Tonbänder mit Interviews von Altkanzler Kohl sind herauszugeben
Der Streit um die Tonbänder mit Interviews vom Journalisten Dr. Heribert Schwan und Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl ist beendet – vorerst. Der für die Verfassung von Kohls Memoiren zuständige Journalist muss die Bänder herausgeben, hat aber bereits Revision angekündigt.
Für die Biographie sammelte Schwan jahrzehntelang Materialien über Kohl, darunter Manuskript für Reden, Auszüge aus der Stasi-Akte und Briefe. Außerdem führte der Journalist 630 Stunden lang Gespräche und Interviews mit dem früheren Bundeskanzler, die auf 135 Tonbändern aufgezeichnet wurden. Das Lebenswerk von Kohl sollte in vier Teilen dargestellt werden; drei wurden veröffentlicht, der vierte nicht. Denn nach einem Streit zwischen Schwan und Kohl kündigte letzterer dem Journalisten und verklagten diesen vor dem LG Köln auf Herausgabe der Tonbänder. Letztes Jahr bekam der Altkanzler Recht. Schwan ging in Berufung.
Eigentum an Tonbändern durch Herstellung einer neuen bewegliche Sache
Das Berufungsgericht, das OLG Köln, wies indes die Berufung zurück. Es ließ offen, ob sich der Herausgabeanspruch Kohls bereits aus dem Vertragswerk ergebe. Ein solcher Anspruch gründe sich aber auf § 950 BGB, wonach der Hersteller einer neuen beweglichen Sache durch Verarbeitung Eigentum an dieser Sache erwirbt, wenn der Wert der Verarbeitung nicht erheblich geringer ist als der Wert des verarbeiteten Stoffes.
Die Verarbeitung könne auch durch Malen oder Schreiben vorgenommen werden, wobei Tonbandaufnahmen dem gleichgestellt seien. Die Herstellung der neuen Sache basiere darauf, dass die Gespräche zum Zwecke der längerfristigen Nutzung aufgezeichnet worden seien. Auch sei Helmut Kohl als Hersteller im Sinne des § 950 BGB anzusehen. Denn in seinem Namen und seinem (wirtschaftlichen) Interesse seien die Aufnahmen angefertigt worden. Schwan habe lediglich als Ghostwriter – auch nach dem Vertragswerk – Materialien für das Schreiben der Memoiren gesammelt und im Hintergrund bleiben wollen. Man könne daher die Situation nicht mit einer solchen vergleichen, in der ein Journalist ein Interview zwecks Berichterstattung über ein tagesaktuelles Geschehen führe. Ferner spreche das jederzeitige Kündigungsrecht von Helmut Kohl dafür, ihn als Hersteller der neuen Sache anzusehen.
Auch habe Schwan kein Recht, die Tonbänder in seinem Besitz zu haben. Die angebliche Zusage, Schwan dürfe die Aufzeichnungen nach dem Tod Kohls veröffentlichen, sei spätestens mit der Kündigung hinfällig geworden. Die Zusammenarbeit zwischen Dr. Heribert Schwan und Altkanzler Dr. Helmut Kohl habe vor allem auf einem Vertrauensverhältnis beruht. Breche diese Grundlage weg, so sei auch die Zusage entfallen.
Schwan hat bereits angekündigt, Revision beim BGH einlegen zu wollen.
Fazit
Ob eine Revision beim BGH Erfolg hätte, ist schwer einzuschätzen. Vor allem, die These, dass durch Tonbandaufnahmen eine Verarbeitung im Sinne von § 950 BGB gegeben sei, steht auf wackligen Füßen. Auch ist der Einwand des Beklagten, seine Fragen könnten urheberrechtlich geschützt sein, nicht ganz von der Hand zu weisen. Zudem ist auch ein Biograph, der das Lebenswerk eines anderen schreibt, darauf bedacht, seinem journalistischen Anspruch gerecht zu werden, wenngleich er tatsächlich im Hintergrund bleiben soll.
OLG Köln, Urteil vom 01.08.2014, Az. 6 U 20/14
LG Freiburg, 12 O 12/14
LG Freiburg, Urteil vom 31. März 2014, Az. 12 O 12/14