Übernachtende Gäste entlasten Anschlussinhaber
Das Amtsgericht (AG) in Stuttgart-Bad Cannstatt hat mit seinem Urteil vom 13.08.15 unter dem Az. 8 C 1023/15 über die Kriterien entschieden, die bei der Bemessung eines Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie wegen illegalen Filesharings angewendet werden sollen. Das Gericht entschied, dass es auf die Anzahl der eventuellen Vervielfältigungen ankomme.
Der Anschlussinhaber komme seiner Darlegungslast durch die Erklärung nach, ob und ggf. welche dritten Personen selbstständigen Zugang zum Anschluss hatten und für die Rechtsverletzung verantwortlich sein könnten. Es sei zumutbar, dass der Anschlussinhaber hierzu auch Nachforschungen anstellt.
Damit hat das Gericht die Klage abgewiesen.
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Rechte an einem pornografischen Filmwerk, das zu einem Preis von 14,99 € verkauft wird.
Am 26.01.13 wurde der Film um 06 Uhr 29 über ein Filesharing Netzwerk verbreitet. Es wurde hierzu eine IP-Adresse verwendet, die zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten zugeordnet werden konnte. Die Daten des Beklagten hatte die Klägerin bei der Telefongesellschaft T in Erfahrung gebracht, nachdem sie den Anbieter durch das LG München I zur Auskunft verpflichten ließ.
Mit Schreiben vom 08.02.13 ließ die Klägerin den Beklagten abmahnen und die Abgabe einer Unterlassungserklärung anfordern. Außerdem bot sie die Erledigung der Angelegenheit bei Zahlung von 850 € an. Dies lehnte der Beklagte ab. Mit ihrer Klage will die Klägerin den Beklagten zu einem Schadensersatz in Höhe von 500 € und Anwaltsgebühren von rund 650 € aus einem Streitwert von 10000 € verurteilen lassen.
Der Beklagte hat behauptet, den Film nicht zu kennen. Er nutze auch keine Tauschbörsen. Zum fraglichen Zeitpunkt seien vier Rechner in seinem Haushalt gewesen, zu denen auch sein Bruder und sein Cousin sowie diverse Übernachtungsgäste Zugang hätten. Diese Personen seien von ihm belehrt worden, dass sie keine illegalen Aktivitäten unter Nutzung seines Anschlusses durchführen dürfen. Er habe sein WLAN-Netzwerk sorgfältig gegen unbefugten Zugriff abgesichert.
Die Klägerin bestreitet, dass dieser Vortrag vom Beklagten stamme. Vielmehr würde dessen Vertreter stets solche Textbausteine verwenden. Der Beklagte habe die Urheberrechtsverletzung selbst vorgenommen. Nach Lizenzanalogie stünden ihr, der Klägerin, mindestens 1500 Euro Schadensersatz zu.
Doch das AG Stuttgart-Bad Cannstatt sieht die Klage als unbegründet an.
Wenn ein geschütztes Werk von einer bestimmten IP-Adresse aus verbreitet werde, so das Gericht, spreche die Vermutung dafür, dass die Person, der der Anschluss zugeordnet werden könne, hierfür verantwortlich sei.
Die Vermutung der Täterschaft könne jedoch widerlegt werden, wenn zum fraglichen Zeitpunkt auch andere Personen den Anschluss benutzt haben konnten, da er nicht ausreichend gesichert oder bewusst weiteren Personen überlassen worden sei. Hierzu treffe den Inhaber des Anschlusses eine sekundäre Darlegungslast, die der Beklagte auch erfüllt habe. Der Einwand der Klägerin, der Vortrag sei nicht vom Beklagten, sondern durch Textbausteine des Anwalts erfolgt, sei unbeachtlich. Denn es finden sich Details aus dem Haushalt des Beklagten, die in anderen Schreiben des Anwalts vermutlich nicht zu finden seien. Eine Rüge dahingehend, dass keine ordnungsgemäße Vollmacht vorliege, wurde von der Klägerin nicht vorgebracht.
AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 13.08.15, Az. 8 C 1023/15