Screen-Scraping und Europäische Datenbank-Richtlinie
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 15. Januar 2015 entschieden, dass es einer Fluggesellschaft gestattet sein muss, die Verwendung von internen Flugdaten, die in so genannten Buchungsportalen verbreitet werden, durch AGB zu regeln. Kern des Rechtsstreits war die Auslegung der Richtlinie 96/9/EG, die für Datenbanken einen gewissen rechtlichen Schutz regeln soll. Im Ergebnis gelangten die Richter zu der Überzeugung, dass die Richtlinie nicht auf solche Datenbanken anzuwenden ist, die weder durch ein generelles Schutzrecht noch durch das Urheberrecht gesichert werden. Unbeachtet bleibt bei dieser Auslegung die nationale Rechtslage innerhalb der Mitgliedstaaten. Dementsprechend dürfen die Hersteller dieser Datenbanken auch vertragliche Einschränkungen, beispielsweise durch Nutzung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, festlegen, um die Nutzung der Informationsplattformen durch Dritte zu regeln.
Bei der Beklagten handelte es sich um die Firma PR Aviation, die im Internet eine Homepage betreibt, über die Verbraucher nach Flugdaten der so genannten Billigfluggesellschaften suchen, um die Preise direkt miteinander zu vergleichen und gegebenenfalls gegen Entrichtung einer Provision einen konkreten Flug buchen können.
Um die vom Verbraucher in Auftrag gegebene Suchanfrage zu bearbeiten, hat die Beklagte einen automatisierten Datenweg gewählt, indem unter anderem auf eine Sammlung von Daten zurückgegriffen worden ist, die mit der Internetseite der Klägerin Ryanair unmittelbar verbunden ist. Damit der Verbraucher Zugang zu der Homepage hatte, musste er bei seiner Suchanfrage auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fluggesellschaft akzeptieren. Die Klägerin hat sich in dem Rechtsstreit auf die Europäische Richtlinie 96/9 berufen. Ihrer Ansicht nach verletzte die Beklagte durch Ihr Vorgehen sowohl das Datenbankengesetz als auch das Urheberrecht. Zudem habe die Beklagte gegen die von ihr vertraglich geregelten Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen. Zunächst wurde der Klage am 28. Juli 2010 von der Rechtbank Utrecht stattgegeben, wobei ein Verstoß gegen die Richtlinie 96/9 vom Gericht nicht angenommen worden ist. Durch die Handlung habe die Beklagte jedoch gegen das Urheberrecht im Hinblick auf die Flugdaten verstoßen. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte sodann Berufung ein. Auch die Klägerin machte von der Möglichkeit der Anschlussberufung Gebrauch, da sie nach wie vor der Auffassung gewesen ist, dass die Nutzung der Flugdaten ebenfalls einen Verstoß gegen das Datenbankengesetz sowie die Richtlinie darstellt.
Am 13. März 2012 hob der Gerechtshof te Amsterdam das Urteil der ersten Instanz auf. Die Anschlussberufung der Klägerin wurde folglich zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Kassationsbeschwerde beim Hoge Raad der Nederlande ein. Das Beschwerdegericht legte dem Europäischen Gerichtshof sodann den Rechtsstreit vor, um vorab die Frage zu klären, ob die Datensammlung der Klägerin überhaupt eine Datenbank im Sinne der Richtlinie darstellt.
Das höchste europäische Gericht machte zunächst noch einmal deutlich, dass durch eine Richtlinie keinerlei Verpflichtungen für den Einzelnen begründet werden können. Er kann sich insoweit nicht auf die Existenz berufen. Allerdings seien die nationalen Gerichte angehalten, das innerstaatliche Recht mit den Europäischen Richtlinien in Einklang zu bringen, und dieses gegebenenfalls dahingehend auszulegen.
Des Weiteren verwies der Gerichtshof auf den Wortlaut der Richtlinie, die dem Rechtsschutz von Datenbanken zu dienen bestimmt ist. Daraus ergebe sich, dass eine Datenbank, die mit den gesetzlich normierten Merkmalen aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9 übereinstimmt, automatisch dem Urheberrecht bzw. dem Schutzrecht sui generis unterliegt. Voraussetzung sei vielmehr, dass die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 bzw. des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie vorliegen.
Im Ergebnis führen die Richter aus, dass die Datenbank der Klägerin sehr wohl dem Schutzzweck der Richtlinie unterfällt. Entscheide sich der Inhaber einer Datenbank dafür, dass diese von Dritten genutzt wird, müsse es ihm auch freistehen, die Nutzung durch eigener Vereinbarungen zu regeln. Voraussetzung sei, dass durch die Nutzungsvereinbarungen kein Wertungswiderspruch zu der Richtlinie hergestellt wird. Diese sei im Hinblick auf die Vorlagefrage dahingehend auszulegen, dass der Klägerin nicht das Recht genommen werden dürfe, vertragliche Beschränkungen durch die Einführung Allgemeinen Geschäftsbedingungen festzulegen.
EuGH, Urteil vom 15.01.2015, Az. C-30/14