Schadensersatz bei GPL-Verstoß
Ein weiteres Urteil des LG Bochum bestätigt, dass ein Verstoß gegen die sogenannte GPLv2-Lizenz einen Schadenersatzanspruch der Rechteinhaber begründet.
Die Klägervertreter hatten bereits zuvor einen erfolgreichen Muster-Prozess geführt, der zu einer Schadenersatzverpflichtung geführt hatte. Dieser Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Die Klägerin entwickelt Software für den sicheren Zugang zu drahtlosen Netzwerken und verklagt eine Hochschule, die mehrere Standorte mit einem eigenen WLAN-Netz betreibt. Die Studenten und die Beschäftigen nutzen dieses WLAN-Netz für den Zugang zum Intranet und Internet. Den Gästen weiterer Hochschulstandorte wird dieser Netz-Zugang gleichfalls gewährt. Sie benötigen allerdings eine spezielle Software, um Zugang zu dem WLAN-Netz der Beklagten zu erhalten.
Auf ihrer Homepage stellt die Beklagte die Open-Source-Software der Klägerin zum Download zur Verfügung. Juristisch gesehen gestattet die Beklagte den Nutzern die kostenfreie Vervielfältigung, Veränderung und Verbreitung der in Rede stehenden Software. Sie versäumte es jedoch, einen Lizenztext und einen Quellcode zur Verfügung zu stellen. Im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens hatte die Rechteinhaberin die Hochschule abgemahnt, woraufhin diese die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Sie weigerte sich jedoch, Auskunft über den Umfang des von ihr begangenen Rechtsverstoßes zu geben, die für die Berechnung des geforderten Schadenersatzes notwendig war.
Die Beklagte sieht keine Rechtsverletzung ihrerseits vorliegen, und bestreitet, dass die Klägerin die streitgegenständliche Software sogleich mit einem Binär- und Quellcode mit dem entsprechenden Lizenztext in den Verkehr gebracht hat. Einigkeit zwischen den Parteien besteht dahingehend, dass die Beklagte die entsprechende Software von der Homepage des „C“ heruntergeladen hat. Diese Version habe weder den Quellcode noch den Lizenztext enthalten, was für ihren Mitarbeiter nicht erkennbar gewesen sei. Zudem sei der Klägerin kein Schaden entstanden, da sie die Open-Source-Software kostenlos anbiete. Es handele sich nicht um eine kommerzielle Software. Die Klägerin tritt dem Vortrag der Beklagten entgegen und behauptet, die streitgegenständliche Software sei von Anfang an mit dem entsprechenden Binärcode, dem Quelltext und dem Lizenztext versehen gewesen. Zusätzlich sei der Lizenztext auf der hauseigenen Homepage durch einen Link abrufbar gewesen. Außerdem behauptet sie, bis zum 05.05.2015 keine Kenntnis von dem Rechtsverstoß der Beklagten gehabt zu haben. Die Beklagte ist nicht in der Lage, den Beweisen der Klägerin, die unter anderem einen Screenshot enthalten, mit ihrem substanzlosen Vortrag entgegenzutreten.
Die Richter werten dieses Versäumnis als Verstoß gegen das Urheberrecht, der einen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte begründet. Obwohl die Klägerin die streitgegenständliche Open-Source-Software normalerweise kostenlos zur Verfügung stellt, bedeutet dieser Umstand nicht, dass sie rechtlos ist. Die Zustimmung der Rechteinhaberin zu einer kostenlosen Nutzung der Software bedeutet nicht, dass sie ihre Rechtsansprüche an dem Klagegegenstand aufgibt. Es bleibt ihr auch nicht verwehrt, weitere proprietäre Lizenzen im Weg des Dual Licensing kostenpflichtig anzubieten. Ferner weist das Urteil darauf hin, dass die Klägerin spätere Versionen der Software ausschließlich kostenpflichtig zur Verfügung stellt. Da die Bedingungen der GPL-Lizenz nicht eingehalten wurden, ist sie berechtigt, einen Anspruch auf Schadenersatz (§ 97 UrhG) gegen die Beklagte geltend zu machen. Die Beklagte hat der Klägerin zudem die für die Berechnung des Schadenersatzes notwendige Auskunft (§ 242 BGB, § 97 UrhG, § 256 ZPO) hinsichtlich des Umfangs der lizenzwidrigen Software-Nutzung zu erteilen und die Abmahnkosten (§ 97 UrhG) zu erstatten.
Aufgrund der Schadenersatzpflicht besteht zudem eine Sonderverbindung zwischen den Parteien. Die Berechnung des Schadenersatzes erfolgt auf der Grundlage einer angemessenen fiktiven Lizenzanalogie. Das Gericht setzt den Gegenstandswert auf 100.000 Euro fest. Die lizenzentgeltliche Folgeversion der streitgegenständlichen Software bietet einen konkreten Anhaltspunkt zur Berechnung des Lizenzentgeltes. Die Auskunftspflicht beinhaltet Angaben zur Anzahl der Studierenden und Beschäftigten sowie Dauer der Angebotshandlung. Da die Klägerin hinlänglich bewiesen hat, dass sie bis zum 05.05.2015 keine Kenntnis von der Rechtsverletzung der Beklagten hatte, sind ihre Ansprüche nicht verjährt (§§ 102 UrhG, 852 BGB, §§ 102 UrhG, 195, 198 BGB).
LG Bochum, Urteil vom 03.03.2016, Az. I-8 O 294/15