Tarzan ist gemeinfrei
Der Fall: Eine deutsche Filmproduktionsfirma möchte den Roman „Tarzan bei den Affen“ des amerikanischen Schriftstellers Edgar Rice Borroughs verfilmen. Der Roman erschien in den USA am 10. September 1912. Das registrierte Copyright wurde letztmalig im November 1939 verlängert. Borroughs selbst starb am 19. März 1950. Eine Gesellschaft mit Sitz in Kalifornien besitzt sämtliche Rechte an dem Roman mit der Ausnahme der Rechte, dieses Werk in einer periodisch erscheinenden Sammlung zu veröffentlichen. Sie hat sich gegen die Verfilmung und die Verwendung des Buchtitels durch die Produktionsfirma ausgesprochen und die Ansicht vertreten, das Werk sei in Deutschland noch bis zum 31. Dezember 2020 urheberrechtlich geschützt. Demgegenüber ist die Produktionsfirma der Meinung, die urheberrechtliche Schutzfrist sei bereits am 31. Dezember 2000 ausgelaufen und sie könne daher den Roman sowie den Titel ohne Zustimmung der kalifornischen Gesellschaft verwenden. Sie hat deshalb darauf geklagt, festzustellen, dass der kalifornischen Gesellschaft in Deutschland keine Ansprüche wegen der Verfilmung dieses Buches zustehen und dass auch der Titel in Deutschland verwendet werden könne. Das Landgericht München I wies die Klage erstinstanzlich ab (LG München I, Entscheidung vom 10.05.2012, Az. 7 O 12292/11). Das Oberlandesgericht München gab ihr hingegen in der Berufungsverhandlung statt (OLG München, Entscheidung vom 21.02.2013, Az. 29 U 3907/12). Daraufhin legte die Beklagte Revision beim Bundesgerichtshof ein, dessen erster Zivilsenat die Revision mit Urteil vom 26. Februar 2014 zurückwies (Az. I ZR 49/13).
In seiner umfänglichen Urteilsbegründung nennt der BGH mehrere bi- und multilaterale internationale Vertragswerke, die zur Klärung der urheberrechtlichen Schutzfristdauer des strittigen Werkes in Betracht kommen: 1. Das Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und den USA von 1892, 2. das Welturheberrechtsabkommen von 1952 in seiner revidierten Fassung von 1971 (WUA), 3. die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst von 1886 in der revidierten Fassung von 1971, 4. das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums von 1994 (TRIPS) und 5. der Urheberrechtsvertrag der World Intellectual Property Organization (WIPO/WTC) von 1996.
Der BGH führt aus, dass man zu völlig unterschiedlichen Laufzeiten der Schutzfrist kommen würde, läge man jede einzelne dieser Regelungen für sich gesondert zugrunde. Beispielsweise käme man beim Übereinkommen von 1892 auf ein Schutzfristende zum 31. Dezember 2020, weil es Angehörigen der USA in Deutschland einen Urheberrechtsschutz nach inländischem Recht zusagt. Nach Auffassung des Senats wird diese Bestimmung jedoch durch das Welturheberrechtsabkommen von 1952 überlagert. Dies hänge mit den nachträglichen Verlängerungen der Schutzfristen zusammen. Lief sie ursprünglich bis 30 Jahre nach dem Tod des Urhebers (im konkreten Fall: 31. Dezember 1980), wurde sie 1934 auf 50 und 1965 auf 70 Jahre verlängert. Dem Senat zufolge greift aber die letzte Verlängerung von 1965 nicht mehr, da sie erst nach dem Abschluss des Welturheberrechtsabkommens von 1952 erfolgte. Denn das WUA bestimmt, dass bei abweichenden Regelungen zwischen dem WUA und anderen Übereinkommen dem WUA ein Vorrang zukommt. Demnach braucht kein Vertragsstaat einen längeren Urheberschutz als in dem Land zu gewähren, in dem das Werk zum ersten Mal veröffentlicht worden ist. In den USA sei, so der Senat, die Schutzfrist für das Tarzan-Buch bereits am 31. Dezember 1987 ausgelaufen. Da jedoch vor Abschluss des WUA die Schutzfrist aufgrund bestehender Verträge bereits bis zum 31. Dezember 2000 lief, bleibt dies vom WUA unberührt, so dass die Schutzfrist für das Buch nach der Überzeugung des BGH tatsächlich Ende 2000 auslief.
In seiner ausführlichen rechtlichen Würdigung kam das Gericht außerdem zu dem Ergebnis, dass die anderen internationalen Verträge, nach denen man zu einer anderen Schutzfristdauer kommen könnte, wegen des Zeitpunktes ihres Zustandekommens für den konkreten Fall nicht anwendbar sind.
BGH, Urteil vom 26.02.2014, Az. I ZR 49/13