unterlag. Deshalb beständen auch keine Urheberrechte mehr, die von der Erbin des Künstlers oder von der Klägerin geltend gemacht werden könnten. Außerdem habe der Fotograf mit seiner Fotoserie, auf der nicht nur Beuys und die von ihm benutzten Requisiten sondern auch die anderen beteiligten Künstler, darunter Wolf Vostell, zu sehen sind, selbst ein eigenes, schutzwürdiges Kunstwerk geschaffen. Er habe sich keinesfalls auf die Dokumentation der Geschehnisse beschränkt sondern durch die Auswahl der Momentaufnahmen und der unterschiedlichen Blickwinkel ein eigenes Werk geschaffen, dessen kreative Eigenart die Übereinstimmungen mit der Kunstaktion des Joseph Beuys überdeckt.
In den Vorinstanzen hatten sowohl das Landgericht Düsseldorf als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben und die von der Klägerin beantragte Unterlassungsverfügung erlassen. Die von der Beklagten gegen das Berufungsurteil beim Bundesgerichtshof eingelegte Revision hatte in der Sache Erfolg und führte zur Aufhebung der vorangegangenen Entscheidungen.
Der erkennende erste Senat am Bundesgerichtshof problematisierte im Gegensatz zu den Vorinstanzen die Frage, ob eine Kunstaktion der hier streitgegenständlichen Art überhaupt urheberrechtlichen Schutz erhalten kann. Die Kunstaktion selbst bestand aus einer Vielzahl von Einzelhandlungen, die der Künstler Beuys und einer seiner damaligen Schüler durchführten. Dabei spielten Margarine, Schokolade, Decken und ein Verschlag ebenso eine wichtige Rolle wie ein Plakat, das während der Aktion beschriftet wurde. Das Berufungsgericht kam aufgrund der Aussage eines Kunsthistorikers, der angab, die Kunstaktion genau rekonstruieren zu können, zu dem Schluss, dass die körperliche Verfestigung zum Kunstwerk hier gegeben sei. Der Bundesgerichtshof behielt allerdings Zweifel, da eine lückenlose Aufzeichnung nicht vorhanden ist. Auch die streitgegenständliche Fotoreihe stellt keine lückenlose Darstellung der damaligen Aktion dar. Außerdem folgten die Richter am Bundesgerichtshof dem Vortrag der Beklagten, der Fotograf habe bei der Aufnahme und bei der Zusammenstellung der Fotos ein eigenes Werk geschaffen, wobei er die Beuys-Aktion nutzte, sie aber nicht nur aufzeichnete oder abwandelte.
Streitgegenstand konnte nur die gesamte Aktion sein, die der Künstler Joseph Beuys am bezeichneten Tag mit seinem Helfer inszenierte. Die Fotoserie, gegen deren öffentliche Ausstellung die Klägerin vorging, stellt lediglich einige Ausschnitte dar, die mit den Bildern der anderen Künstler, die zur gleichen Zeit wie Beuys ebenfalls „performten“ vermischt waren. Da alle beteiligten Künstler vor der Aktion zugestimmt hatten, durch den Fotografen bei ihrer künstlerischen Arbeit aufgenommen zu werden, liegt damit kein Verstoß gegen Urheberrechte oder Rechte am eigenen Bild vor.
BGH, Urteil vom 16.05.2013, Aktenzeichen I ZR 28/12