Verjährung einer Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch“
Ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach dem sogenannten „Hamburger Brauch“ wird nicht schon mit der Zuwiderhandlung fällig, so wie dies bei einer festen Vertragsstrafe der Fall ist. Hierfür muss der Gläubiger zuerst gem. § 315 Absatz 1 und 2 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt haben, wobei er die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisieren muss.
Hintergrund
Der Beklagte hatte im Jahr 2013 ein vom Kläger gefertigtes Lichtbild auf der Internet-Handelsplattform Ebay für ein Verkaufsangebot genutzt. Der Kläger ist Berufsfotograf und sah sich in seinen Rechten verletzt. Auf das Hinwirken des Klägers verpflichtete sich der Beklagte, es bei Meineid einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Kläger zu bestimmenden, im Streitfall durch das zuständige Gericht zu überprüfenden, angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen, das Lichtbild oder Teile hiervon, ohne die erforderlichen Rechte im Internet zu veröffentlichen. Das Lichtbild ist allerdings bis Mai 2014 im Verkaufsangebot des Beklagten abgebildet gewesen.
Eine am 22.12.2016 vom Kläger per Einschreiben geforderte Vertragsstrafe von 3.600 Euro verweigerte der Beklagte, indem er die Annahme verweigerte. Auch ein am 12.12.2017 versandtes, inhaltsgleiches Einschreiben holte der Beklagte nicht ab. Am 14.12.2017 wurde eine gleichlautende E-Mail versandt. Mit einem dem Beklagten zugegangenen Schreiben vom 16.10.2019 sowie mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2019 forderte der Kläger den Beklagten erneut erfolglos zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.250 Euro auf. Es folgte eine am 23.12.2019 beim Amtsgericht eingegangene und dem Beklagten am 23.01.2020 zugestellte Klage. Daraufhin hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Verfahrensgang
Nachdem das Amtsgericht die Klage abgewiesen hat, bestätigte auch das Landgericht diese Entscheidung. Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen worden.
Was steckt hinter dem „Hamburger Brauch“?
Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass eine Vertragsstrafe in der Weise vereinbart werden kann, dass dem Gläubiger gem. § 315 Abs. 1 BGB bei künftiger Zuwiderhandlung des Schuldners gegen die vertragliche Unterlassungsverpflichtung die Festsetzung der Strafhöhe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt. Diese Bestimmung kann nach dem „Hamburger Brauch“ im Einzelfall gem. § 315 Abs. 3 BGB durch ein Gericht überprüft werden. Demnach bestimmt bei einer Zuwiderhandlung des Schuldners der Gläubiger gem. § 315 Abs. 2 BGB eine angemessene Höhe der nach § 339 Satz 2 BGB verwirkten Vertragsstrafe formlos durch eine einseitige empfangsbedürftige Erklärung. Sofern der Schuldner unberechtigt die Annahme einer schriftlichen Vertragsstrafen-Bestimmung verweigert, muss er sich gem. § 242 BGB so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung zugegangen.
Für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Fälligkeit maßgeblich
Das Berufungsgerichts hatte die Verjährungseinrede gem. § 214 Abs. 1 BGB bestätigt, der Beklagte könne die Zahlung der vom Kläger verlangten Vertragsstrafe verweigern. Hiergegen wandte sich die Revision beim BGH mit Erfolg. Die Annahme, die dreijährige Verjährungsfrist habe gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen, sei fehlerhaft gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Anspruch i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht worden ist und im Klageweg durchgesetzt werden kann. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Schuldner die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat und der Anspruch daher nach allgemeiner Terminologie entstanden ist. Darüber hinaus ist auch die Fälligkeit des Anspruchs erforderlich, mit deren Eintritt der Gläubiger die Möglichkeit hat, Leistungsklage zu erheben. Denn erst dann kann der Gläubiger gem. § 271 BGB die Leistung verlangen und gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung hemmen durch Klageerhebung.
Fälligkeit beim „Hamburger Brauch“ erst mit Festsetzung der Vertragsstrafe
Wendet man diese Grundsätze an, ist der klägerische Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vor dem Jahr 2016 entstanden. Anders als ein Anspruch auf Zahlung einer festen Vertragsstrafe wird ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch“ nicht bereits mit der Zuwiderhandlung fällig, sondern erst, wenn der Gläubiger gem. § 315 Abs. 1 und 2 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt hat und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam festgesetzt worden ist. Bei dem in Rede stehenden Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ knüpft die Entstehung des Anspruchs nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB und damit der Verjährungsbeginn, abweichend von dem allgemeinen Grundsatz, nicht an die Vollendung der Zuwiderhandlung, sondern an die bei Festlegung der Vertragsstrafe eintretende Fälligkeit des Anspruchs an.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2022, Az. I ZR 141/21